Kolumnen Kolumne: Was macht dich glücklich?

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Das Glück ist uns genauso treu wie das Pech. Mal überwiegt das eine, mal das andere. Schicksal. Aber in diesem Jahr? Da scheint das Glück Hochkonjunktur zu haben.

Kann man sich vom Glück finden lassen?

Findet uns das Glück? So heißt eine Schauspiel-Produktion des Nationaltheaters in Mannheim. Da haben sie sich einfach mal zusammengesetzt ohne eine Vorlage und ein Stück gezimmert. Das ist teils in die Hose gegangen. Denn die Darstellerin der Scham sammelt die von den Zuschauern am Abend geschriebenen Postkarten (Es geht um die Frage: Was war Ihnen schon einmal richtig peinlich) (zum Glück! anonym) alle ein und stopft sie entweder in ihr Oberteil oder aber in ihre enge, rote Legging. Auf einer anderen Karte steht die Frage: Was möchten Sie dem Theater heute beichten? Aber die kommt an dem Abend, an dem ich auf Glückssuche bin, gar nicht zum Einsatz. Es handelt sich also um eine neue Form. Chefdramaturgin Kerstin Grübmeyer, die eigentlich findet, dass man bei dem Stück gar keine Einführung machen sollte, dann ja aber doch eine macht (Wird ja auch im Programm angeboten!), erklärt die Stück-Werdung. Vorher hat es weder als Text noch Idee existiert. In der Vorstellung wird die so genannte „Vierte Wand“, also der dunkle Zuschauerraum, aufgelöst. Und das gelingt glücklicherweise. Ja, es ist viel Licht. Und ja, die Bühne verschwimmt in und mit den Stuhlreihen. Und ja, die Besucher werden – wenn sie möchten – miteinbezogen und so zum Teil des Stücks. Das kommt bei jungen Besuchern auch super an. Aber auf welcher Strecke bleibt denn bitte die Suche des Glücks? Fazit: unterhaltsam, aber ich stelle mir Suche nach Glück anders vor.

Sex macht glücklich

Doch der Glücksklee hat vier Blätter. Also schauen wir mal weiter. Der „Stern“ hat zu Jahresbeginn auch die Frage des Jahres gestellt. „Ist das Glück?“ Die Antwort in der Unterzeile: „Ja, sagt Danny. Vor zwölf Jahren zog der Koch über einen Berliner Sexclub, der bald sein zweites Zuhause wurde. Im Insomnia fand er, was er immer gesucht hatte. Wie sehr viele andere auch.“ Da hätte ich ja auch gleich drauf kommen können. Sex macht glücklich. In dem Beitrag geht es um einen „sexuellen Spielplatz für Erwachsene“. Das Thema bringt zum Glück immer Leser. Das Zentrum von allem ist der rot beleuchtete Ballsaal, in dem es nur Spiegel gibt. „Und so werfen die Wände einen immer wieder auf sich selbst zurück.“ Wem das zum Glück reicht, bitte. Sind jedenfalls alle gut drauf dort laut „Stern“-Autoren.

Werden wir glücklicher durch Schönheits-OPs?

Ein bisschen teurer wird es beim dritten Blatt des Glücksklees. „Na, ihr Hübschen“, titelt die „Süddeutsche Zeitung“ zu Jahresbeginn in ihrem Wirtschaftsteil. Das Bild dazu zeigt eine Nadel in der Nähe eines Frauenmunds. Und da ist auch das Stichwort in der Bild-Unterschrift zu finden: Stich zum Glück: Schönheitseingriffe sind kein Tabu mehr. Wer will, kann sich in der Mittagspause aufspritzen lassen. Und noch viel mehr! 1090 Euro kostet das Augenlasern in Istanbul laut SZ bei einem Onlineanbieter, inklusive Flug, Übernachtungen und Stadtrundfahrt? Ja, da fehlt dann nur noch der Sexclub! Und weiter auf der Leiter der Schönheit. Haut glätten, Haare entfernen und färben (Sind Glückssträhnen blond?), Lippen aufplustern, Falten glattbügeln und dazu auch noch mit dem Personal Coach als Einflüsterer die Seele baumeln lassen. Alles kein Problem anno 2019. Da hätte ich einen guten Tipp: In der südkoreanischen Hauptstadt Seoul gibt es Stadtviertel, in denen sich eine Schönheitsklinik an die nächste reiht. Vielleicht muss das Sprichwort mit dem Verstand und dem Glück auch einem kleinen Eingriff unterzogen werden.

Es gibt das Recht auf Glück

Ein Recht auf Glück? Das gibt es auch. Wir sind schon beim vierten und letzten Blatt des Klees. Und dank des Artikels „Alles happy“ im Reiseteil der „Süddeutschen Zeitung“ ganz weit weg – im Land des Donnerdrachens (Druk Yul). So heißt Bhutan in der Landessprache. Dort ist das Glück in der Verfassung verankert wie auch der Schutz der Natur. Als Glücksbringer gelten der Rote Panda (oder Katzenbär) und die Kraniche, die im Herbst drei mal am Himmel ihre Runden drehen, wenn sie aus Tibet zurückkommen. Das Fest der Kraniche wird zu Ehren der Himmelsvögel veranstaltet. Aber das tierische Glück kann nur dann angeflogen kommen, wenn es jenseits der Grenze nicht in Kochtöpfen der Chinesen landet. Im chinesischen Horoskop ist gerade das Jahr des Schweins. Das soll Glück bringen. Vielleicht hat es deshalb Hochkonjunktur. Oder vielleicht auch nur, weil in einer immer rücksichtsloseren Welt voller Hektik und Stress und in nach Mobil-Telefonen getakteten Leben die Sehnsucht immer größer wird: nach Glück.  Meine Suche geht weiter. Fortsetzung folgt.

Die Autorin

Christine Kamm (53) aus Ludwigshafen arbeitet seit 2012 im Sportressort der RHEINPFALZ.

Die Kolumne

Christine Kamm und Sigrid Sebald schreiben abwechselnd in der Online-Kolumne "Ich sehe das ganz anders" über die großen und kleinen Überraschungen sowie Absurditäten des Alltags.

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