Sportpolitik Auch der Sport macht an Koreas Grenze halt

Spricht offen über die Probleme: Park Inkyu.
Spricht offen über die Probleme: Park Inkyu. Foto: LilL

Es war sicher keine schlechte Idee vom Fußball-Weltverband Fifa, dass sie Nord- und Südkorea für die Fußball-WM der Frauen 2023 gemeinsam bewerben. Doch noch vor dem Bewerbungsschluss am vergangenen Freitag, war der Traum schon wieder geplatzt. Auf der koreanischen Halbinsel gibt es zwei Staaten, deren Vereinigung aktuell undenkbar scheint. Es bleibt eine Chance für den Sport, Brücken zu bauen und die Koreaner auf beiden Seiten der 248 Kilometer langen Grenze zusammenzubringen.

Für das patriotische Südkorea wäre die Frauen-WM ein Riesenereignis gewesen, das erste seit 2002 die erste Fußball-WM auf heimischem Boden stattfand. Allerdings hatte in der Öffentlichkeit kaum jemand Notiz davon genommen. Koreanische Zeitungen schreiben kaum drüber, TV-Sender rücken das Thema nicht in den Fokus. Im November wimmelte eine Verbandsoffizielle am Telefon ab: „Wir können leider keine Interviews zum Thema geben.“ Mehr gebe es nicht zu sagen, Ende des Gesprächs.

Es war eine für den Vorlauf eines Sportgroßereignisses beispiellos wortkarge Öffentlichkeit. Zumal das Event doch der Völkerverständigung, dem Frieden, der politischen Eintracht dienen soll und Südkoreas Präsident Moon Jae-in genau dieses Thema immer wieder zur höchsten Priorität seiner Regierung erklärt hat. Aber genau hieran mag es gelegen haben: das Vorhaben war so brisant, stand auf so wackligen Beinen, dass man auf keinen Fall einen Fehler machen wollte.

Zwischen Nord- und Südkorea herrscht Waffenstillstand

Südkorea wollte sich gemeinsam mit dem verfeindeten Bruderstaat Nordkorea bewerben. Aber wie hätte das funktionieren sollen? Nach dem dreijährigen Koreakrieg ab 1950 haben die zwei Staaten seit fast 70 Jahren nur einen Waffenstillstand, verharren damit formal noch immer im Krieg miteinander. Einen geregelten Austausch gibt es nicht, stattdessen herrscht ein mittlerweile dauerhafter Ausnahmezustand. Und während in den letzten Jahren immer wieder Drohungen und Provokationen ausgetauscht wurden, bleibt als einer der letzten Hoffnungsträger auf Austausch noch der Sport.

An einem regnerischen Vormittag am östlichen Rand von Seoul bricht Park Inkyu mit der Schweigsamkeit. Im olympischen Viertel, wo im Rahmen der Spiele von Seoul 1988 erstmals olympische Wettbewerbe in Korea stiegen, erklärte Park verschnupft: „Bei der Frauenfußball-WM war es so, dass sich Südkorea zuerst allein bewerben wollte. Dann schlug die Fifa vor, dass man doch eine gemeinsame Bewerbung mit Nordkorea machen könnte.“ Der gute Wille war da, aber der Versuch ist gescheitert. „Aber Gespräche zwischen Nord und Süd finden praktisch nicht statt“, hatte Park erklärt - noch vor dem Rückzug der Bewerbung.

Bewerbung um die Sommerspiele 2032

Der ältere Herr berichtete mit nüchterner Stimme, überrascht über die schleppenden Vorbereitungen ist er nicht. Park ist beim Nationalen Olympischen Komitee (NOK) für Internationale Angelegenheiten zuständig und macht in dieser Rolle seine eigenen Erfahrungen mit Bemühungen um innerkoreanischen Austausch. Immerhin gibt Südkorea sich nicht so leicht geschlagen. „Wir wollen die Olympischen Sommerspiele 2032 nach ganz Korea holen“„, sagte Park.

Pjöngjang und Seoul, die beiden Hauptstädte der zwei Staaten, sollen Austragungsorte werden. Es ist das nächste Projekt, von dem man sich viel verspricht, aber äußerst wenig weiß. Beschlossen wurde das Vorhaben vor knapp zwei Jahren, in der Euphorie der Olympischen Winterspiele von Pyeongchang im Februar 2018, als eine nordkoreanische Delegation nach Süden reiste. Damals gab es Gespräche, kulturellen Austausch, sogar einen gesamtkoreanischen Einmarsch bei der Eröffnungsfeier.

Bach unterstützt die Bewerbung

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) schwärmte damals und nannte die Annäherungen „historisch“. IOC-Präsident Thomas Bach unterstützt eine gesamtkoreanische Olympiabewerbung seitdem ausdrücklich. Nur gab es auch hier schon lange keinen Kontakt mehr. „Wir können uns nicht mal E-Mails schicken“, sagt Park Inkyu in einem Sitzungsraum beim NOK. „Wenn wir Informationen austauschen wollen, müssen wir das per Fax über unser Ministerium für Wiedervereinigung machen. Und wir können uns auch nicht einfach mal treffen, selbst wenn es dringend ist.“

Dabei gäbe es viel zu besprechen. Bei einer gemeinsamen Ausrichtung Olympischer Spiele stellen sich grundsätzliche Fragen, die bisher völlig ungeklärt sind: Wo sollen welche Wettbewerbe oder Spiele stattfinden? Müssen neue Stadien gebaut werden? Und wie sieht es mit der Reisefreiheit aus? Schließlich dürfen Koreaner beider Seiten bis auf Weiteres nicht die Grenze überqueren. Das würde Verrat bedeuten.

