Rheinpfalz Atemberaubendes Vergnügen für Pferd und Reiter

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Ein Pferd, eine Lanze oder einen Säbel, einen vier bis sechs Zentimeter kleinen Block – mehr braucht man an Ausrüstung zunächst nicht für die wohl jüngste Reitsportart in Deutschland: Tentpegging ist bisher nahezu unbekannt im Land der Dressur- und Springreiter. Für Zuschauer ist die rasante Jagd nach den Zeltpflöcken (Tentpegs) ein atemberaubendes Vergnügen.

Für Reiter und Pferde allemal. „Die Pferde haben einfach Spaß“, beschreibt Anna Schmidt-Pauly. Die Auszubildende zur Pferdewirtin bei Uta Gräf auf dem Gut Rothenkircherhof fing daher schnell Feuer, als sie bei einem Working Equitation Turnier von einem Mitglied des deutschen Nationalteams der Tentpegger angesprochen worden war, ob sie nicht Lust hätte, ins Team einzusteigen. Kurze Zeit später war sie schon mit drei anderen Tentpeggern unterwegs zu den südafrikanischen Meisterschaften, bei denen sie 2016 außer Konkurrenz teilnehmen durften. Nur rund 50 Reiterinnen und Reiter zählt der Dachverband Tentpegging Germany zu den Aktiven. Er existiert erst seit 2013 als Abteilung des Deutschen Kavallerieverbandes. Denn Tentpegging – die Lanze und als weiteres Hilfsmittel der Säbel deuten darauf hin – ist tatsächlich ein alter Militärsport. Heute stehen Geschicklichkeit, Schnelligkeit und Spaß an der Bewegung für Pferd und Reiter im Vordergrund. „Man darf keine Angst vor dem Tempo haben“, nennt Anna Schmidt-Pauly eine Grundvoraussetzung für Interessenten. Außerdem gehören Sicherheit in allen Gangarten des Pferdes sowie Körperbeherrschung dazu. Immerhin ist eine der Aufgaben, im Jagdgalopp auf einem Parcours die vergleichsweise winzigen Pegs mit der Lanze aufzupicken. Auf Zeit, versteht sich. Einhändiges Reiten sollte also zumindest schon mal geübt worden sein. Auch die Pferde müssen selbstverständlich vorbereitet werden und sollten keine „Tütenmonster“ an der Bande fürchten. In Südafrika gab’s da absolut keine Probleme: Dort ist Tentpegging wie in vielen Ländern des Commonwealth Nationalsport. Die angehende Pferdewirtin aus der Pfalz und ihre Reiterkollegen waren privat auf einer Farm untergebracht und durften dort trainieren. „Es war eine tolle Zeit, und ich habe irre viel gelernt!“ Fremde Pferde zu reiten ist für Reiter normalerweise eher ein Wagnis – Tentpegging-Tiere sind aber aufgrund ihrer Ausbildung, Erfahrung und Nervenstärke kein Problem. Außerdem sind Tentpegger es gewohnt, dass ihnen bei Wettkämpfen fremde Pferde zugelost werden. Im ersten Moment kommen freilich Zweifel, ob man bei der hohen gerittenen Geschwindigkeit überhaupt etwas treffen kann. Schmidt-Pauly hatte zudem vorher nur zwei Wochen Zeit gehabt, sich mit den Regeln der einzelnen Disziplinen vertraut zu machen. Wer die Videos auf der Website des Verbandes anschaut, kann das kaum glauben. „Es ist unglaublich, wie man sich freut, wenn man dann tatsächlich was trifft“, erinnert sie sich lachend. Aber vor allem der Teamgeist des Tentpeggings hat sie beeindruckt. Wenn die Kollegen erfolgreich waren, freue man sich noch viel mehr. Die Disziplinen werden jeweils als Mannschafts- und als Einzelwettbewerb geritten. Das Regelwerk umfasst inzwischen nicht nur das Aufsammeln der Pegs, sondern alle Reitsportarten, bei denen es gilt, mit einer Waffe ein Ziel zu treffen. Das kann ein aufgehängter