Sport E-Sport: Die Arena-Zocker

Das Finale der League-of-Legends-Meisterschaft in Berlin im Oktober 2015 lockte 12.000 Zuschauer in die Arena. Millionen verfolg
Das Finale der League-of-Legends-Meisterschaft in Berlin im Oktober 2015 lockte 12.000 Zuschauer in die Arena. Millionen verfolgten es per Livestream.

Steigende Preisgelder, steigende Zuschauerzahlen, steigende Aufmerksamkeit: E-Sport will auf den Olymp. Wird aus dem PC-Spielen als Wettbewerb wirklich ein gesellschaftliches Phänomen? Oder geht es nur ums Geld? Eine Spurensuche von Stefan Heimerl und Reiner Bohlander.

Pong war 1972 der Urknall des kommerziellen Videospiels. Ein schwarzer Bildschirm, zwei weiße Balken und ein weißer Punkt, der wie ein Tennisball hin und her gepasst wurde. Schon dieser Urknall war ein auf Wettbewerb ausgelegtes Sportspiel, angelehnt an Vorbilder aus der Realität. Bis in die 1990er Jahre gab es größere Turniere für Computerspiele aber nur sporadisch. Erst als die Akteure ihre Computer untereinander vernetzen konnten, verließen sie regelmäßig die heimischen vier Wände und versammelten sich in großen Mehrzweckhallen: Die so genannten Lan-Partys waren geboren. Jugendliche schleppten ihre schweren, klobigen Computer und Röhrenmonitore in eine Halle und zockten dort gegen 20, 200 oder 2000 Personen. Nächtelang. Pong war überholt, das Prinzip aber blieb: Wer reagiert schneller, erreicht mehr Punkte? Die Spieler bildeten erstmals Teams. Nun spielten sie Ego-Shooter wie Counter-Strike, die in der Öffentlichkeit umstritten sind wegen ihrer Gewaltdarstellung. Neben dem Shooter-Genre sind Echtzeitstrategie-Spiele der große Motor der Branche. Dort dirigieren Zocker Fantasiewesen in einer virtuellen Arena und bekämpfen sich gegenseitig. Gewalt gibt es dort auch, sie ist aber abstrakter.

Weltweit 655 Millionen US-Dollar Umsatz

Die Treffen in den Mehrzweckhallen sind heute so professionell, dass sie unter dem Begriff E-Sport, elektronischer Sport, geführt werden. Der Markt ist einer der aufstrebendsten. Mit E-Sport lässt sich mittlerweile viel und vor allem immer mehr Geld verdienen. Im vergangenen Jahr wurden weltweit 655 Millionen US-Dollar umgesetzt. 2015 war es nur halb so viel. Vor allem die Einnahmen aus Werbe- und Sponsorengeldern – sie machen 40 Prozent des Umsatzes aus – sorgen dafür. Übertragungsrechte, Tickets, Merchandising und die Gebühren, die Freizeitspieler für die Computerspiele ausgeben machen den Rest des Geldes aus. Prognosen gehen von einem globalen Umsatz von 1,6 Milliarden US-Dollar Anfang des neuen Jahrzehnts aus. „Team Liquid“ aus dem niederländischen Utrecht ist beispielhaft für die Entwicklung. Gegründet im Jahr 2000, stellt die Mannschaft heute mehrere Teams mit je fünf bis sechs Spielern aus aller Welt. Jedes Team ist auf ein Spiel spezialisiert, wie etwa „League of Legends“, „Dota 2“, „Counter-Strike“, „Heroes of the Storm“ und andere. Ganze elf Millionen US-Dollar gewann allein das „Dota 2“-Team im August 2017. Da hatte es gerade das Turnier „The International“ in Seattle gewonnen, bis dahin das höchstdotierte E-Sport-Turnier der Welt.

