Rheinpfalz "Gefährlicher Ort" in Ludwigshafen: Eine ganz normale Nacht am Berliner Platz

Polizei und Ordnungsamt zeigen: Wir sind da. Streit suchen lohnt sich nicht.
Polizei und Ordnungsamt zeigen: Wir sind da. Streit suchen lohnt sich nicht.

Der Berliner Platz in Ludwigshafen ist offiziell ein „gefährlicher Ort“: Schlägereien, Diebstähle, Raub, Drogendelikte gibt es regelmäßig. Die Polizei hat diese Woche kontrolliert. Die RHEINPFALZ am SONNTAG war in der Nacht zum Samstag dabei.

Es ist gegen zwei Uhr am Samstagmorgen, als sich die Atmosphäre auf dem Berliner Platz merklich verändert. „Jo klar, mit der Taschenlampe ins Gesicht. Nervt die Leut’ doch net“, raunt ein junger Mann – offensichtlich selbst genervt –, als er an der Schar aus Ordnungshütern vorbeigeht. Die stehen samt zwei Streifenfahrzeugen und einem Krankenwagen vor einer Diskothek. Ein junger Mann erzählt aufgebracht, dass ihm ein anderer ohne Grund ins Gesicht geschlagen habe. Das stimme so nicht, sagt nicht nur der vermeintliche Schläger, sondern auch ein Freund des vermeintlich Geschlagenen. Die Sachlage: völlig unklar. Die Beteiligten: ziemlich betrunken.

„Warum? Seh’ ich besoffen aus?“

Etwa sechs oder sieben Polizisten machen sich auf den Weg Richtung Straßenbahnhaltestelle. „Am Döner soll es auch eine Lage geben“, sagt einer. Also einen Vorfall. Als die Polizisten ankommen, ist nichts dergleichen zu sehen, an keinem der drei in Frage kommenden Geschäfte. Als Marco Hinze, Gesamteinsatzleiter der Schwerpunktkontrollen am Berliner Platz, zwei Männer anhält und nach ihrem Ausweis fragt, sind diese wenig begeistert. „Warum? Seh’ ich besoffen aus?“, fragt einer der Männer gereizt. „Nein“, entgegnet Hinze, der Ton klar und bestimmt, „wir machen hier am Platz Personenkontrollen. Das dürfen wir.“ Die Männer haben keinen Ausweis dabei, kooperieren jetzt aber. Hinze nimmt ihre Angaben auf und lässt sich von der Einsatzzentrale – die während der Schwerpunktkontrollen provisorisch im Faktor-Gebäude eingerichtet wurde – überprüfen. Alles klar. Die Männer dürfen weiter.

„Ich will doch auch nur ein bisschen Respekt“

Vor der Diskothek stehen inzwischen fünf Streifenwagen. Zwei Männer, der angeblich Geschlagene und sein Begleiter, beschäftigen die Polizei noch immer. Anscheinend hat die Polizei beiden einen Platzverweis ausgesprochen, den sie aber nicht akzeptieren wollen. „Ich schreibe Ihre Namen auf!“ Sichtlich aufgebracht fuchtelt der vermeintlich Geschlagene mit Stift und Notizblock herum, besteht darauf, dass die Beamten ihm ihre Namensschilder zeigen. „Das bringt Ihnen doch nichts“, erwidert ein Polizist, augenrollend, lässt den jungen Mann aber seinen Namen aufschreiben. Der Begleiter versucht derweil mit glasigen, rot unterlaufenen Augen und lallender Aussprache anderen Beamten zu erklären: „Das müssen Sie doch verstehen. Ich will doch auch nur ein bisschen Respekt.“ Und: „Ich bin doch schließlich im Recht.“ Mit was auch immer. Je drei bis vier Polizisten drängen die Männer Richtung Bahnhofsunterführung, fordern mit immer lauter werdenden Stimmen auf, den Platz zu verlassen. Sofort. Letzte Chance.

Mehr Einsicht und Gelassenheit vor Mitternacht

Wenige Stunden zuvor, kurz nach zehn Uhr am Abend, waren die Kontrollen deutlich entspannter abgelaufen. Zu fünft beziehungsweise sechst hatten sich die zwei Kontrollgruppen aus Polizei und Vollzugsdienst über den Berliner Platz bewegt. Langsam, fast schlendernd. Die kleine Metallkette, die irgendwo zwischen Schlagstock, Pfefferspray, Schusswaffe und Handfesseln am Gürtel einer Ordnungsbeamtin hängt – die einzige Frau in dieser Gruppe – klimperte hörbar bei jedem Schritt. Die uniformierte Gruppe zog auch da unweigerlich Blicke auf sich – aber kaum abschätzige Kommentare oder Pöbeleien. „Guten Abend. Personenkontrolle. Haben Sie ihre Ausweise dabei?“ An der Rheinuferpromenade unter der Konrad-Adenauer-Brücke lehnen zwei junge Männer an der Brüstung, jeder eine Anderthalbliter-Flasche Energy-Drink in der Hand. „Ja, klar.“ Die Männer bleiben gelassen, wenn sie auch kurz verunsichert wirken. Während ein Polizist sich ein paar Schritte zurückzieht, um die Einsatzzentrale anzufunken und die Ausweise überprüfen zu lassen, tritt ein anderer Kollege auf die Männer zu und erklärt: „Wir verzeichnen hier immer wieder Straftaten und haben deshalb hier eine Schwerpunktkontrolle. Würden Sie bitte ihre Taschen ausräumen?“ Die Geldbeutel werden sorgfältig durchsucht, jeder Gegenstand, der auf dem Brüstungsmäuerchen landet, wird begutachtet, die Männer werden abgetastet. Alles in Ordnung – das finden auch die Kontrollierten. „Die Beamten waren ja freundlich und machen nur ihren Job.“

