Rheinpfalz Sprachliche Spurensuche in Sachen Alkohol

Karikatur eines Betrunkenen, der Wein in die Mütze eines entsetzten Polizisten kippt

Saach blooss: Der Trunkenheit haben die Pfälzer mehr Wörter und Sprüche gewidmet, als der Gesundheit zuträglich sein dürfte.

Dieser Beitrag darf Jugendlichen unter 16 Jahren nicht ausgeschenkt werden.   Hinweis für Allergiker: Dieser Beitrag kann Spuren von Klischees enthalten.

„Den Zustand der Trunkenheit beim Pfälzer zu kalibrieren, erfordert zunächst eine Art Ethnisierung der Maßstäbe“, schreibt Klaus Gröschel in einer E-Mail an die Redaktion. Soll heißen: Für den Pfälzer sind Bier oder Wein nicht nur Genussmittel, sondern Durstlöscher. Ergo stehe „angeheitert“ in der Pfalz auch schon mal für eine Person, die kaum noch sprechen, geschweige denn laufen kann. Diese Einschätzung lassen die Abstinenzler von „Saach blooß“ einfach mal im Raum stehen. Fakt ist aber: Von Wörtern und Redensarten, die unterschiedliche Grade der Trunkenheit beschreiben, ist der Pfälzer Dialekt, genau: voll. Es ist daher nichts als nüchterne Sprachforschung, wenn wir dieser Tatsache heute eine eigene Folge widmen. Außerdem passt sie wunderbar in die Glühweinzeit ... „Vollg’soffe“ ist das einfachste Wort, das jenen Zustand beschreibt, bei dem endgültig alles zu spät ist. „Voll wie e Haubitz“, „voll wie en Strump“, „voll wie e Dutt“ „voll wie e Hack“ oder „voll wie en Eemer“ sind Erweiterungen, bei denen ganz klar der Zustand des Abgefülltseins im Blickpunkt steht. Günter und Heide-Marie Schehl aus Otterstadt, Hannelore Bertges aus Wattenheim und Anita Laysy aus Bockenheim haben diese Formulierungen in die Debatte geworfen. Plastischer sind Redensarten wie „en Batscher“ oder „änner im G’sicht hänge hawwe“, eingesandt von Bernd Rummel aus Freimersheim. Hier steht nicht mehr der Befüllungsgrad nach der Druckbetankung im Fokus, sondern die Rotfärbung im Nasen- und Wangenbereich des Befüllten, möglicherweise auch dessen getrübter Blick. „Der hot en Hau“, „en Stiewer“ (auch: „Stääwer“), oder „en Schlag“ zählen zur selben Kategorie, wobei die sprachlichen und motorischen Ausfälle immer nachdrücklicher in die Sprachbilder einfließen (eingeschickt von Leo Weisenstein aus Bad Dürkheim und „de Karin un de Elke vun de Haßlocher Sparkass’“). Verstärkten Redefluss („Der hot Babbelwasser getrunke“ – genannt von Annemarie Peschke aus Zweibrücken) darf man zu den eher harmlosen Veränderungen zählen, „der is Lull un Lall“ oder „der hot de Hut uff’m Krakehl“ zu den deutlich peinlicheren. „Der hot wieder gut inhaliert“ von Doris Rittmann aus Birkenheide wiederum gehört in eine eigene Kategorie: ironisierende Verharmlosung. Einen Pfälzer Modernismus liefert derweil Karlfried Obenauer aus Winnweiler: „Der hot sich werrer änner gebb.“ Zurück in den Bereich promillebeförderter Umnachtung führen Sprüche wie: „der isch däägisch“ (also: teigig, eingeschickt von Heinrich Rudolphi aus Ramstein), „der isch im Tran“, „benewwelt“ oder „aageduddelt“ (von Klaus Kronibus aus Enkenbach-Alsenborn) und „der hot de Hormel“, „Surwel“, „Dermel“ oder „Dormel“, den Pfälzer „Schwindel“ also (eingeschickt von Herbert Huhn aus Schifferstadt). Die härteste Nummer lautet „Der hot de Tremenz“, angeführt von Inge-Rose Ziegler aus Landau und Rosemarie Mathes aus Germersheim. Hier steht das Delirium tremens Pate, eine lebensbedrohliche Komplikation bei langjähriger Alkoholkrankheit. Bei aller Freude an Pfälzer Sprachakrobatik führt das den bitteren Ernst des heutigen Themas vor Augen – wenn „Maß und Ziel“ verlorengehen, wie die Pfälzer sagen. „Änner sitze hawwe“, „änner in de Kron hawwe“, „änner im Seiher“ oder „änner im Tee hawwe“ – einige dieser Redensarten sind aus dem Hochdeutschen bekannt und haben den Weg in den Dialekt gefunden. „Der hot aastännich änner gelerrert (also: geledert)“ oder „orntlich enner g’suppt“ (aus dem Repertoire von Helmut Andelfinger aus Annweiler) dürften dagegen der Pfälzer Sprachfantasie entsprungen sein wie auch der Spruch: „Der hot die Wegsteier nimmi g’hatt“ – eingeschickt unter anderem von Heidrun Völkel aus Haßloch. Hier geht’s, bildlich gesprochen, um den Verlust der Steuerungsfähigkeit. „Der isch voll wie e Kanstrauwe-Stöckel“, zur Diskussion gestellt von Holger Laible aus Hochstadt, zählt zu den besonders kreativen Vergleichen, mit denen sich Pfälzer über Mitmenschen jenseits der Promillegrenze lustig machen. Ebenfalls weit vorne in dieser Schublade: „Er isch staawisch.“ „Eigenartig“, schreibt Reinhard Hartmann aus Kaiserslautern, „dass bei der Menge von Flüssigkeit jemand staubig sein kann. Gut – viele Weine sind ja auch trocken.“ Da sagen wir nur „Hicks!“ – und bitten zum Abschluss um Nachsicht, wenn unsere Auflistung nicht voll-ständig ist. Wir haben einfach mal aufgehört, wenn’s am schönsten ist. Außerdem warten sieben Kollegen und acht Liter Glühbrühe auf dem Weihnachtsmarkt ... In der nächsten Folge befassen wir uns mit dem Pfälzer Verb „bumbe“ und den Hauptwörtern „Bumber“ oder „Bumbes“. Soll heißen: Wir wollen alle Bumb-Variationen erforschen und hoffen auf viele Beispiele und Erklärungen unserer Leserinnen und Leser. Mitmach-Infos Die Serie Unter dem Motto „Saach blooß“ gehen wir seit dem Jahr 2002
Sprüchen, Redensarten und Wörtern aus der Pfalz auf den Grund – und zwar mithilfe  unserer Leserinnen und Leser. Vier Bücher zur
 Serie gibt’s im Buchhandel.

Die Adresse Bitte schreiben Sie unter  dem Kennwort „Saach blooß“ an:
RHEINPFALZ am SONNTAG,
Industriestraße 15, 76829 Landau,  
Fax: 06341/6495-30, E-Mail: saachblooss@rheinpfalz.de ras

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