Monatsgehalt zwischen 800 und 1500 Euro

Teil dieses Siegs war auch ein Deutscher. Der Berliner Kuro Salehi Takhasomi bekam einen Anteil von mehr als 2,5 Millionen Dollar ausgezahlt. Der 25-Jährige war im vergangenen Jahr der erfolgreichste E-Sportler der Welt. Dank mehrerer Turniersiege lag sein Jahresverdienst bei 3,5 Millionen Dollar. Spieler wie Takhasomi sind noch die Ausnahme. Wenige erspielen sich so hohe Summen im Jahr. Die meisten deutschen E-Sportler verdienen ein Monatsgehalt zwischen 800 und 1500 Euro. Ein ganzes Team verursacht Kosten von bis zu 300.000 Euro im Jahr. Das Geld dafür kommt vor allem aus Sponsoring-Verträgen, meist mit Herstellern von Energydrinks und PC-Zubehör. Wer ein Team neu gründen will, bezahlt meist erstmal aus eigener Kasse. Angesichts der steigenden Einnahmen wittern auch echte Sportvereine eine Chance im E-Sport. Der französische Fußball-Verein Paris St. Germain verkündete im April, ein „Dota 2“-Team in den PSG-Farben zu Turnieren zu schicken. Der FC Schalke 04 war einer der ersten Vereine der Fußball-Bundesliga, als er 2016 eine eigene E-Sport-Abteilung gründete. Schalke kaufte das bestehende E-Sport-Team „Elements“ einfach auf. Derzeit ist der Verein bei zwei Computerspielen aktiv: „Fifa“, die Fußball-Simulation, und „League of Legends“, eines der beliebtesten Echtzeit-Strategie-Spiele. Cihan Yasarlar, ebenfalls ein 25 Jahre alter E-Sportler aus Berlin, gewann in Königsblau 2017 mehrere Wettbewerbe, unter anderem die Virtuelle Bundesliga (VBL) des Spiels „Fifa 2017“. Inzwischen sitzt er für RB Leipzig am Controller. Die Bullen begannen 2017 mit E-Sport.

Für FCK kein Thema

Auch in der Metropolregion Rhein-Neckar ist der elektronische Sport ein Thema. Der SV Waldhof Mannheim stieg im Dezember 2017 als erster Regionalligist ein. „Die E-Sport-Szene wächst mit großer Geschwindigkeit. Wir sind davon überzeugt, dass wir mit dem E-Sport-Team vor allem die jungen Fans ansprechen und zugleich weitere Werbepartner von der Attraktivität und dem Potential des SV Waldhof Mannheim überzeugen können, indem wir über den Tellerrand hinaus schauen und diesen spannenden Weg im E-Sport verfolgen“, nennt SVW-Geschäftsführer Markus Kompp die Gründe für das Engagement. Bei Bundesligist FSV Mainz 05 steckt der E-Sport dagegen noch in den Kinderschuhen. Während die „Nullfünfer“ aber am Aufbau einer virtuellen Abteilung arbeiten, ist bei Zweitliga-Absteiger 1. FC Kaiserslautern der elektronische Sport derzeit kein Thema. „Wir beschäftigen uns schon damit, aber Stand heute sind andere Dinge wichtiger. Ich denke, beim E-Sport muss man erst einmal finanziell investieren und wir bräuchten Personal. Beides ist aktuell leider nicht gegeben“, sagt Stefan Roßkopf, Leiter der Abteilung Medien, Kommunikation und Fanangelegenheiten beim FCK. Und weiter: „Es ist eine interessante Geschichte, es gibt auch immer wieder Fans, die auf uns zukommen, aber es scheitert noch an den Ressourcen.“ Roßkopf gibt auch zu Bedenken, dass Spiele wie „League of Legends“ oder „Counter-Strike“ nicht unbedingt zu einem Fußballklub passen. „Aber wir behalten das im Auge.“

Bisher kein reiner E-Sport-Verein in Rheinland-Pfalz

Beim Sportbund Pfalz wird abgewartet, wie die höheren Verbandsebenen damit umgehen. So lange beobachte man E-Sport aus neutraler Sicht, sagt Asmus Kaufmann von der Marketingabteilung. Der Landessportbund (LSB) hat derweil eine Arbeitsgruppe eingerichtet und organisiert im Herbst ein Treffen mit Politikern, Verbänden, Wissenschaftlern und Vertretern der Computerspielbranche. Bisher habe in Rheinland-Pfalz kein reiner E-Sport-Verein die Aufnahme im LSB beantragt. Wie E-Sport integriert werden kann und wie mit der Gewaltdarstellung einiger Spiele umgegangen wird, dazu gibt der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) am 1. Dezember beim Mitgliedertreffen in Düsseldorf eine Anleitung für die Landesverbände. Erst Ende 2017 wurde mit dem Deutschen E-Sport-Bund (ESB) ein Verband von der Industrie und E-Sport-Teams geschaffen, der so etwas wie eine Vereinsstruktur aufbauen könnte. Denn wer Mitglied beim DOSB werden und so gesellschaftliche Anerkennung erfahren will, der benötigt mindestens 10.000 Mitglieder und muss in der Hälfte der Landessportverbände vertreten sein. Bisherige Strukturen wie die Electronic Sports League (ESL) stehen auf rein privatwirtschaftlichen Beinen und haben kommerzielle Interessen im Blick. Zu Turnieren der ESL in Deutschland kommen bis zu 30.000 Besucher. Das ist der Zuschauerschnitt von Bundesligaspielen der TSG Hoffenheim.