1991 gab es eine gemeinsames Tischtennis-Team

Park Inkyu sieht die Möglichkeit von Grenzüberquerungen als Ausgangspunkt für eine realistische Planung. Optimistisch klingt er bei dem Gedanken aber nicht. „Um das zu ermöglich, müssten wir zuerst wieder neues Vertrauen aufbauen. Wir treffen uns aber höchstens am Rande von internationalen Veranstaltungen im Ausland. Und dann wissen wir auch nicht, wie viel man wirklich besprechen kann, alles findet informell und eher in Eile statt.“ Park hat zudem den Eindruck, dass die Vertreter von Nordkorea bei Begegnungen auch keine eigenständigen Entscheidungen treffen dürfen. „Es ist alles sehr schwierig.“

Die Idee, die zwei Teile der koreanischen Halbinsel mit Sport einander näher zu bringen, ist nicht neu. 1991 trat eine gesamtkoreanische Mannschaft bei der Tischtennis-WM an. Bei den Asian Games 2008 sollte wieder gemeinsame Sache gemacht werden. Doch das Vorhaben scheiterte an verschiedenen Vorstellungen darüber, wer wie viele Athleten stellen würde. Bei den Winterspielen von Pyeongchang gab es dann eine gesamtkoreanische Truppe im Frauen-Eishockey, die sportlich allerdings völlig überfordert war. Doch gleich war wieder von der Einheit der Nation gesprochen worden. Die „Einheitsfahne“, die blaue koreanische Halbinsel auf blauem Grund war geschwenkt worden.

Euphorie nach Winterspielen wieder verflogen

In Korea behauptet daher niemand, der Sport werde nicht zu politischen Mitteln eingesetzt. „In anderen Ländern sagt man, Sport könne man von Politik trennen. In Korea geht das nicht“, sagt Park Inkyu. Bei der Regierung sieht man das offenbar genauso. Auf der Invest Korea Week Anfang November, einer Konferenz in Seoul, auf der sich Südkorea als Standort für Investitionen aus dem Ausland anpreist, sagte Song Jiyoung vom Ministerium für Wiedervereinigung: „Der Frieden auf der koreanischen Halbinsel ist sehr wichtig für die ökonomische Entwicklung in ganz Korea. Um diesen Zustand zu erreichen und den Wohlstand voranzutreiben, kann der Austausch durch Sport von entscheidender Bedeutung sein.“

Nur trauen Kritiker den Annäherungsversuchen immer weniger zu. Am Abend nach dem Besuch beim NOK lädt im Süden des Zentrums Lee Jungchan, ein bekannter Sportjournalist beim TV-Sender Seoul Broadcasting Service, in die Redaktion seines Arbeitgebers ein. Der junge Reporter Lee betont, nur seine persönliche Meinung kundzutun, aber die ist unmissverständlich. „Bei den Winterspielen von Pyeongchang waren wir alle euphorisch. Wir dachten, ab jetzt würden wir regelmäßig miteinander reden und so weiter. Aber ein Jahr später ist nichts davon übrig.“ Die Verheißungen auf Austausch? Verflogen. „Der Sport hat nicht das erreicht, was versprochen wurde.“

Keine echte Debatte

Derzeit sieht es eher so aus, als wäre man wieder bei Null. Die Bewerbung um die Frauenfußball-WM ist Geschichte. Die vier verbliebenden Bewerber um die Ausrichtung sind Brasilien, Kolumbien, Japan und als Co-Gastgeber Australien und Neuseeland. Zur Frage aber, ob sich Südkorea überhaupt um ein gemeinsam mit Nordkorea auszutragendes Großevent bemühen sollte, hat es weder eine Volksabstimmung noch eine echte Debatte gegeben.

Lee Jungchan vermutet, dass viele Menschen seine Skepsis teilen: „Wir alle wollen bessere Beziehungen in Korea. Und Sport könnte das theoretisch leisten, aber es gelingt in Korea offenbar nicht. Jedes Mal, wenn es Annäherungen gibt, verpuffen sie kurze Zeit später wieder. Der Sport wird hier von Personen eingesetzt, die dadurch in der Öffentlichkeit strahlen wollen.“

Jedenfalls könnten sich Fifa-Präsident Gianni Infantino und IOC-Präsident Thomas Bach als Friedensstifter feiern lassen, wenn es in den nächsten Jahren tatsächlich gesamtkoreanisch veranstaltete Sportevents gäbe. „Das wäre dann vor allem für diejenigen toll, die das große Schauspiel lieben“, sagt Lee Jungchan in seiner Redaktion und sieht ratlos aus. „Es wäre ja auch eine Sensation. Man wird das dann alles mit großem Interesse verfolgen. Aber am Ende kann man, leider, immer wieder nur seufzen.“

Bei den Winterspielen in Südkorea 2018 hat es ein gemeinsames Eishockey-Team der Frauen gegeben, die hier nach der 1:4-Niederlag
Bei den Winterspielen in Südkorea 2018 hat es ein gemeinsames Eishockey-Team der Frauen gegeben, die hier nach der 1:4-Niederlage gegen Japan Stofftiere auf dem Eis einsammeln. Gegen Japan hatte das überforderte Team das einzige Tor im ganzen Turnier erzielt. Foto: dpa
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In Korea wird sie 2023 nicht vergeben: die WM-Trophäe. Foto: REUTERS
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