Ein „gefährlicher Ort“

Auf dem Berliner Platz in Ludwigshafen dürfen die Ordnungshüter Personen auch kontrollieren, wenn kein konkreter Tatverdacht vorliegt, erklärt Einsatzleiter Hinze. Weil der Berliner Platz – ein Hauptverkehrsknotenpunkt Ludwigshafens, den mehr als 40.000 Pendler täglich passieren – offiziell als „gefährlicher Ort“ ausgezeichnet ist. Das ist eine juristische Klassifikation, die sich auf die statistische Häufung von Straftaten und Delikten bezieht und die Hürden für polizeiliche Eingriffe im Vergleich zu anderen Orten deutlich senkt. Ein Kriminalitätsschwerpunkt war der Berliner Platz, auch wegen seiner Funktion als Hauptverkehrsknotenpunkt, schon immer. Körperverletzungen tauchen am häufigsten in den Polizeimeldungen zu diesem Platz auf, dabei geht es oft um Prügeleien. Auch Diebstähle, Drogen, Raub und Delikte wie Schwarzfahren finden sich regelmäßig. Zwischen 2012 und 2015 war es gelungen, die Anzahl der Delikte von knapp 400 auf 163 zu senken. Ortsvorsteher Christoph Heller (CDU) führt das vor allem auf verstärkte Kontrollen und die Gefahrenabwehrverordnung zurück, die – unter anderem – das Mitführen von Alkohol auf dem Berliner Platz untersagt: von April bis Oktober in der Zeit von 21 Uhr bis 7 Uhr.

Wieder mehr Straftaten

„Seit 2016 hat sich die Anzahl der Straftaten wieder deutlich erhöht, auf über 400 Straftaten im Jahr 2017“, berichtet Einsatzleiter Hinze. Warum das so ist, kann er nicht mit Sicherheit sagen. Der Platz sei wieder verstärkt zum Treffpunkt verschiedener Gruppen geworden, darunter Jugendliche, Obdachlose und Zuwanderer. Um der negativen Entwicklung entgegenzuwirken und um auch den Bürgern verstärkt ihre Präsenz zu demonstrieren, machen Polizei und Vollzugsdienst seit 1. März gemeinsam Schwerpunktkontrollen am Berliner Platz, teils unterstützt von Kollegen der Wasserschutz- und der Bundespolizei. Bis zu 18 Stunden am Tag ist die provisorische Einsatzzentrale im Faktorhaus, einem Geschäftsgebäude, besetzt, kontrollieren Ordnungshüter, wer mit wem am Berliner Platz unterwegs ist. „Aber wir kontrollieren ohnehin regelmäßig auf dem Platz. Etwa 2000 Einsatzstunden kommen da im Jahr zusammen“, betont Hinze.

Ausnüchtern in einer Zelle

Samstagmorgen, 2.30 Uhr. Es wird turbulent. Obwohl die Polizisten sich mehrere Meter zurückgezogen haben, um dem vermeintlich Geschlagenen Discobesucher und seinem Begleiter die Chance zu geben, sich zu beruhigen und zu gehen, stehen die beiden immer noch in der Unterführung zur S-Bahn. Sie machen auch auf nochmalige Aufforderung keine Anstalten, sich wegzubewegen. Die Polizisten greifen schließlich zu: Körper gegen die Wand, Handschellen, Abtasten. Der Platzverweis wird jetzt per Zwangsmaßnahme durchgesetzt. Die Männer werden die Nacht in einer Zelle verbringen.

Für einen Mannheimer und seine Freunde endet das Feiern hier: Anzeige, Platzverweis.
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Taschen leeren, Geldbeutel durchsehen, checken, ob das Handy gestohlen ist: So eine Kontrolle dauert.
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Auch das Rheinufer wird bei den Sonderkontrollen ausgeleuchtet. Hier sollte sich nachts niemand aufhalten.
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Einsatzbesprechung: Weil viele Polizisten von auswärtigen Dienststellen bei den Kontrollen aushelfen, klärt Einsatzleiter Marco Hinze über die Lage am Berliner Platz auf und was mit dem Einsatz erreicht werden soll.
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