Sport Ein Leben im Rausch

Das Wyssozki-Denkmal am Moskauer Strastnoy-Boulevard.
Das Wyssozki-Denkmal am Moskauer Strastnoy-Boulevard.

Einer der Asteroiden in unserem Sonnensystem ist nach ihm benannt, und sein Begräbnis am 28. Juli 1980 gilt als größte nicht staatlich verordnete Demonstration, die Moskau in der Sowjetzeit erlebt hat. Der Schauspieler und Liedermacher Wladimir Wyssozki genießt auch fast 38 Jahre nach seinem Tod Heldenstatus.

1938 als Sohn eines Nachrichtenoffiziers in Moskau geboren, lebte Wladimir Wyssozki ein Leben auf der Überholspur: Geprägt von überbordender Lebenslust und Kreativität, gekennzeichnet aber auch von der zerstörerischen Alkoholsucht des legendären Barden. Die Gitarre hängt auf seinem Rücken, die Arme hat er ausgebreitet, den Kopf in den Nacken geworfen – es ist ein Stein gewordener Schrei nach Erlösung und Freiheit, das Wyssozki-Denkmal am Strastnoy-Boulevard. Das ist gut getroffen. „Ich aber reiß aus, aus voller Kraft, ohne Fessel. Denn heute ist ein anderer Tag. War umringt schon und sprang aus dem Kessel. Ohne Beute bleibt heute die schändliche Jagd“, heißt es in seinem Lied „Wolfsjagd“. Der Sänger und Liedermacher Wyssozki kritisierte die Missstände in der Sowjetunion, spottete über die vom Regime verordnete Leibesertüchtigung („Morgengymnastik“) und kritisierte damit auch die kommunistische Gleichmacherei. Oder er wunderte sich über die Schlangen vor dem Kaufhaus Gum – in dem es doch gar nichts zu kaufen gibt. Mehr als 600 Lieder schrieb er, sprach darin über Kriminalität, Prostitution, über Gängeleien im kommunistischen Alltag – Tabuthemen aus Sicht des Regimes. Deshalb gab es auch kaum Schallplatten von Wyssozki, die staatlichen Medien und Verlage ignorierten ihn weitgehend. Aber dennoch erreichte er ein Millionenpublikum, weil Jugendliche seine Konzerte mit dem Tonband mitschnitten und ihre Aufnahmen nach dem Prinzip des Selbstverlags über illegale Kanäle verbreiteten. Wer seine Stimme einmal gehört hat, vergisst sie nicht mehr. Sonor, kraftvoll und rauchig klingt seine Stimme, die vielen als Stimme Russlands galt. Wyssozki ließ sich ab 1956 am Moskauer Tschechow-Kunsttheater zum Schauspieler ausbilden, trat 1960 erstmals in Theater und Film auf, begann ein Jahr später, seine ersten Lieder zu schreiben, wurde 1964 Mitglied des Ensembles des Taganka-Theaters, wo er am 18. Juli 1980 zum letzten Mal als Hamlet auftrat – seine berühmteste Rolle. Nach der Hochzeit im Dezember 1969 bis zu seinem Tod hat die französische Schauspielerin Marina Vlady ihr Leben mit Wyssozki geteilt. Sie bewunderte seine Vitalität und „dieses Äußere von beinahe manischer Sauberkeit“, erlebte aber auch die brutalen Abstürze. In ihrem ergreifenden Buch „Eine Liebe zwischen zwei Welten“ beschreibt sie die gemeinsame Reise durch die Hölle der Alkoholsucht und die letztlich vergeblichen Versuche, dieser zu entrinnen: „Wiederbelebung, Entziehung, Angst und Verzweiflung: der Höllenzyklus wiederholt sich, immer und immer häufiger.“ Das Leben im Rausch endet jäh: Am 25. Juli 1980 stirbt Wyssozki mit nur 42 Jahren an Herzversagen – während der in Moskau stattfindenden Olympischen Sommerspiele. Obwohl die Medien seinen Tod verschwiegen, erschienen Zehntausende zu seinem Begräbnis. „Der kleine Mann von der Straße kommt, um Abschied zu nehmen von seinem geliebten Sprecher“, schreibt Marina Vlady.

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