Rheinpfalz Zuverlässige Begleiter durch den Alltag

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Der zukünftige Blindenhund soll in seinem ersten Lebensjahr eine enge Bindung zu Menschen aufbauen und viele alltägliche Situationen kennenlernen.

Einen süßen Hundewelpen aufnehmen, ihn liebevoll groß- und erziehen, ihn in die Familie und in den Alltag integrieren – und ihn dann wieder abgeben. Warum sollte man so etwas freiwillig tun? „Weil es sonst keine Blindenführhunde gäbe“, sagt Susanne Reppelmund vom Verein Deutsche Blindenführhundhilfe in Neuburg an der Donau.

„Für einen blinden Menschen ist ein Blindenführhund nicht nur das beste Hilfsmittel, sondern ein richtiger Partner“, fährt sie fort. Die Tiere könnten ihren Haltern viel mehr Sicherheit, Freiheit und Lebensqualität geben als etwa ein Blindenstock. Das klappe jedoch nur, wenn sie richtig ausgebildet seien. „Und dafür ist es eben unerlässlich, dass sie im Alter von circa acht bis zehn Wochen in eine Patenfamilie kommen, die sie bis ins junge Erwachsenenalter betreut.“ Reppelmund und ihr Mann haben selbst bereits vier künftige Blindenführhunde bei sich aufgenommen. „Bei unserem ersten Hund war es natürlich besonders schwierig, sich wieder von ihm zu trennen“, sagt sie. „Aber man weiß ja, dass man die Tiere nur auf Zeit bei sich hat und dass man damit etwas Gutes tut.“ Um noch mehr Gutes zu tun und mehr Welpen an Patenfamilien vermitteln zu können, hat das Ehepaar 2015 den Verein Deutsche Blindenführhundhilfe gegründet, der sowohl mit Züchtern als auch mit einer Schule für Blindenführhunde zusammenarbeitet. Welcher Hund eines Wurfs sich für die verantwortungsvolle Tätigkeit eignen könnte, wird mit dem sogenannten Welpentest geprüft, wenn sie etwa sieben Wochen alt sind. „Er sollte entspannt, ausgeglichen und neugierig sein und auf Menschen und neue Situationen zugehen“, so Reppelmund. Im Prinzip seien alle Hunderassen geeignet, die Tiere sollten aber gefallen und gehorchen wollen sowie keinen extremen Jagd- oder Herdentrieb aufweisen, zudem würden die angehenden Blindenführhunde kastriert. „Es wäre sonst einfach zu gefährlich, wenn etwa eine läufige Hündin zu einem Rüden stürmen will und ihren Halter dabei mit sich zieht.“ Labradore eigneten sich gut für den „Job“, ebenso wie Airedale Terrier, Golden Retriever, Pudel oder Labradoodle. In ihren Patenfamilien werden die Welpen vor allem auf Menschen geprägt, deshalb sollte kein anderer Hund im Haushalt leben. Die kleinen Hunde brauchen viel Betreuung. Sie müssen stubenrein werden, sollen spielerisch ihre Umwelt entdecken und gehen durch die Pubertät. Genügend Auslauf und Spielmöglichkeiten sind wichtig, und sie sollten den Familienalltag, Kinder und andere Tiere kennenlernen. „Und es ist natürlich notwendig, dass sie ein gewisses Grundgehorsam vermittelt bekommen. Dafür gehen die Patenfamilien mit den Tieren in eine Hundeschule.“ Die Junghunde werden auch zielgerichtet auf zukünftige Aufgaben vorbereitet. „Sie sollten möglichst viele Alltagssituationen kennenlernen, die sie mit ihrem späteren Halter auch erleben könnten“, sagt Reppelmund. Die Paten machen sie also vorsichtig bekannt mit verschiedenen Umgebungen, nehmen sie beispielsweise mit in Fußgängerzonen und Einkaufszentren sowie öffentliche Verkehrsmittel. „Wer möchte, kann auch bereits bestimmte Kommandos mit seinem Welpen trainieren, die er später als Blindenführhund braucht: etwa das Stehenbleiben an einem Bordstein, damit der Halter merkt, dass es dort hinauf- oder hinabgeht, oder die Kommandos ,Fuß!’ und ,Lauf!’, die ihm auch später anzeigen, wann er arbeiten soll und wann er Freizeit hat“, sagt Susanne Reppelmund. Bei der Betreuung ihres Hundes auf Zeit werden die Patenfamilien von Vereinen wie dem der 37-Jährigen oder auch von Blindenführhundschulen durch regelmäßige Treffen und Telefonate unterstützt. Wenn die jungen Hunde etwa ein bis eineinhalb Jahre alt sind, sollte ihre Ausbildung in einer Blindenführhundschule beginnen. Zuvor werden sie einem intensiven Gesundheitscheck unterzogen, inklusive dem Röntgen von Hüftgelenken, Ellenbogen, Wirbelsäule sowie einem mehrtägigen