Kolumnen Online-Kolumne: Warum die Hygiene manchmal das Nachsehen hat

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Warum die Hygiene manchmal das Nachsehen hat? Weil ich mein ganzes Leben lang schon Holzkochlöffel und natürlich den Haushalts-Klassiker schlechthin habe: den alten, ziemlich ausgeleierten Holzteller von der Oma, der genau das ist, was er sein soll – eine ganz wunderbare Erinnerung.

Aber das muss wohl so sein im Leben: Dass Dinge, die über Jahre und Jahrzehnte zu treuen Alltagsbegleitern geworden sind, plötzlich zu Monstern gemacht werden. Dieser Blick von Leuten, die zum ersten Mal zu Besuch sind. Wie, du kochst mit Holzlöffeln??? Das ist doch total unhygienisch! Nur gut, dass ich Vegetarier bin und mir nicht überlegen muss, auf welcher Unterlage ich Fleisch klein schneide.

Ist ja schön, dass wir aufgeklärt werden, aber ich will einfach nur leben

Es ist ja wirklich gut, dass wir mehr und mehr aufgeklärt und informiert werden. Aber ich will trotzdem weiterhin einfach nur leben. Geht das noch, ohne dass ich ans andere Ende der Welt hinter die sieben Berge zu den sieben Zwergen in ein Tiny House flüchten und mich nur noch von Beeren ernähren muss?

Meine alten Hölzer sind mir heilig

Meine alten Hölzer sind mir heilig. Der abgebrochene Kamm, der schon seit Jahren eine wirklich jämmerliche Figur abgibt, wird so lange weiterbenutzt bis er gar keine Zacken mehr hat oder ich keine Haare mehr auf dem Kopf habe. Mal sehen, wer gewinnt. Das kleine Holzschemelchen brauche ich sehr selten. Dass ich aber genau weiß, wo es steht, zeigt mir, dass es seine Berechtigung im Haushalt hat.

Omas Holzbesteck werde ich aufbewahren

Wer hatte denn schon drei Omas? Ich, und deshalb werde ich die Teller von der dritten, die sie mir als Erinnerung noch selbst in die Hand gedrückt hat, natürlich aufbewahren und benutzen. Genauso wie das kleine Holzbesteck, das eine der beiden anderen Großmütter immer für kleinere Salate verwendete. Es ist das Gegenteil von nagelneu. Und genau das liebe ich so daran. Es freut mich, dass ich sehen und damit auch ein bisschen spüren kann, welch treue Dienste es geleistet hat. Es macht mir keine meiner Omas lebendig. Aber die Erinnerung nimmt ganz andere Formen und Farben an. Ich sehe meine Oma mit ihrer weißen Schürze um den Bauch den Salat damit anmachen, wenn ich an sie denke.

Die alten Dinge der Großeltern zu benutzen, verbindet mit ihnen

Die kleinen Dinge benutzen, die im Alltag der Großeltern eine Rolle gespielt haben, verbindet mich mit ihnen – und ist hilfreich dazu. Egal, was im Leben passiert. An Omas Löffel kann man sich immer festhalten. Deshalb sind Hygieneritter bei mir an der falschen Adresse. Das Seelchen hat Vorfahrt.

Die Autorin

Christine Kamm (53) aus Ludwigshafen arbeitet seit 2012 im Sportressort der RHEINPFALZ.

Die Kolumne

Christine Kamm und Sigrid Sebald schreiben abwechselnd in der Online-Kolumne "Ich sehe das ganz anders" über die großen und kleinen Überraschungen sowie Absurditäten des Alltags.

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