Sport Eine höllische Mannschaft: Die Adler im Einzelportrait

Sonnenbrillen – unverzichtbar im Partymarathon: Luke Adam zeigte den Fans gestern den Meisterpokal.
Sonnenbrillen – unverzichtbar im Partymarathon: Luke Adam zeigte den Fans gestern den Meisterpokal.

Eishockey: Tausende feierten am Sonntag in Mannheim nochmal ihre Meister-Adler – für viele das stärkste Team, das jemals hier auf dem Eis stand.

•Torhüter Dennis Endras (33): Die Rotation in der Punktrunde tat ihm gut – wirkte nie überspielt, lief in den Play-offs zu Topform auf: vier Spiele ohne Gegentor, spektakuläre Paraden. Ob NHL-Superstar Sidney Crosby, mit dem er im Sommer mal trainierte, das mitbekommen hat? Bundestrainer Toni Söderholm hat’s bestimmt. „Wenn er mich braucht, bin ich da. Wenn nicht, feier ich weiter“: Endras auf die Frage, ob er für die WM bereit wäre. Chet Pickard (29): Der Gute-Laune-Bär. Kein schnöder Back-up-Goalie, eher die Nummer 1b. Nicht so spektakulär wie Endras, aber verlässlich. Auch als er nicht mehr spielte, hielt er die Stimmung hoch. Teamplayer, der mal verdient hätte, die Nummer 1a zu sein. Vielleicht ja nun in Wolfsburg. •Verteidiger Sinan Akdag (29): Gute Aufbaupässe, brachte viele Scheiben vors gegnerische Tor. Früher etwas fahrig, in dieser Saison defensiv meist stabil und mit viel Eiszeit bedacht. Abseits des Eises ist der „Weiße Berg“ (die deutsche Übersetzung seines türkischen Nachnamens) fast schüchtern, gestern Abend aber sang er bei der Party in der Arena mit den Fans im Chor. Cody Lampl (32): Der Mann mit dem imposantesten Bart der Liga und den vielen Tätowierungen tat sich anfangs in Pavel Gross’ System schwer. Kämpfte sich charakterstark ins Team zurück – und verletzte sich kurz vor den Play-offs. Dann das Sportmärchen: Rückkehr für Spiel vier und fünf des Finales, jeweils ein Tor. „Unglaublich“, findet Lampl selbst. Thomas Larkin (28): Der Schuss ins Meisterschaftsglück – der Italo-Kanadier verschaffte sich am Freitag um 22.29 Uhr einen Ehrenplatz in Mannheims Sportgeschichte. Profilierte sich zuvor als physisch präsenter Stay-at-Home-Defender, verriet in der Punktrunde aber schon Scorer-Fähigkeiten. Lernt eifrig Deutsch und will es bei jeder Gelegenheit sprechen. Bereitet da jemand einen Wechsel der Staatsangehörigkeit vor? Joonas Lehtivuori (30): Wahrscheinlich der kompletteste Verteidiger der gesamten Liga. Powerplay, Unterzahl: Lehtivuori kann alles. Ahnt Situationen voraus. Und ist wie Kollege Huhtala alles andere als ein maulfauler, melancholischer Kaurismäki-Finne. Mark Katic (29): Begnadeter Schlittschuhläufer, der jedes Problem spielerisch zu lösen versucht – und meist auch löst. Kassierte in der gesamten Saison eine (!) Strafzeit – und das wegen Spielverzögerung, nicht wegen eines Fouls. Dürfte in den finanzstarken Ligen Osteuropas (KHL) und der Schweiz Interesse geweckt haben. Brendan Mikkelson (31): Es heißt, seine Familie ziehe es wieder nach Nordamerika – wäre schade, als echter Defensivverteidiger machte der Bruder einer kanadischen Olympiasiegerin einen guten Job. Steigerte sich nach der Viertelfinalserie gegen Nürnberg nochmal deutlich. Janik Möser (23): Dem vielseitigen Talent – Verteidiger, der jederzeit im Sturm spielen kann – ist nun eine verletzungsfreie Saison zu wünschen. Denis Reul (29): Sechs Scorerpunkte in den Play-offs – kann man als Verteidiger so machen, wenn defensiv alles im Lot ist. War es bei dem kahlköpfigen Hünen, der längst sehr diszipliniert spielt und an seinen Checks gearbeitet hat – auf dass sie von den Schiris nicht missverstanden werden. Moritz Seider (18): Ein Förderer des Klimawandels – so viele NHL-Scouts flogen wegen ihm von Nordamerika nach Europa... Das Supertalent wird über kurz oder lang in der NHL sein. Im Sommer wird sich ein Team zunächst mal die Rechte an dem reifen Teenager sichern. Ob er noch eine Saison für die Adler spielt? Er möchte unbedingt hier sein Abitur machen. •Stürmer Luke Adam (28): Die Fans werden seine Tormusik – den Folkrock-Song „The Islander“ – vermissen. Der Neufundländer verlässt Mannheim nach drei Jahren. Starke Play-offs, mitunter schwankende Leistungen in der Hauptrunde. Der werdende Vater schwärmt: „Ein höllisches Team!