Rheinpfalz Unklar, ob Nahrungsergänzungsmittel helfen

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Vitamin C und Zink für die Abwehrkräfte, Vitamin B12 für mehr Energie und bessere Konzentration – Nahrungsergänzungsmittel gibt es viele. Laut US-Forschern ist allerdings bei den meisten Mitteln unklar, ob sie die Gesundheit verbessern.

Ob im Supermarkt, in der Apotheke oder in der Drogerie: Vitaminpräparate gibt es reichlich auf dem Markt, seien es Vitamin C und Zink für die Abwehrkräfte, Vitamin D und Calcium für starke Knochen oder Magnesiumtabletten gegen Wadenkrämpfe. Wenn über die Nahrung ein Vitamin oder Nährstoff nicht in ausreichender Menge aufgenommen wird, kann eine Ergänzung sinnvoll sein, schreiben Forscher der West Virginia University in der Fachzeitschrift „Annals of Internal Medicine“. Viele US-Amerikaner würden jedoch dauerhaft Vitamintabletten oder andere Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen, weil sie Herzkreislauferkrankungen oder chronischen Leiden vorbeugen wollen, berichten die Mediziner um Professor Safi Khan. Dabei sei bisher unklar, ob die Präparate in dieser Hinsicht überhaupt einen gesundheitlichen Vorteil bringen. Beim „National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES)“ werden die Teilnehmer regelmäßig zu Essverhalten und Gesundheit befragt. Die Erhebung von 1999 bis 2012 ergab, dass 52 Prozent der Teilnehmer mindestens ein Nahrungsergänzungsmittel schluckten, bei 10 Prozent waren es vier oder mehr Mittel. Bei der Befragung von 2014 gaben 70 Prozent der 60-Jährigen an, ein Präparat zu schlucken, 29 Prozent griffen zu vier Mitteln. 41 Prozent derjenigen, die Nahrungsergänzungsmittel konsumierten, erhofften sich davon eine Verbesserung ihrer Gesundheit. Bringen die Tabletten und Kapseln etwas? Falls ja, in welcher Hinsicht? Oder könnte eine Einnahme mitunter sogar eher schaden als nützen? Um diese Fragen zu beantworten, sichteten Safi Khan und seine Kollegen Studien zum Thema. Ihre Überblicksuntersuchung basiert auf 277 randomisiert-kontrollierten Studien mit insgesamt fast einer Million Teilnehmern. Randomisiert bedeutet, dass die Teilnehmer einer Behandlungsgruppe nach dem Zufallsprinzip zugeordnet werden. Dadurch soll einerseits eine Einflussnahme durch die Forscher vermieden und andererseits eine gleichmäßige Verteilung bekannter (wie Alter oder Geschlecht) und unbekannter (wie zum Beispiel das Erbgut) Einflussfaktoren auf alle Gruppen gewährleistet werden. Die Gruppen müssen daher eine gewisse Größe haben. Kontrolliert bedeutet, dass die Studiengruppe mit einer Kontrollgruppe verglichen wird. Wird etwa die Wirkung eines neuen Medikaments untersucht, erhält die Kontrollgruppe zum Beispiel kein Mittel oder ein Placebo. Die 277 Studien untersuchten, wie sich Nahrungsergänzungsmittel auf die Herzkreislaufgesundheit und die Sterblichkeit allgemein auswirkten. Alle Teilnehmer waren mindestens 18 Jahre alt, Einschränkungen bei Geschlecht oder Gesundheitszustand gab es nicht. Präparate, die untersucht wurden, waren Antioxidantien, Beta-Carotin, Vitamin-B-Komplexe, Multivitamin-Tabletten, Selen, die Vitamine A, B3 (Niacin), C, D und E, eine Kombination aus Vitamin D und Calcium, Folsäure, Omega-3 und Eisen. Außerdem wurden verschiedene Diäten – etwa Mittelmeerkost oder eine salzarme Kost – untersucht. Das Ergebnis der Überblicksstudie: Bei den meisten Ergänzungsmitteln ließ sich kein Effekt auf Herzgesundheit und Sterblichkeit nachweisen. Die Einnahme von mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren reduziert laut Safi Khan und seinen Kollegen das Herzinfarktrisiko sowie die Gefahr einer angeborenen Herzschwäche. Eine Ernährung, bei der Salz sparsam dosiert wird, verringert bei Menschen mit normalem Blutdruck das allgemeine Sterberisiko und bei Menschen mit hohem Blutdruck das Risiko, an den Folgen einer Herzkreislauferkrankung zu sterben. In Bezug auf Schlaganfälle kommen die Forscher zu dem Ergebnis, dass die Einnahme von Folsäure (siehe Kasten) das Risiko verringert, wohingegen Mittel, die sowohl Vitamin D als auch Calcium enthalten, das Risiko erhöhen. Zu letzterem Ergebnis sei bereits eine andere Überblicksstudie gekommen. Wurde Vitamin D einzeln eingenommen, zeigte sich dieser Effekt nicht. Beim Thema Folsäure merken die amerikanischen Forscher jedoch an, dass das Ergebnis vor allem auf einer Studie aus China basiert, wo, anders als etwa in den USA und Europa, Lebensmitteln keine Folsäure zugesetzt wird. Dieser Umstand könnte das Ergebnis etwas verzerren. Überhaupt seien noch weitere Studien nötig, um die Wissenslücken zum Nutzen von Nahrungsergänzunsmitteln zu füllen, so die Forscher. Wer sich abwechslungsreich ernährt und ausreichend Obst und Gemüse isst, braucht in der Regel auch keine zusätzliche Zufuhr. In Deutschland ist laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung die Mehrheit der Bevölkerung ausreichend mit Vitaminen versorgt, Mangelerkrankungen kommen äußerst selten vor. Und die Auswirkungen einer unausgewogenen Ernährung – etwa Übergewicht und dessen Folgen – ausgleichen könnten auch Vitaminpillen nicht.

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