Eigene virtuelle NBA-Liga

Der deutsche E-Sport-Markt wächst indes genau wie der globale. Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte schätzt, dass der Umsatz in Deutschland bis 2020 auf etwa 130 Millionen Euro steigen könnte. Vor zwei Jahren waren es 50 Millionen. Bewahrheitet sich die Prognose, dann wäre E-Sports, gemessen am Umsatz, bald so groß wie die Deutsche Eishockey-Liga oder die Dritte Fußball Liga. Die Prognosen haben mit der wachsenden Zuschauerzahl, ausgeklügelterem Merchandising und Abo-Modellen für Live-Übertragungen zu tun. In anderen Ländern ist die Entwicklung noch weiter. In Südkorea, einer E-Sport-Großmacht, werden die besten Spieler wie Superstars verehrt. In den USA hat die Nationale Basketballliga NBA in diesem Jahr eine eigene virtuelle Liga mit allen Vereinen und fünf Spielern pro Mannschaft aufgebaut. Jeder Akteur erhält ein Saisongehalt von mehr als 30.000 US-Dollar und eine eigene Wohnung. E-Sport hat aber noch einige Probleme. Es gibt keinen internationalen Dachverband wie die Fifa beim Fußball, den alle Landesverbände akzeptieren. Wettbewerbe wie „The International“ werden von den Herstellern selbst organisiert. Sie können die Spielregeln nach Belieben umprogrammieren, was sie auch machen, um ihr Produkt interessant zu halten. Dazu kommt, dass die Karrieren von E-Sportlern im jugendlichen Alter beginnen, sie mit Mitte 20 aber alte Hasen sind. Es gibt wenige 30-jährige E-Sportler, denn die körperliche Belastung, bis zu 14 Stunden täglich zu trainieren, wird irgendwann zu groß.

Spiele fristen oft ein Nischendasein

Und E-Sport als olympische Disziplin? Könnte passieren. Thomas Bach, Präsident des IOC, hat aber wiederholt deutlich gemacht: Wenn, dann nur mit Spielen, die auf echten Sportarten basieren – also digitale Versionen von Basketball und Handball. Diese Spiele fristen aber oft ein Nischendasein, weil Hersteller global verkaufen wollen. Fußball, Basketball oder Eishockey verkaufen sich international. Aber Radfahren, Leichtathletik oder Tennis – dafür gibt es teils nicht einmal Hersteller geschweige denn eine E-Sport-Szene. Die Asienspiele 2022 dürften allerdings als das Sportereignis in die Geschichte eingehen, bei dem Computerspieler erstmals Medaillen erhalten. Welche Spiele dort zugelassen werden, steht noch nicht fest. Pong wird es jedenfalls nicht sein.

Die Fußballklubs verpflichten die ersten E-Sportler. Der 26-jährige Gianluca Siciliano lebt in Bobenheim-Roxheim und wurde im Fe
Die Fußballklubs verpflichten die ersten E-Sportler. Der 26-jährige Gianluca Siciliano lebt in Bobenheim-Roxheim und wurde im Februar vom SV Waldhof für das Fifa-Team verpflichtet. Von rund sechs Millionen aktiven Spielern stand Siciliano vor kurzem noch in der Top-100-Weltrangliste auf Platz 68.
Der Berliner Kuro Salehi Takhasomi (2. von rechts) war 2017 der erfolgreichste E-Sportler der Welt. Bei einem Turnier in Seattle
Der Berliner Kuro Salehi Takhasomi (2. von rechts) war 2017 der erfolgreichste E-Sportler der Welt. Bei einem Turnier in Seattle erhielt er 2,5 Millionen Dollar. Auf dem Foto bespricht er mit seinem Team die Strategie vor einem Halbfinale in Hamburg im Oktober 2017. An zwei Tagen kamen 20.000 Zuschauer zu dem Turnier, mehr als 20 Millionen schauten online zu.
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