Kolumnen Kolumne: Dränglern mal einen einschenken

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Sooooooo lange schon hatte ich mir vorgenommen, endlich einen kleinen Picknick-Korb zu kaufen. Gäste wollen schließlich anständig bewirtet werden. Zwei Sektgläser, zwei Tellerchen und ein paar rote Servietten passen auch in das kleine Retro-Köfferchen. Mehr braucht es auch gar nicht. So gemütlich ist es am Straßenrand ja normalerweise auch nicht. Da muss kein komplettes Festbankett aufgefahren werden. Aber ich hatte es einfach als notwendig erachtet für den Moment gerüstet zu sein, in dem mir dann tatsächlich mal einer hinten in den Kofferraum REIN fährt.

Ja, wir sind unterwegs auf Deutschlands Straßen. Sie sind längst zu Rennstrecken mutiert. Brrrrmmm, brmmmm, brmmmm. Mick Schumacher testet für Ferrari? Gar nicht notwendig, dazu in einen Formel-1-Boliden zu klettern. Vollgas, Adrenalin und der süße Duft von Benzin sind hierzulande immer und überall zu haben. Deutschland ist das Autofahrerparadies. Inzwischen haben uns die Länder eingezingelt, in denen die ganzen PS-Bomber nur noch ein Drittel ihrer ganzen Potenz ausspielen können, weil sie da so ganz popelige Tempolimits eingeführt haben. Falls sie überhaupt Autobahnen haben. In Estland und Lettland stellt sich die Frage schon gar nicht, weil sie gar keine haben. Die Armen! Aber das nur am Rande. Unsere Schweizer Nachbarn, die sich so brav an ihre 120 auf den Autobahnen halten und fünf Minuten brauchen, um sich – Grüezi wohl - gegenseitig zu überholen, die kommen manchmal in Basel nur über die Grenze, um endlich einmal richtig schön das Gaspedal durchtreten zu können. Nur doof, dass es da ganz lange erst einmal eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der A5 Richtung Karlsruhe gibt.

Der Picknick-Korb ist eher was für die Rettungsgassen

Für Hochgeschwindigkeitsstrecken kommt meine Neuerwerbung also nur im Notfall in Betracht. Der Picknick-Korb ist dafür auch nicht gedacht. Denn wenn ich mit 140 Sachen so vor mich hin überhole auf der linken Spur, mache ich, dass ich zur Seite komme, wenn einer plötzlich hinter mir steht. Da lässt sich kaum eine Einladung aussprechen. Vielleicht kann ich aber mal ein Piccolöchen aufmachen, wenn eine Rettungsgasse gebildet werden muss. Wenn ich da gerade links außen unterwegs bin, soll ich ja auch Richtung Mittelstreifen ausweichen. Das ist sicher eine Überlegung wert.

Bei den meist männlichen Auto-Rambos gilt das Prinzip "Ich zuerst"

Eher aber hatte ich an die Herrschaften – sorry, sind halt meistens Männer, die so brutal auffahren – gedacht, die innerorts den Rambo machen. Jeder beklagt sich doch darüber, dass immer rabiater und rücksichtsloser Auto gefahren wird. Parkplätze werden einem vor der Nase weg geklaut. Eingefädelt wird nur von Ich-AGs. Es gilt das Motto: Ich zuerst. An der Ampel über Dunkelgelb ist so gut wie Standard geworden.

Der Erste, der in meinem Kofferraum landet, wird mit einem Sektchen begrüßt

Ich glaube, da hilft wirklich nur Humor. Und deshalb habe ich nun vorgesorgt. Der Erste, der hinten IN meinem Kofferraum landet, der wird freundlich begrüßt. Mit einem Schlückchen Sekt. Nüsschen und Knabberzeug kann ich auch noch zum entspannten Kennenlernen auf die Kühlerhaube stellen. Es tut mir nur leid, dass mein Blubberwasser nicht kalt gestellt und außerdem kein trockenes sein wird. Aber für einen Eisschrank war im Kofferraum leider kein Platz und meine Rache soll auch auf der Straße süß sein!

Die Autorin

Christine Kamm (53) aus Ludwigshafen arbeitet seit 2012 im Sportressort der RHEINPFALZ.

Die Kolumne

Christine Kamm und Sigrid Sebald schreiben abwechselnd in der Online-Kolumne "Ich sehe das ganz anders" über die großen und kleinen Überraschungen sowie Absurditäten des Alltags.

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