Rheinpfalz Eye Tracker: Der unbestechliche Blick auf unseren Blick

ZWEIBRÜCKEN. Die Zukunft kommt früher als man denkt. Was für eine Banalität. Für an der Hochschule Kaiserslautern auf dem Zweibrücker Kreuzberg arbeitende Wissenschaftler ist die Zukunft aber schon da. Sie arbeiten mit an dem, was uns Durchschnittsverbraucher das Leben leichter, angenehmer, interessanter und auch sicherer machen soll. Usability ist das Stichwort. Dabei geht es um die Gebrauchstauglichkeit von Computer-Anwendungen.

Zwei „Eye Tracker“ stehen in Laboren der Hochschule auf dem Zweibrücker Kreuzberg. Geräte, die Augenbewegungen verfolgen und analysieren. Wer fixiert welche Punkte wie lange und in welcher Reihenfolge, lautet die Fragestellung der Marketing- und Medienforscher aus dem Fachbereich Betriebswirtschaft. Der erste Eye Tracker kostete noch schlappe 250 000 Euro. Das Nachfolgewerkzeug ist weit billiger geworden und misst per Infrarot-Abtastung, was der simulierte Kunde in den Fokus seines Blickfeldes nimmt. Die Erkenntnisse sind für die Werbewirtschaft Geld wert. Auch optische Schlüsselreize – Aufmerksamkeitsfänger – werden analysiert. BWL-Professor Helmut Reichling beschäftigt sich mit dieser Thematik, arbeitet dabei mit Kollegen in Shanghai zusammen. „Ebenso gut kann man untersuchen, welche Information auf einem Navigationsgerät überflüssig ist oder sogar ablenkt“, sagt Dieter Wallach aus dem Zweibrücker Fachbereich Informatik. Anordnung und Auswahl der angebotenen Information lassen sich somit optimieren – im Sinne besserer Nutzbarkeit. Vor allem aber, um die Sicherheit zu erhöhen. Denn wie beispielsweise die Messdaten in einem Leitstand eines Kraftwerkes eingespielt werden müssen, damit der Schichtführer etwa eine Notabschaltung einleiten kann, ist eine Frage an die Usibility. Der gebürtige Zweibrücker Dieter Wallach ist dafür ein gefragter Fachmann. Der 41-jährige Professor hat Informatik und Psychologie studiert. Sein Arbeitsschwerpunkt an der Zweibrücker Hochschule liegt darauf, wie der Mensch Unterstützung durch Computer bestmöglich nutzen kann. Ganz aktuell arbeitet Wallach mit namhaften deutschen Automobilherstellern am Thema Fahrer-Assistenzsysteme. Bei den bereits auf deutschen Autobahnen in Erprobung befindlichen, sich autonom steuernden Fahrzeugen geht es ihnen darum, wie der „unbeschäftigte“ Fahrer trotzdem die Beherrschung über das Fahrzeug behaupten kann. Konkret: Wie viel Ablenkung darf sein und welche eben nicht? Wie muss das Assistenzsystem beschaffen sein, um die Steuerungsfähigkeit zu behalten. Kaum jemand zweifelt noch, dass Autos uns in naher Zukunft von A nach B pilotieren werden. Selbstständig. Aber die besondere Mensch-Maschine-Partnerschaft hat noch ihre Tücken. Die Zweibrücker Forschung ist anwendungsnah. Das zeigen Kooperationen mit der Wirtschaft. „Usability Engineering“ (deutsch: gebrauchstaugliche Software-Entwicklung) ist ein boomender Markt. „Nehmen sie die Firma Ergosign in Saarbrücken. Mehr als ein Drittel der Auftragswünsche können die Fachleute für menschengerechte Interfaces ( Schnittstellen) aktuell nicht erfüllen, weil die Kapazität fehlt“, sagt Dieter Wallach. Weil eben sehr viel Entwicklungs- und Anpassungsarbeit erforderlich ist. 3000 Personentage für einen Auftrag sind keine Seltenheit. Dabei sei die Belegschaft gegenüber dem Vorjahr um mehr als ein Viertel gewachsen. Das Unternehmen mit 6,5 Millionen Umsatz in 2014, aktuell 100 Beschäftigten und Niederlassungen in Zürich, Berlin, Hamburg und München ist ein Kooperationspartner der Hochschule Kaiserslautern. Und Dienstleister für Unternehmen wie Microsoft, SAP, Audi oder Siemens. Woher Professor Wallach das so genau weiß? Er ist Gründungsgesellschafter der Ergosign, die Firma eine Ausgründung der Hochschule. Zweibrücker Absolventen sind bei Ergosign gefragt, Studierende absolvieren Praktika im Betrieb. Ihr Vorzug: Die 2001 eingerichtete Arbeitsgruppe um Professor Wallach war bundesweit die erste, die sich ausschließlich mit Mensch-Computer-Interaktion beschäftigte. Wie nahe solche Maschinen mittlerweile am Otto-Normalverbraucher sind, zeigt die berühmte Google-Brille. Das Brillenglas wird zum Display, zur Projektionsfläche unbegrenzter Informationen. Wallach prüft den Nutzen der Datenbrille, vor allem die Nutzbarkeit in der Praxis. Was den Vorteil mit sich bringt, dass Studierende auf dem Kreuzberg vor der Markteinführung schon mal in die Zukunft blicken dürfen. Eben: Die Zukunft ist schon da.

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