Wesenstest, bei dem unter anderem ihr Temperament und ihre Belastbarkeit beurteilt werden, informiert die Deutsche Blindenführhundhilfe auf ihrer Webseite. „Das Training der Hunde und die Schulung der Blindenführhundgespanne erfolgt nach den Bestimmungen der ,Qualitätskriterien zur Auswahl, Ausbildung und Kostenübernahme für Blindenführhunde’, veröffentlicht im Bundesanzeiger vom 29. Juni 1993, und entsprechend den jeweils gültigen Standards der ,International Guide Dog Federation (IGDF)’“, heißt es dort weiter. „Die Ausbildung dauert etwa sechs bis neun Monate“, so Reppelmund. Die Hunde lernten zunächst, das Führgeschirr zu tragen, was sie mit Freude tun sollten, genauso wie ihnen all ihre anderen Aufgaben Spaß machen sollten. „Sie lernen 32 Hörlaute“, heißt es auf der Vereinswebseite weiter. „Ein Teil davon sind Gehorsamshörlaute, die dem Gebrauchshundetraining entnommen sind. Der andere Teil sind die spezifischen Arbeitshörlaute der Blindenführhundausbildung.“ Am Ende seiner Ausbildung soll das Tier eine Reihe von Leistungen erbringen können, wie etwa das gerade Führen mit angenehmem Zug im Führgeschirr sowie das Abbiegen nach rechts oder links, die gerade und zügige Straßenüberquerung, das selbstständige Umlaufen oder Anzeigen von Hindernissen, das Führen bei starkem Lärm sowie ohne zu schnuppern oder zu markieren, das Vorbeiführen an Personen, die den Hund begrüßen möchten, das Führen in der Dämmerung und bei Dunkelheit, das Suchen und Anzeigen von Ampeln, Zebrastreifen, Treppen auf- und abwärts, eines Briefkastens und Ähnlichem sowie das Verweigern des Weiterlaufens bei Gefahr zum Beispiel an Baugruben oder Bahnsteigkanten. „Am Ende der Ausbildung stehen mehrere Blindgänge mit dem Hund unter einer Dunkelbrille“, informiert Reppelmund. Freizeit und Spiel dürften für die Tiere in der Ausbildung ebenso wenig zu kurz kommen wie später in ihrem „Arbeitsalltag“. „Bei der Auswahl des passenden Halters für den Blindenführhund wird natürlich darauf geachtet, dass beide zusammenpassen“, so Reppelmund. Ein großer Mensch brauche auch einen großen Hund, ein agiles Tier passe nicht zu einem gemütlichen Halter. „Und wenn der Hund ein Schlitzohr ist, muss der Mensch damit umgehen können“, sagt sie und schmunzelt. Generell müssten sich künftige Halter darüber im Klaren sein, dass die Tiere keine Roboter seien, auch mal Grenzen austesteten und vielleicht auch Macken hätten. Haben sich der Blinde und sein künftiger Begleiter gefunden, geht es nach einer ersten Annäherung erst mal in die „Fremde“: 14 Tage lang arbeitet der Trainer mit Tier und Mensch in einer anderen Stadt, damit sie sich, fern von einer vertrauten Umgebung und Freunden oder Verwandten, die sich einmischen könnten, ganz aufeinander einlassen können. „Danach geht das Training noch ein bis zwei Wochen im Alltag des Blinden weiter, dann steht die sogenannte Gespannsprüfung an, bei der kontrolliert wird, ob die beiden als Team funktionieren“, so Reppelmund. Die Anschaffungskosten eines Blindenführhundes lägen zwischen 24.000 und 38.000 Euro. Das sei durchaus angemessen, wenn man bedenke, dass die Blindenführhundschule etwa zwei Jahre in Vorleistung gehe, bis der Hund fertig ausgebildet und vermittelbar sei. „Auch für die Zeit in den Patenfamilien werden alle Kosten für Futter, Tierarztbesuche und anderes übernommen.“ Paten brauchen Blindenführhunde übrigens nicht nur als Welpen, sondern auch als „Rentner“. Reppelmund: „Wenn sie zu alt sind für ihre Tätigkeit, verbringen sie ihren ,Ruhestand’ bei ihrem Halter, in Blindenführhundschulen oder eben in einer Patenfamilie.“ Info Wer Pate für einen angehenden Blindenführhund werden will, kann sich an Susanne Reppelmund wenden, Telefon: 0173/ 8329006, www.blindenhundehelfen.de. Wer sich selbst einen Blindenführhund anschaffen möchte, kann sich beim Landesblinden- und Sehbehindertenverband Rheinland-Pfalz informieren, Telefon: 06131 6939736, www.lbsv-rlp.de. 

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Auch das Anzeigen von Stufen wie zum Beispiel Randsteinen und anderen Hindernissen wird bereits geübt.
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