Rheinpfalz Pfälzer im Pulverfass

Demonstraten setzen am Freitag in Port-au-Price, der Hauptstadt Haitis, Reifen in Brand. Sie protestieren gegen den Präsidenten
Demonstraten setzen am Freitag in Port-au-Price, der Hauptstadt Haitis, Reifen in Brand. Sie protestieren gegen den Präsidenten sowie gegen Misswirtschaft und Korruption. Die Polizei hält auch mit Waffengewalt dagegen.

Seit Monaten arbeiten vier Mitglieder der Rockenhausener Haiti-Kinderhilfe in dem Karibikstaat. Nun steckt eine fünfte Helferin in der Hauptstadt fest – und es droht Bürgerkrieg.

Wie hoffnungsvoll haben die Vereinsvorsitzende der Rockenhausener Haiti-Kinderhilfe, Roswitha Weiß, und „ihre 150 Kinder“ noch vor drei Wochen in die Zukunft geblickt. Hatten die Schüler, die in der Nähe der haitianischen Stadt Hinche leben, doch in den vergangenen Monaten mit viel Schweiß unzählige Samen gesammelt und über 1000 kleine Bäumchen gepflanzt. „Nach der Regenzeit im April kann jedes Kind 50 Bäumchen mit nach Hause nehmen“, hatte sich Weiß zu Jahresbeginn gefreut. Inzwischen sind die Bäume zweitrangig. „Hier ist es wie im Bürgerkrieg“, berichtete Weiß der RHEINPFALZ am SONNTAG per Whats-App-Nachrichten von geplünderten Tankstellen, fliegenden Steinen, brennenden Reifen und gesperrten Straßen.

Heftige Proteste gegen die Regierung

Vor gut einer Woche haben heftige Proteste gegen die Regierung begonnen – am Freitag demonstrierten Tausende Menschen in der Hauptstadt Port-au-Prince gegen den seit zwei Jahren amtierenden Präsidenten Jovenel Moïse, die Polizei setzte nach Angaben der Nachrichtenagentur HPN Tränengas ein. „Ob er will oder nicht, er wird gehen“, sangen demnach die Demonstranten über Moïse.

Die Pfälzerin sitzt mit ihrem Mann fest

Seit fast einer Woche sitzt die 63-jährige Helferin Conny Graumann in Port-au-Prince fest. Sie war am Montag ihrem Ehemann Hans in den Karibikstaat nachgereist. Als Elektrikermeister hält der Rentner die Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser in Schuss, die die pfälzischen Helfer während der vergangenen 25 Jahre in der ärmlichen ländlichen Region nahe der Stadt Hinche aufgebaut haben. „Bei ihrer Ankunft am Montag gab es in die Hauptstadt hinein oder aus Port-au-Prince raus kein Durchkommen“, obwohl sie Land und Leute kennen und „genügend Schmiergeld in den Taschen“ hatten, berichtete Weiß. Nur ein paar Kilometer hätten sie so geschafft, an einer Barrikade sei dann aber Schluss gewesen. „Nichts ging mehr. Schlagartig waren alle Straßen dicht, es flogen Steine und Eisenteile und Leute auf den Straßen wurden attackiert.“ Mit dem Handy wurden drei Väter der Schulkinder aktiviert, „die sich zu Conny durchschlagen und wenigstens ein Hotel für sie organisieren konnten“, berichtete Weiß. Gestern starteten sie die nächste Raushol-Aktion. „Drei Taxifahrer, die auf Motorrollern unterwegs sind, sollen sie wenigstens mal aus der Stadt raus, am besten zu uns in die Nähe bringen“, sagt Weiß und hofft, dass die einige 100 Dollar fürs Hotel, Taxi und „Durchlassgebühren“ gut angelegt sind.

Bislang sieben Tote

Bei den gewaltsamen Protesten in der vergangenen Woche sind nach Medienberichten bislang sieben Menschen getötet worden. Anlass der Proteste war auch ein Bericht des Rechnungshofs, der Missmanagement von zahlreichen Ex-Ministern und Regierungsvertretern sowie eine mögliche Veruntreuung bei Milliarden-Hilfskrediten aus Venezuela offenlegte. Weiß: „Die Situation in Port-au-Prince und anderen Städten eskaliert. Es werden fast alle Tankstellen geplündert und angezündet. Auch Geschäfte, speziell Supermärkte, Warenlager, Banken, Fernseh- und Radiostationen werden angezündet und ausgeraubt. Autos brennen. In Kurzfilmen im Internet sind Aufmärsche in den Städten zu sehen und alle zeigen Waffen – das macht Gänsehaut.“ Doch viel Zeit für Angst bleibt nicht. Zunächst müssen die Pfälzer erst einmal Conny „irgendwie dort rausholen“. Dann gilt es wieder, die Kinderkrankenstation zu renovieren und die 150 Patenkinder zu betreuen. In der Zwischenzeit wachsen ja vielleicht auch die Bäumchen weiter.

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