Politik Nicht europamüde, aber ohne Abschiedsschmerz

Im Europaparlament nahm Werner Langen (CDU) in Sachfragen auch gerne die Unterstützung von portugiesischen Kommunisten an.
Im Europaparlament nahm Werner Langen (CDU) in Sachfragen auch gerne die Unterstützung von portugiesischen Kommunisten an.

Nach einem Vierteljahrhundert verlässt der rheinland-pfälzische Abgeordnete Werner Langen (CDU) nach der Wahl am 26. Mai das Europaparlament. Ein Gespräch in der RHEINPFALZ-Redaktion über die Stärken und Schwächen des Parlaments, Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán und warum Langen vor Kurzem heftigem Druck von außen ausgesetzt war.

Nein, Abschiedsschmerz verspüre er keinen, sagt Werner Langen, der 1994 erstmals ins Europäische Parlament einzog. Die Entscheidung, nicht wieder zu kandidieren, habe er bereits vor zwei Jahren getroffen. „Ich werde in diesem Jahr 70 Jahre alt, da kann ich doch auch aufhören, oder?“, fügt er an. Dass der Moselaner nicht europamüde geworden ist, wird im Gespräch schnell deutlich. Als echte Leistung feiert er, dass das Europaparlament im März die Urheberrechtsreform gebilligt habe, dass es dabei „gewaltigem Druck“ standgehalten habe. Die Reform ist äußerst umstritten, Kritiker prophezeien Zensur im Internet. Aus Langens Sicht fand da eine Kampagne statt, 40.000 E-Mails habe er bekommen – und unzählige Telefonanrufe. Darin sei es meist um den besonders umkämpften Artikel 13 der Reform gegangen, nach dem kommerzielle Internetplattformen nicht mehr unerlaubt urheberrechtlich geschützte Werke zugänglich machen dürfen. Nach Langens Einschätzung haben viele aber „einfach vorgegebene Texte vorgelesen“. Wenn man die Anrufer beispielsweise nach Artikel 10 gefragt habe, sei nichts gekommen. Die Digitalisierung ist für den CDU-Politiker generell ein Feld, in dem die EU stärker aktiv werden muss. „Wir müssen die Rechtshoheit über die Internetgiganten zurückgewinnen“, fordert er. Mehr europäische Kompetenzen wünscht sich der promovierte Volkswirt auch in der Steuerpolitik. Er kritisiert, dass manche Länder wie Irland Steuerrabatte zum Geschäftsmodell gemacht hätten. Konzerne wie Apple und Google, die ihren Europasitz in Irland haben, würden nur Steuern auf die Umsätze zahlen, die sie auf der Insel machten. Langen fordert das Ende der Einstimmigkeit bei Entscheidungen über Steuerpolitik in der EU. Anfang des Jahres hat die EU-Kommission einen entsprechenden Plan mit mehreren Stufen bis 2030 vorgelegt. Dass es am Ende zu einer Harmonisierung der Steuersätze kommt, glaubt Langen aber nicht: „Das ist nicht hinzukriegen.“ Als Mitglied der Fraktion der europäischen Christdemokraten (EVP) hat Langen auch den Konflikt mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán hautnah mitbekommen. Dessen Fidesz-Partei ist eigentlich Mitglied der EVP, wurde jedoch im März suspendiert. Vorausgegangen waren mehrere Schmähungen von ungarischer Seite gegen die Europäische Union und insbesondere gegen Kommissionspräsident und EVP-Mitglied Jean-Claude Juncker. Der ungarischen Regierungspartei wird zudem vorgeworfen, die Rechtsstaatlichkeit in ihrem Land abzubauen. Und Orbán zeigt demonstrative Nähe zu europaskeptischen bis -feindlichen Kräften. Werner Langen ist sich sicher, dass Orbán eigentlich in der EVP bleiben möchte. Aber er wolle sie verändern. Heißt: nach rechts verschieben. „Das wird ihm aber nicht gelingen“, ist der Europaabgeordnete überzeugt, „dazu ist die EVP in ihren Überzeugungen zu gefestigt.“ Bei der Arbeitsweise des EU-Parlaments sieht der CDU-Politiker Verbesserungsbedarf. In der zu Ende gehenden Legislaturperiode seien die Entscheidungen zu sehr auf Kompromiss ausgerichtet gewesen und hätten zu wenig die Mehrheitsverhältnisse widergespiegelt. Er münzt das auf das System der Berichterstatter. Diese sind für jeweils einen bestimmten Gesetzesvorschlag zuständig. Dem Berichterstatter wird jeweils ein sogenannter Schatten-Berichterstatter der sieben anderen Fraktionen zur Seite gestellt. In diesem Kreis seien die Vertreter der beiden großen Fraktionen (Christdemokraten und Sozialdemokraten) immer in der Unterzahl. Er bedauert auch, dass nach Europawahlen meist die Hälfte der Abgeordneten ausscheide. Neue Parlamentarier bräuchten etwa ein Dreivierteljahr, um sich einzuarbeiten. Gleichwohl schätzt es Langen sehr, dass es im EU-Parlament keinen Fraktionszwang gebe, dass nicht Partei- sondern Sachpolitik im Mittelpunkt stehe: „Es ist mir im Grunde egal, ob ich für eine Initiative die Unterstützung von portugiesischen Kommunisten oder deutschen Sozialdemokraten bekomme.“ Traut man den Prognosen, werden nach der Wahl am 26. Mai mehr Populisten in Straßburg sitzen. Werner Langen ist indes überzeugt: „Wenn Europa scheitert, dann nicht an den Populisten, sondern an der Mutlosigkeit der Politik.“

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