Ring sein wie man es aus der Working Equitation kennt, durch den die Lanze oder ein Säbel gestochen wird, aber auch Zitrusfrüchte, die im vollen Galopp gespalten oder aufgespießt werden müssen. Ganz klar: Hier muss die Sicherheit von Reiter und Pferd an erster Stelle stehen. Helme sind daher Pflicht. Selbst in Südafrika, wo das Transportieren von Menschen auf der offenen Ladefläche von Lastwägen gang und gäbe ist, seien sie schon beim Satteln der Pferde sofort darauf angesprochen worden, doch ja die Helme aufzusetzen, berichtet Schmidt-Pauly. Das sei für sie aber ohnehin selbstverständlich. Wer sich das Nationalteam einmal live anschauen will, kann sich die Tage vom 8. bis 10. September vormerken: In Crawinkel bei Gotha finden dann die zweiten Deutschen Meisterschaften statt, bei denen sich die Reiter für die Weltmeisterschaften der International Tent Pegging Federation 2018 qualifizieren wollen. In der sogenannten „Thürengeti“ haben die Tentpegger das gefunden, was man für diese Sportart unbedingt braucht: Platz! Für einen gepflegten Jagdgalopp reicht ein normaler 60-Meter-Reitplatz oder eine Halle nämlich nicht aus. Zum Schnuppern dagegen reiche das „grade so“, meint Schmidt-Pauly. Die sogenannten „Drills“, die Aufgaben, könnten auch im Schritt oder mit weniger Geschwindigkeit geübt werden. Für junge, noch unerfahrene Reiter, ideal, um ein gutes Körpergefühl auf dem Pferd zu entwickeln. Wer einen Parcours bewältigen will, muss sich voll und ganz auf sein Tier einstellen. Umgekehrt muss das Pferd dem Reiter vollkommen vertrauen. Wer bereits Erfahrungen zum Beispiel bei Mounted Games gesammelt hat, bei denen ebenfalls verschiedene Geschicklichkeitsprüfungen abgefragt werden, könnte beim Tentpegging noch eins drauflegen in Sachen Sportlichkeit. „Wir wollen Tentpegging ein bisschen bekannter machen“, nennt die junge Frau das bescheidene Ziel. Ein paar Mal im Jahr treffen sich die Reiter zum Training. „Da können die Leute sich das angucken.“ Infos über Termine gibt die Website des Verbandes. Möglicherweise kommen auch Vorführungen bei anderen Wettbewerben zustande. Inzwischen sind die deutschen Reiter froh, dass die Teams der anderen Landesverbände die Bemühungen unterstützen, den Sport hier bekannter zu machen. Die Einladung nach Südafrika und zu internationalen Turnieren, bei denen das deutsche Team in wechselnder Zusammensetzung schon erfolgreich war, kamen so zustande. „Wir wollen wahrscheinlich auch die südafrikanischen Regeln übernehmen“, sagt Schmidt-Pauly. Stilpunkte stehen da unter anderem drin. Tentpegging ist also mitnichten ein Drauflosstürmen und Zuschlagen wie einst bei Blüchers Kavallerie, sondern eine Reitsportart, bei der Harmonie zwischen Reiter und Pferd eine wichtige Rolle spielt. Und den Pferden sieht man an, wie sehr sie es genießen, auf ganzer Länge Gas zu geben und sich zu strecken. Anna Schmidt-Pauly jedenfalls ist überzeugt davon und will dem Tentpegging genauso treu bleiben wie der Pfalz – auch wenn sie nach ihrer Prüfung zur Pferdewirtin beruflich ihren Standort ins Rheinland verlegen wird. Als Auszubildende bei Uta Gräf und Stefan Schneider hat sie verinnerlicht, dass Reiten auch den Pferden Spaß macht – wenn sie gefordert, aber auch gefördert werden. Mit Abwechslung, Geduld und Einfühlungsvermögen. Infos www.tentpegging.de

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