Rheinpfalz "Chemical Love": Erst normaler Online-Shop, dann Darknet-Drogen

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Der mutmaßliche Chef-Dealer des illegalen Versands ist vor Jahren mit einem legalen Geschäft gescheitert.

Landau. Eben noch schaute das Anzugmännlein mit den Stelzenbeinchen mal grimmig und mal nachdenklich drein. Jetzt hat es die Arme weit ausgebreitet und lacht. Schließlich hat es erfahren, wie es sicher und zuverlässig an Drogen kommt: einfach im Internet bestellen. Doch der Zeichentrick-Werbespot ist schon mehr als ein Jahr alt, die mit dem Filmchen angepriesene Internet-Seite „Chemical Love“ längst abgeschaltet. Ihre mutmaßlichen Hintermänner werden ab Donnerstag in Landau vor Gericht stehen. Was die Kunden wie bei einem Online-Schuhhändler oder Bücherversand bestellten, lagerte in einem Keller im südpfälzischen Rülzheim. Von dort aus wurde das Rauschgift per Post verschickt, Ermittler sprechen von bis zu 50 Lieferungen pro Tag. Immerhin hatte der mutmaßliche Chef der Netz-Dealer schon Erfahrung im legalen Internet-Handel gesammelt. 2011 gründet er zusammen mit einem Partner eine Firma für „Liveshopping, E-Dating und E-Commerce“, vertreibt über deren Internet-Seite zum Beispiel Mode, Schmuck und Elektroartikel. In Bewertungsforen rühmen Besteller die „Hammer-Preise“ und den Service dieses Lieferanten, doch ein geschäftlicher Fehlschlag ist das Projekt trotzdem: Im September 2013 wird die Firma „von Amts wegen“ aus dem Unternehmensregister gelöscht. Der Grund: „Vermögenslosigkeit“. Später versucht sich der Mann im Raum Stuttgart als Immobilienmakler. Und ab Mai 2015, so jedenfalls sagt es die für Internet-Kriminalität zuständige Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz, verlegt er sich obendrein auf den Drogenversand: Die Ermittler halten ihn für „z100“ . Unter diesem Pseudonym wird der „Chemical love“-Chef in der Bestellerszene berühmt, schließlich gilt sein Drogenversand zeitweise als der größte in Deutschland. Die Bestell-Plattform, ihrer Kennung zufolge im Pazifik-Königreich Tonga registriert, können Internet-Nutzer ebenso frei aufrufen wie den Werbefilm mit dem Anzugmännlein auf Stelzenbeinen. Doch ein Teil des verbotenen Geschäfts läuft auch übers abgeschirmte Darknet. Und bezahlt wird mit der Internet-Währung Bitcoin, die schmutzige Geldgeschäfte im Verborgenen möglich macht. Niedersächsische Spezial-Ermittler pirschen sich trotzdem an die Hintermänner heran: Sie fingieren selbst Bestellungen, identifizieren einen Verdächtigen, hören dessen Telefone ab. So kommen sie einem Mann aus dem Raum Pforzheim auf die Schliche, der fürs Verpacken und Verschicken der Drogenpakete zuständig sein soll. Ab Donnerstag wird er als zweiter Angeklagter neben dem mutmaßlichen „z100“ im Landauer Gerichtssaal sitzen. Als Dritter im Bunde gesellt sich zu ihnen ein Rülzheimer, der das Zentrallager der Drogenhändler verwaltet haben dürfte. Als Beamte am 14. April 2015 den Keller des Pfälzers stürmten, war gerade eine neue Amphetamin-Lieferung aus Rotterdam angekommen. Insgesamt lagerten dort gut 80 Kilogramm Amphetamin, knapp zwei Kilogramm Kokain, 250 Gramm Crystal Meth, 230 Gramm Heroin, mehr als 4000 LSD-Trips. Außerdem entdeckten die Fahnder 2200 Bestelllisten. Die dort gesammelten Kundendaten nutzten die Behörden zunächst, um im vergangenen August die Wohnungen von bundesweit 63 Großabnehmer des „Chemical love“-Versands zu durchsuchen. Aber auch Kunden mit kleineren Bestellmengen haben sich die Behörden mittlerweile vorgeknöpft. Laut Staatsanwaltschaft wurden von Hannover aus etwa 1000 Ermittlungsverfahren gegen Menschen eingeleitet, die geglaubt hatten, was in Werbespots wie dem mit dem Anzugmännlein auf Stelzenbeinen versprochen wurde: dass sie Drogen ganz einfach, sicher und zuverlässig im Internet bestellen könnten.

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