Kolumnen Kolumne: Von Containern, Foodsharing und Verschenke-Ecken

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Es gibt diese Momente im Leben. Ein kurzes Schweigen zwischen einer Frau und ihrem Mann. Beim Essen in der netten Pension, in der die Gäste sich an den Tischen zusammensetzen, passiert ein kleines Malheur. Sie reicht ihm den Teller mit dem Nachschlag. Dabei kommt etwas Soße an den Ärmel seines Pullovers. „Oh, Entschuldigung“, sagt sie. Er verzieht kurz das Gesicht, schweigt aber. Sie blicken sich an.

Das Paar blickt auf das Schild "Verschenke-Ecke" und lacht

Und dann wandern seine Augen weiter in die Ecke des Raums zu einer Tür. Im Rahmen ist ein kleines Schild: „Verschenke-Ecke.“ Sein Augen wandern zwischen ihr und dem Schildchen so lange hin und her, bis sie versteht. Und dann lachen alle am Tisch, am lautesten von allen sie. Es hätte ganz anders laufen können. Doch dann wäre die Stimmung am Tisch im Eimer gewesen. Die Gespräche wären weiter gegangen. Aber anders. Wie heißt es doch so schön: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Man sollte nicht alles wegwerfen

Die Verschenke-Ecke hat für viel Heiterkeit gesorgt. Sie war überschaubar. Es gab dort Pflaster, Frauen-Socken, eine Haarspange, ein kleines Handtuch. Krimskrams. Dinge, die einer nicht mehr wollte, die aber auch kein anderer haben möchte. Flohmärkte, Sozialkaufhäuser, Tauschbörsen, Gebrauchtwarenangebote im Himmel (online) und auf Erden sind für viele die gängigen Kaufhäuser. Es ist ja auch sinnvoll, dass nicht alles weggeworfen wird, was nicht mehr gebraucht und gewünscht wird. Es gibt immer mehr Menschen, die Dinge, die sie nicht mehr haben wollen, auf die Straße stellen – ein kleines „Zu-verschenken“-Zettelchen dazu. Und schon freut sich jemand über ein neues Buch, eine neue Schüssel oder eine Retro-Lampe. In manchen Städten sind auch öffentliche Sammelstellen für gebrauchte Sachen eingerichtet worden. Sie funktionieren; aber nicht immer im Sinne der Erfinder.

Der Spaß hört beim Essen-Wegwerfen auf

Auf hört der Spaß, wenn es ums Essen geht. Aktuell gibt es – wieder mal – eine öffentliche Debatte über Lebensmittel, die weggeworfen werden. Es ist gut, dass sie geführt wird. Wenn Supermärkte Essbares entsorgen, machen sich diejenigen, die sich das Essen aus den Mülleimern holen, strafbar. Containern heißt diese günstige Art des „Einkaufs“, die sich mit Handschuhen empfiehlt – wegen möglicher Scherben im Müll.

Containern ist eine Lebenseinstellung oder lebensnotwendig

Containern lässt sich aus blanker Not (Obdachlose). Und Containern kann eine Haltung und Lebenseinstellung (Aktivisten) sein, eine kritische in der Wegwerfgesellschaft. Containern ist eine Straftat. Doch überwiegend wird es wohl geduldet. Diebstahl in einem Supermarkt wird angezeigt, wenn er entdeckt wird. Aber was hinter dem Gebäude rund um die Mülltonnen passiert, ist eine Grauzone. Falls der Markt nicht per Videoüberwachung oder mit Schlössern versucht, einen Riegel vorzuschieben. Da gehen die einzelnen Ketten sehr unterschiedlich damit um.

Foodsharing ist ein guter Ansatz

Die Märkte zu verpflichten, alles, was „übrig“ bleibt, an die Tafeln und vergleichbaren Einrichtungen abzugeben, ist sicher auch nicht der richtige Ansatz. Da müssen auch entsprechende Kapazitäten und Möglichkeiten vorhanden sein. Und sicher steht dabei auch immer die Frage im Raum: Was ist noch gut genug zum Weitergeben? Das ist die nächste Grauzone. Neue Ideen sind gefragt. Aber es wäre doch gelacht, wenn es bei Lebensmitteln nicht möglich wäre, legale Verschenke-Ecken flächendeckend einzurichten, in denen es würdevoll zugeht. Foodsharing ist da ein erster sehr guter Ansatz. Zumal es in anderen Ländern ja auch möglich ist, siehe Frankreich. Da es die Märkte und Tafeln betrifft: Sie sollten als erste mit ins Boot genommen werden, wenn es darum geht, die Mengen an noch genießbaren Lebensmitteln zu reduzieren, die auf der Deponie landen.

Die Autorin

Christine Kamm (53) aus Ludwigshafen arbeitet seit 2012 im Sportressort der RHEINPFALZ.

Die Kolumne

Christine Kamm und Sigrid Sebald schreiben abwechselnd in der Online-Kolumne "Ich sehe das ganz anders" über die großen und kleinen Überraschungen sowie Absurditäten des Alltags.

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