Tour durchs Eistal - Hier gewannen schon Kelten und Römer Eisen - Mehrere Gienanth-Generationen wirkten vor allem in Eisenberg Unternehmerdynastie prägt Pfälzer Industriegasse

Die heutige Tour führt ins Eistal. Im Mittelpunkt steht dabei das traditionsreiche Unternehmen Gienanth, dessen langjährige Eigentümerfamilie die Wirtschaft der Region stark geprägt hat.

Unsere Tour beginnt am Bahnhof Eisenberg. Der Bau der 1876 eröffneten Bahnstrecke von Grünstadt und Eisenberg ging nicht zuletzt auf das Engagement von Eugen von Gienanth zurück, der seit 1867 das Eisenberger Gienanth-Werk leitete. Eugen von Gienanth heiratete 1872 Elisabeth Engelhorn, die Tochter des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn. Nach dem Tod ihres Mannes übernahm sie 1893 die Leitung des Werkes, bis sie diese 1912 an ihren ältesten Sohn Carl übergab. Elisabeth Engelhorn war 1903 Mitgründerin der Eisenberger Klebsandwerke (EKW), die noch heute mit rund 130 Mitarbeitern den europaweit einzigartigen Rohstoff abbauen, der mit einer Zusammensetzung aus hochwertigem Quarzsand und einem seltenen Ton eine geologische Rarität darstellt. Die Verwaltung der EKW befindet sich in der Bahnhofstraße gegenüber vom Bahnhofsgelände auf dem Weg in Richtung Stadtzentrum. Wir wenden uns aber in die Gegenrichtung und folgen nun ein Stück dem „Barbarossa-Radweg” eistalaufwärts in Richtung Ramsen. Nach etwa zehn Minuten kommen wir an dem Schweißtechnik-Unternehmen Oerlikon vorbei. Gegründet wurde die Fabrik im Oktober 1950 unter anderem vom Schweizer Großindustriellen Emil Bührle und dem damaligen Geschäftsführer der Eisenberger Gienanth-Werke, Ulrich Freiherr von Gienanth. Zwei Jahre später begann die Elektrodenproduktion in Eisenberg. Zeitweise beschäftigte das Unternehmen mehr als 500 Mitarbeiter und war Anfang der 1990er-Jahre Eisenbergs größter Arbeitgeber. Nachdem der Schweizer Konzern Oerlikon Bührle 1991 den Eisenberger Betrieb an eine Tochter des französischen Air-Liquide-Konzerns verkauft hatte, begann in Eisenberg aber - verschärft durch die Rezession von 1993 - ein massiver Personalabbau, der bis 2002 zur Aufgabe der Elektrodenproduktion führte. Verblieben ist in Eisenberg unter anderem die Schweißpulverproduktion. Heute beschäftigt Oerlikon in Eisenberg rund 160 Mitarbeiter. In der Nähe des Oerlikon-Haupteingangs stoßen wir auf einen Wegweiser zum Waldhaus Schwefelbrunnen des Pfälzerwald-Vereins Eisenberg. Dem folgen wir und sehen auch bald die Pfälzerwald-VereinsMarkierung „gelbes Kreuz”, der wir nun eine ganze Weile folgen. Nach Überqueren der Landstraße nach Ramsen geht es rechts hinauf in den Wald. Zwischen den Bäumen können wir einen Blick auf das Gienanth-Werk werfen, das wir gegen Ende der Tour noch einmal deutlich genauer sehen werden. Der Betrieb befindet sich an der Stelle, an der ab 1735 der Eisenberger Eisenhammer arbeitete und kann somit auf 277 Jahre Industriestandortgeschichte zurückblicken. Beim Waldhaus Schwefelbrunnen bietet sich die erste Einkehrmöglichkeit. Dem Weg mit dem gelben Kreuz folgen wir durch den Wald ein ganzes Stück weiter, bis wir kurz vor der Klosterruine Rosenthal auf einen Weg mit einem blauen Balken stoßen. Wir biegen nach links auf diesen Weg ein und erreichen bald das Bergdorf Stauf, das heute zur Stadt Eisenberg gehört. Ein schöner Blick auf das Eistal bietet sich von der Ruine der im Bauernkrieg 1525 zerstörten Burg oder von einer Gaststätte in der Ortsmitte, die ihren Namen „Zur schönen Aussicht” völlig zu Recht trägt. Das Eistal ist eine der frühen „Industriegassen” der Pfalz. Schon Kelten und Römer gewannen hier Eisen. Wichtige Faktoren waren Erzvorkommen in der Nähe, Wasserkraft durch den Eisbach und reiche Holzvorkommen, die zur Gewinnung von Holzkohle gebraucht wurden. Von Stauf folgen wir dem Weg mit dem blauen Balken hinunter ins Tal bis zur Ortsmitte von Ramsen. Hier laufen wir - ein Stück ohne Markierung - auf der Mühlstraße bis zum westlichen Ortsende, wo wir auf das Zeichen „gelber Balken” stoßen. Diesem Zeichen können wir rund drei Kilometer zum Eiswoog folgen. Ludwig Gienanth erwarb etwa 1812 Eiswiesen