Meinung Schul-Kleidervorschriften: Verantwortung muss man lernen dürfen

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In einer Schule in Baden-Württemberg jetzt per Erlass unerwünscht: Jogginghosen.

Der Versuch, Kinder und Jugendliche über die Schulordnung zum Tragen angemessener Kleidung zu zwingen, geht pädagogisch in die falsche Richtung.

Wer Jogginghosen trägt, habe sein Leben nicht im Griff, postulierte einst Modezar Karl Lagerfeld. „Wir kleiden uns in der Schule angemessen“, lautet dazu die aktuelle bürokratische Übersetzung. Eine Realschule in Rottenburg im Kreis Tübingen hat kürzlich Jogginghosen im Unterricht verboten. Mit der Aussage, eine Kleiderordnung sei vom Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule gedeckt, versucht der Schulsprecher des Regierungspräsidiums die Gemüter zu beruhigen. Auch in der Pfalz regte sich gegen zu kurze Tops und Röcke bereits Widerstand. Freizeitkleidung sei eben keine Schulkleidung, so die Argumentation der Schulleitung. Dahinter verbirgt sich die Sorge davor, dass junge Menschen mit ihrer Freiheit nicht umgehen können. Es ist aber auch ein massiver Eingriff in die Erziehung der Eltern.

Keine ganz neue Debatte

Jeder kennt sie, die Aussagen der Eltern- oder Großelterngeneration: „Früher herrschte noch Zucht und Ordnung“ und „wir in unserer Jugend hätten uns so etwas niemals getraut“. Immer wieder bietet ausgerechnet der Kleidungsstil Stoff für den großen Konflikt zwischen Jung und Alt. Wer einmal aufmerksam hinhört, der wird erkennen, dass die Debatte nicht neu ist, sondern immer dann geführt wird, wenn die Lockerung gesellschaftlicher Konventionen ansteht.

Eigene Erfahrungen machen

Schon die Ausbreitung der Jeans in den 1970-er Jahren kam ja quasi der Anarchie gleich. Heute, einige Jahrzehnte später, ist es ganz normal. Schüler befinden sich in der vielleicht spannendsten Entwicklungsphase ihres Lebens. Dazu gehört auch, sich auszuprobieren und einen eigenen Stil zu finden. Eigene Erfahrungen können dabei einen viel nachhaltigeren Einfluss haben, als rigide Vorschriften. Wer jungen Leuten die Fähigkeit abspricht, eigene Einschätzungen zu treffen, behindert genau deren Entwicklung zu mündigen Menschen.

Mit den Konsequenzen umgehen lernen

Es ist zudem nicht die Aufgabe der Schule, ihren Jüngsten das Anziehen beizubringen. Die Verantwortung darüber, wie ein Kind aus dem Haus gehen darf, liegt, wenn überhaupt, bei den Eltern. Es ist auch deren Pflicht, zu vermitteln, dass man bei einem Vorstellungsgespräch anders gekleidet sein sollte als zu einem gemütlichen Fernsehabend. Die Schule mischt sich damit in den privaten Bereich der Erziehung ein und nimmt Eltern eine Last ab, die diese vielleicht sogar ganz gerne abgeben. Letztendlich aber sind es die Schüler, die für sich selbst entscheiden müssen, wie weit sie sich gesellschaftlichen Konventionen beugen oder aber mit ihnen brechen. Denn es gibt keine Erfahrung, die lehrreicher ist, als mit den Konsequenzen des eigenen Handelns umgehen zu müssen.

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