“ Andrew Desjardins (32): Ist schon Stanley-Cup-Sieger und kämpfte trotzdem wie besessen um den Titel in Deutschland. Ungekrönter „MVP“ (wertvollster Spieler) der Punktrunde. Mit neun Toren und fünf Vorlagen dann Topscorer der Play-offs. Markus Eisenschmid (24): In Nordamerika war seine Karriere ins Stocken geraten, Mannheim dürfte sein Sprungbrett für den Satz zurück über den großen Teich sein. 28 Saisontreffer, davon 16 in Überzahl, machten den Mädchenschwarm zum erfolgreichsten Deutschen in der Liga und zum Torschützenkönig der Adler. Garrett Festerling (33): Das Geld, das ihm seine Eltern einst für das Flugticket nach Deutschland liehen, hat er längst zurückgezahlt – der Mann, der den steinigen Karriereweg über die Oberliga wählte, krönte sich nun bereits zum zweiten Mal zum deutschen Meister. Bereitete Larkins Siegtor vor. Wechselt nach Wolfsburg. Tommi Huhtala (31): Hat den Schalk im Nacken. Schoss mal ein Tor, ohne die Scheibe zu berühren – wie frech ist das denn? Paart tolle Technik mit körperlicher Präsenz und ist sich für keinen Zweikampf zu schade. Phil Hungerecker (24): Widerlegte in den Play-offs das Vorurteil, dass er dem Team nur diene, wenn er punktet. Blühte in der vierten Reihe richtig auf. Mutig sein Talisman: eine Kappe von Tampa Bay Lightning, dem Vorrundenprimus der NHL, der aber in den Play-offs früh ausschied. „Hat trotzdem Glück gebracht.“ Marcel Goc (35): Fast entschuldigend hatte Trainer Pavel Gross im Halbfinale festgestellt, dass der NHL-Veteran mit seiner Eiszeit als Vierte-Reihe-Stürmer wohl nicht ganz glücklich sei. Aber Goc hob diesen Angriff auf hohes Niveau – das wäre anderswo als erster Sturm durchgegangen. „Ich habe jetzt 20 Jahre gespielt, und es ist mein erster Meistertitel. Das Warten hat sich gelohnt“, befand er gestern bei der Feier in der Innenstadt. Marcus Kink (34): Verbreitete als Edelreservist demonstrativ gute Stimmung: „Es geht nicht um Einzelpersonen.“ Sicher eine ganz schwierige Saison für den gestern völlig heiseren Kapitän. Streicheleinheiten gab’s am Abend in der SAP-Arena von den Fans: „Marcus Kink ist einer von uns.“ Chad Kolarik (33): Ein Play-off-Monster wird der Vorrunden-Topscorer nicht mehr. Trotzdem ein genialer Zocker, der in einer personellen Notsituation sogar mal in Unterzahl spielte und andeutete, dass er sich auch in eine solche Rolle fügen kann. Nicolas Krämmer (26): Hochgeschätzter Rollenspieler war er eh schon, in der Finalserie wuchs der Ex-Kölner über sich hinaus. Fuhr jeden Check konsequent zu Ende. „Mein erstes Finale – und gewonnen“, konnte Krämmer sein Glück nicht fassen. Matthias Plachta (27): Der Mann mit dem härtesten Schuss. Dürfte als Dauer-Sturmpartner von Wolf und Desjardins die beiden in dieser Saison öfter gesehen haben als seine Familie. Ben Smith (30): Als Kind hat er Posaune gespielt, sein Vater ist Dirigent, seine Mutter Pianistin, sein Großonkel ist „Monty Python“ Eric Idle. Solch ein künstlerischer Familienhintergrund – und so viel Herz und Hirn als Eishockey-Profi. Dennis Endras wurde „MVP“ des Finales, der effiziente Smith roch auch an diesem Titel. Brent Raedeke (28): Immer undankbar, mit einer Verletzung in die Saison zu starten. Der stille Deutsch-Kanadier konnte die neuen Coaches nicht nachhaltig überzeugen und fehlte in der Finalserie. Woanders – bald in Iserlohn? – muss er sich mit seinem Können keine Sorgen machen. David Wolf (29): Der Kaffeetrinker machte sein Hobby zum zweiten Standbein: In Mannheim-Gartenstadt lockt das „Café Wolfsbau“ zur gepflegten Tasse oder zum Macchiato-Glas. Auf dem Eis ein Mentalitätsmonster – und daneben ein unglaublich netter, witziger und zugänglicher Kerl. Als „Monnema“, wie er betont, die Identifikationsfigur dieses Teams. Zu Einsätzen kamen zudem die Talente Samuel Soramies (20 Jahre/11 Spiele und Louis Brune (18/10). Info: Den Blog zum Meistertriumph der Adler, Texte, Fotos und Videos finden Sie unter: https://www.rheinpfalz.de/sport/eishockey/adler-mannheim/

„Der Wertvollste“: Torwart Dennis Endras in der Innnenstadt.
»Der Wertvollste«: Torwart Dennis Endras in der Innnenstadt.
Trainer und Manager gestern im Autokorso.
Trainer und Manager gestern im Autokorso.
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