Kolumnen Kolumne: Kunst am Kürbis

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Soll ich was über Halloween schreiben? Ist doch schon alles gesagt zu dem Thema. Die einen mögen’s, die anderen nicht, wieder andere ignorieren es stur, beharren auf Reformationstag, Luther, Allerheiligen, etc., pp., kennt man ja alles. Folgenden eventuell fast neuen Aspekt möchte ich der Diskussion um Halloween hinzufügen: das Kürbisschnitzen.

Die Vorbereitung

Dazu lud neulich ein örtlicher Verein ein, Kinder mit ihren Eltern sollten kommen zum gemeinsamen Halloweenkürbisschnitzen. Feine Sache, gehen wir hin. 1-A-Kürbis gekauft, groß, rund, orange, feste Schale, der perfekte Halloween-Kürbis. Zum Bearbeiten eingepackt: ein Brotmesser mit geriffelter Klinge für die gröberen Arbeiten, ein kleines, spitzes Küchenmesserchen mit glatter Klinge für die Feinheiten, zwei Löffel zum Ausschaben des mit Kernen durchsetzten Schmaddels im Kürbisinneren, und als mir dann noch einfiel, dass ich einen Eding-Stift mitnehmen könnte, um Augen, Nase und Mund erst mal aufzumalen, da war ich schon ein bisschen stolz auf meine Weitsicht und umfassende Planung und stellte mir vor, wie ich mit großzügigem Lächeln anderen Müttern, die einen solchen Stift vergessen hatten, den meinigen ausleihe.

Das Motiv Das Hochgefühl hielt so lange an, bis die anderen ihre Arbeitsgeräte auspackten. 20-teilige Kürbisschnitzsets wurden bereitgelegt, Sägen, Messer, Schaber, Kratzer, Piekser in verschiedenen Größen und Varianten, metallisch glänzend, steril vermutlich, es sah aus als stünden an allen Tischen mehrstündige Zahn-OPs an, aber um Zähne ging es hier gar nicht so sehr, auch nicht um Augen, Nase, Mund. In einem extra Raum lagen ausgedruckte Motive bereit, Vampire, Elfen, Yoda, Fledermäuse und vieles mehr. Meine Tochter suchte sich Pikachu aus, auf meinen Druck hin den einfacheren, es gab auch eine kompliziertere Version, aber ich hatte eh schon Schweißperlen auf der Stirn. Das lag aber auch daran, dass wir Fleece-Pullis anhatten, weil ich fälschlicherweise angenommen hatte, das Schnitzen finde im Freien statt.

Die OP

Kurz gesagt: Der Eding blieb in der Tasche, die Konturen mussten durch die Papiervorlage aufgestichelt werden, und danach wurde es nicht einfacher. Die Operationen am offenen Kürbis erforderten höchste Konzentration und eine sehr ruhige Hand. Beides ist bei Kindern bekanntermaßen nicht so ausgeprägt, irgendwann fielen Sätze wie „Jetzt geh mal weg, du kannst das nicht“, und das weiß ich ganz genau, denn ich selbst habe einen solchen Satz ausgesprochen, aber was hätte ich auch machen sollen, Pikachu sterben lassen, weil die siebenjährige Lernschwester im Umgang mit dem Gemüseskalpell noch nicht so geübt ist?! Also. Außerdem hatten wir nur einen Kürbis und konnten uns keinen Fehlversuch leisten.

Das Implantat

Nach zwei Stunden, die Kinder rannten längst kreischend um die fürsorglich beheizte Halle, war der Eingriff beendet. Dem Patienten ging’s gut, ein kleinerer Riss in der Kürbisschale zwischen Oberkante Kürbis und Pikachus blitzförmigem Schwanz konnte mit einem Zahnstocher-Implantat korrigiert werden. Die Vampire, Elfen und Yedi-Ritter von den Nachbartischen konnten auch am selben Tag wieder entlassen werden. Professor Dr. Brinkmann wäre sehr zufrieden gewesen.

Der Isenheimer Altar 

Nächstes Jahr mache ich das so: Am Reformationstag lasse ich meine Tochter Martin Luther auf einen Kürbis malen. Oder auf eine Zuckerrübe. Auf jeden Fall mit Edingstift. Oder ich fange jetzt schon an zu üben, den Isenheimer Altar, das berühmte Triptychon von Luthers Zeitgenossen Matthias Grünewald, in drei nebeneinander stehende Kürbisse zu schnitzen.


Die Autorin

Sigrid Sebald (50) ist seit 2000 RHEINPFALZ-Redakteurin in Zweibrücken, wo sie mit Mann und Tochter auch lebt. Über die Beiträge für die „Zweibrücker Rundschau“ hinaus schreibt sie regelmäßig in der RHEINPFALZ-Sommererzählreihe sowie Weihnachtsgeschichten. Die Kolumne Christine Kamm und Sigrid Sebald schreiben abwechselnd in der Online-Kolumne "Ich sehe das ganz anders" über die großen und kleinen Überraschungen sowie Absurditäten des Alltags.

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