und Eiswoog. Die Wiesen im Eistal lieferten Futter für Pferde und Ochsen der Werksfuhren. Sein Sohn Friedrich vergrößerte 1832 den Eiswoog durch Verstärkung und Erhöhung des Weiherdamms, um für die trockene Jahreszeit genügend Wasservorrat für die Wasserräder der am Eisbach liegenden Werke anstauen zu können. Auf dem Weiherdamm baute er ein zweistöckiges Weiherwärterhaus, dort befindet sich heute das Restaurant „Forelle”, das ab Mitte der 90er-Jahre zeitweise von der Tochter Ulrich von Gienanths selbst geführt wurde. Heute ist die Gaststätte, die sich eines hervorragenden Rufs erfreut, weiter im Familienbesitz, aber verpachtet. Eine Einkehr in der „Forelle” oder ein Spaziergang entlang des Eiswoogs ist vielleicht der beste Ort, um die lange Geschichte der Industriellenfamilie Gienanth kurz zu rekapitulieren, deren wohl bedeutendster Vertreter Ludwig Gienanth (1767-1848) 1817 geadelt und 1835 in den erblichen Freiherrenstand erhoben wurde. Ludwig Gienanths Großvater Johann Nikolaus Gienanth war ein Enkel des aus der Schweiz nach dem Dreißigjährigen Krieg in die Pfalz eingewanderten Schmieds Pierre Guinand. Johann Nikolaus Gienanth erbaute 1742 im Alsenztal bei Hochstein in der Grafschaft Falkenstein ein Eisenhüttenwerk. Zu den Betrieben, die sein Enkel Ludwig in die Hand bekam, gehörte der 1734 errichtete Eisenberger Großhammer. Dabei profitierte er von einer besonderen Situation. Zur Sicherstellung der Produktion wurden die Werke von den Franzosen in dieser Zeit weit unter Wert verkauft. 1800 kaufte Ludwig Gienanth das Eisenberger Werk, 1804 das in Trippstadt. Die Blütezeit der Gienanthschen Hüttenwerke waren die 1820er-Jahre. Ab den 30er-Jahren verschärfte sich die Konkurrenz durch Eisen aus England und aus dem preußischen Saarland. Dass der Eisenberger Betrieb sich noch relativ lange gegen das billigere mit Steinkohle hergestellte Eisen behaupten konnte, lag an der hohen Qualität des Eisenberger Holzkohleneisens. Die Gewehrproduktion für die gesamte bayerische Armee basierte damals auf Gienanthschem Eisen. 1863 wurde der Trippstadter Hochofen ausgeblasen, Hochstein folgte in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts. Erst Mitte der 70er-Jahre wurde die Eisenerzeugung im Eisenberger Werk eingestellt, das Werk wurde aber ab 1876 als Gießerei weitergeführt - und das bis heute. Das Trippstadter Werk stellte dagegen in den 80er-Jahren nach und nach den Betrieb ein. „Das Weiterbestehen der Werke in Hochstein und Eisenberg ist auf die 1870 beziehungsweise 1876 erfolgte Anbindung an die Eisenbahn zurückzuführen”, heißt es in dem Buch „Eisengewinnung und Eisenverarbeitung in der Pfalz im 18. und 19. Jahrhundert” von Bruno Cloer und Ulrike Kaiser-Cloer (Mannheim 1984). Der Anschluss an die Eisenbahn hat also den Gienanth-Standort Eisenberg gerettet, aber Eisenberg blieb für Jahrzehnte Endpunkt der Eistalbahn. Pläne, die Bahnstrecke weiterzubauen wurden schließlich erst 1932 verwirklicht. Der Streckenabschnitt zwischen Ramsen und Enkenbach erforderte aufwendige Bauwerke, darunter die Eiswoog-Brücke. Ende 1988 wurde die Bahnstrecke zwischen Eisenberg und Enkenbach stillgelegt, 1995 dann aber bis Ramsen und 2001 für einen Ausflugsverkehr bis zu einem neuen Haltepunkt östlich der Eiswoog-Brücke reaktiviert, der allerdings nur an Sonn- und Feiertagen bedient wird. Bevor man dort zur Rückfahrt in den Zug steigt, kann man noch einen Abstecher zu einer Aussichtsplattform machen. Vom Zug aus hat man kurz vor Einfahrt in den Bahnhof Eisenberg einen hervorragenden Blick auf das Gienanth-Werk, das noch bis 1972 von dem 1996 im Alter von 89 Jahren verstorbenen Ulrich Freiherr von Gienanth geleitet wurde. Anders als das ebenso traditionsreiche Werk in Hochstein, das 2004 geschlossen wurde, hat das Eisenberger Werk bisher alle Krisen und Eigentümerwechsel überlebt. Heute ist es mit rund 650 Mitarbeitern wieder Eisenbergs größter Arbeitgeber und es sieht ganz danach aus, dass der Name Gienanth nicht nur für eine große Tradition steht, sondern in Eisenberg auch eine gute Zukunft hat.

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