Sport WM-Tagebuch: Wir kämpfen um jeden Leser

Alte Boote aus Holz vor der Skyline von Doha.
Alte Boote aus Holz vor der Skyline von Doha. Foto: Ku

Puh! Um halb vier in der Nacht war ich endlich eingepennt (glaub ich). Drei Stunden nach diesem Wahnsinnsfinale im Zehnkampf, das ich zu meinen emotionalen Höhepunkten im „erlebten“ Sport zählen würde. Eine Stunde nach seinem Sieg stand der König der Athleten endlich vor uns schreibenden Journalisten und plauderte drauf los, zwei Stunden danach kam der Bus am Hotel an, und dann musste ich irgendwie noch runterkommen. Ich surfte im Internet und sinnierte …

Mir sind verschiedene Geschichten eingefallen, die ein wenig die technische Entwicklung dokumentieren. Als junger Lokalsportredakteur in Pirmasens zog ich oft mit dem FK Pirmasens, dem FK Clausen und dem SC Hauenstein durch Ober- und Verbandsliga. In den 80ern. Das Wichtigste damals war, die Hosentasche mit Zehn-Pfennig-Stücken vollzustopfen. Denn man wusste nicht, ob das womöglich einzige Telefon im Vereinsheim des Gegners frei war, oder ob man eine Telefonzelle suchen musste, aus der man seinen Text, der in die Zeitung sollte, der Sekretärin durchtelefonierte. Deshalb die Groschen.

Faxe, Akustikkoppler – es war einmal

Von der WM 1995 in Göteborg musste ich alles faxen, weil die damals mitgenommene „Technik“ einfach nicht funktionierte. Dann kam die Zeit der Akustikkoppler und jene, in der die Handys per Kabel mit dem Laptop verbunden wurden. Und heute? Heute habe ich das Gefühl, dass ich das Laptop nur einschalten muss und alles geht wie von selbst. Ich kann sogar direkt auf der WM-Seite arbeiten. Cool!

Aber halt: Hinter jeder Technik steckt ein kluger Kopf. Und hinter jeder Leistung stehen Menschen. Und Gefühle. Wenn du als Einzelkämpfer draußen bist in einer dir wildfremden Region, in der Lebensgewohnheit und Kultur eben anders sind als die gewohnten eigenen, vielleicht ein bisschen Stress bekommst und auch noch überraschende Dinge wie Niklas Kauls WM-Gold passieren, dann darfst du dir nicht verlassen vorkommen.

Unsere IT-Abteilung hat mir das Feinste vom Feinsten an Technik mitgegeben, mein Chef im Sport, Horst Konzok, hat wie seit 1994 bei allen Großereignissen und wohl letztmals, weil er dem Ruhestand entgegensieht, mich perfekt in der Planung und Mut machend begleitet, unser Handball-Experte Michael Wilkening hat als diensthabender Redakteur in Ludwigshafen am Donnerstag besonders engagiert den Seitenumbau nach Kauls Sieg forciert. Ja, wir kämpfen um jeden Leser. Mitten in der Nacht und nicht zuletzt um Aktualität. Ich möchte wetten, dass nur ganz wenige Zeitungen am Freitag mit Kauls WM-Gold auf dem Markt erschienen.

„Post“ von meinem alten Kumpel

Ganz besonders freute mich, dass mein alter Kumpel Bernhard Kunz, mein leider abhanden gekommener WM-Fotograf, mir ein Bild zur Erinnerung schickte. „Unser Mann vor Ort, immer der Zeit voraus“, stand drunter. Ich interviewte Niklas Kaul in der Leichtathletikhalle in Ludwigshafen ...

Ich habe mich in den vergangenen Tagen mit vielen Lesern „duelliert“ – Thema Hitze! Das war lehrreich. Einer unterstellte mir Ignoranz und Arroganz. Das traf mich ein bisschen. Aber irgendwie geht immer dann alles gut aus, wenn man miteinander redet. „Das ist das Schöne am Leben. Auch gegensätzliche Meinungen führen Menschen zusammen, solange wir respektvoll miteinander umgehen“, schrieb Michael Dietrich aus Wachenheim. Er lud mich und meine Kollegen zu einer Hafenrundfahrt im Mannheimer Hafen ein, wo er arbeitet. Ich habe dann sogar einen Vergleich mit Doha!

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