Kolumnen Frühstück oder 1000 Kalorien vor Sonnenaufgang

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Mir hat heute schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen jemand den Außenspiegel am Auto abgefahren. Na und, heul doch, selbst Schuld, was musst du auch Auto fahren, ist eh voll asozial, Umweltsau, fahr Bus oder geh mal drei Meter, das alles könnte man nun sagen, und auch der Einwand, dass ich ja gar nicht gefahren bin, als der Spiegel abgefahren wurde, sondern das Auto stand und ich weit weg war, würde nichts bringen.

Bransch. Wärr.

Da ich nun als Autofahrer eh schon viele Gegner habe und wegen des Spiegels doch einigermaßen schlecht drauf bin, nutze ich mal die Gelegenheit, mir mit einem Bekenntnis noch mehr Feinde zu machen: Ich mag kein Frühstück. Ich frühstücke nicht. Höchstens mal um elf, aber dann ist es schon kein Frühstück mehr, sondern geht in Richtung Mittagessen. Und falls jetzt jemand meint, dass in diesem Fall ein Brunch genau das Richtige für mich wäre: NEIN. Brunch ist noch viel schlimmer als Frühstück. Das Wort klingt schon abscheulich. Bransch. Wärr. Frühstück ist auch nicht besser. Frühstück. Das Stück in der Frühe, wie hört sich das denn an, doch ohne Zweifel nach: Nein, danke. Gilt nicht für alle, ich weiß. Auch ich kenne Menschen, die sich morgens um sieben begeistert Schinkenbrötchen, Eier, Fruchtjoghurt, das kalte Schnitzel von gestern und was weiß ich noch alles reinschaufeln. Ein Bein noch im Bett, wird da schon gespachtelt und geknuspert, dass die Katzen wach werden und umgehend an den Futternapf torkeln. 1000 Kalorien verputzt, und draußen scheint noch der Mond. Also bitte.

Danke, Koffein!

Ich kann das nicht. Ich habe morgens echt absolut null Hunger. Da ich diesen mittags und erst recht abends sehr wohl habe, kenne ich den Unterschied ganz genau. Man soll ja auf seinen Körper hören. Und mein Körper sagt morgens: bloß nichts essen, lieber erst mal eine Kanne Kaffee trinken. Auf ex, wenn möglich. Mit Milch, wenn vorhanden. Milch geht als Flüssigkeit durch. Zucker nicht, der hat zu viel von fester Nahrung. Das mit dem Kaffee klappt hervorragend, nach dem ersten Schluck schon kann ich die Augen öffnen, nach einer Tasse sprechen. „Jetzt bist du wieder die Mama“, lobt mein Kind dann und ich freue mich. Danke, Koffein. Würde ich morgens schon so viel essen, würde dasselbe passieren, was passiert, wenn ich abends so viel esse. Ich würde müde, sehr müde. Abends mag das angehen, die Couch ist ja nicht weit, und die Spülmaschine kann heute mal ein anderer einräumen. Gleich morgens um zehn nach sieben nach dem frühen Stück, bestehend aus mehreren Stücken, schon gleich wieder ins Fresskoma zu fallen, wird dagegen nicht so gerne gesehen.

Dotter und Dosen

„Aber das Frühstück ist doch die wichtigste Mahlzeit des Tages!“ werde ich oft für mein Essverhalten gerügt. Ja, wenn man es darauf anlegt, am Tag mehr als 3000 Kalorien zu sich zu nehmen, dann sollte man früh anfangen, sonst wird man ja nicht fertig. Ansonsten ist nicht nachvollziehbar, warum Menschen sich sogar am Wochenende morgens treffen, um stundenlange Frühstücke zu zelebrieren, die sich dahinschleppen wie ein Tag im Krankenhausbett. Noch ’n Toast, noch ’n Ei, noch ’n Kaffee (gegen den ist nix einzuwenden), noch ’n Brei, etwas Marmelade, etwas Konfitühüre. Hach, wie isses gemütlich, dir hängt Dotter am Kinn, und mach doch bitte den Pecorino gleich wieder in die Tupperdose, sonst trocknet der so aus. Jesus. Dann lieber zweimal den Spiegel abgefahren bekommen.

Rauchen – eine Alternative?

Grad lese ich, dass ich Nachahmer habe. Nicht frühstücken heißt jetzt breakfast cancelling und gehört zur 16:8-Abnehmmethode, auch Intervallfasten genannt. Man isst acht Stunden und 16 Stunden nicht. Und lässt das Frühstück weg. Der britische Biochemiker Terence Kealey behauptet sogar: Frühstücken ist das neue Rauchen! Schädlich! Wegen Blutzucker und so. Na also. Da haben wir’s doch. Jetzt weiß ich nur nicht: Soll ich wieder mit dem Rauchen anfangen, und wenn ja, dann immer nur von zwölf bis acht? Erst mal Kaffee trinken und nachdenken.


Die Autorin

Sigrid Sebald (50) ist seit 2000 RHEINPFALZ-Redakteurin in Zweibrücken, wo sie mit Mann und Tochter auch lebt. Über die Beiträge für die „Zweibrücker Rundschau“ hinaus schreibt sie regelmäßig in der RHEINPFALZ-Sommererzählreihe sowie Weihnachtsgeschichten. Die Kolumne Christine Kamm und Sigrid Sebald schreiben abwechselnd in der Online-Kolumne "Ich sehe das ganz anders" über die großen und kleinen Überraschungen sowie Absurditäten des Alltags.

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