Rheinpfalz Anweiler: Initiative "Uridu" fördert die Bildung in Entwicklungsländern

Eine Familie aus dem Pygmäen-Volk der Aka im Norden des Kongo mit dem MP3-Player der Annweiler Entwicklungsorganisation „Uridu“.
Eine Familie aus dem Pygmäen-Volk der Aka im Norden des Kongo mit dem MP3-Player der Annweiler Entwicklungsorganisation »Uridu«. Die mobile Enzyklopädie soll die Lebenssituation der Indigenen verbessern helfen.

Die Initiative die Bildung von Frauen in Entwicklungsländern fördern. Projekte in Afrika und Paraguay könnten helfen, bedrohte Kulturen zu bewahren.

Wenn den Aka etwas sehr wichtig ist, dann singen sie. Wenn sie ein neues Lager einweihen. Wenn sie einen Jagderfolg feiern. Wenn sie Nachwuchs begrüßen. Und wenn sie Verstorbene beerdigen. „In ihrer Kultur, bei ihren Ritualen, überall ist Musik“, erzählt Marcel Heyne. Da lag es nahe, den halbnomadisch lebenden Angehörigen dieses zentralafrikanischen Pygmäen-Volkes Wissen über Hygiene, Gesundheitsvorsorge und Krankheitsursachen in Liedform zu vermitteln. So entstand etwa das „Durchfall-Lied“, das den Aka näherbringt, was gegen Diarrhoe zu tun ist. Wer es nicht selbst singen kann, kann es zumindest hören, überall im Regenwald: mittels solarbetriebenen MP3-Playern der Entwicklungsinitiative „Uridu“ (Arabisch für „ich will“) aus Annweiler-Gräfenhausen.

Start in 2015

An dieser Stelle muss man ausholen, zeitlich. Im Jahr 2015 starteten die Wahl-Pfälzer Felicitas und Marcel Heyne ihr Projekt, das die Lebensumstände von Frauen in Entwicklungsländern verbessern soll, indem es ihnen Wissen beispielsweise zu Gesundheit, Ernährung oder Existenzgründung vermittelt. Dies geschieht mithilfe von MP3-Playern und rund 400 Fragen-Antwort-Blöcken, die Muttersprachler zuvor aufgesprochen haben. Eine mobile Enzyklopädie von Alltagswissen, die mittlerweile von lokalen Hilfsorganisationen in Tansania, Uganda, Ruanda und im Kongo eingesetzt wird. Romain Duda, ein Anthropologe im Dienst der französischen Malteser, wurde auf das Konzept aufmerksam. Schien es ihm doch geeignet, einer Gruppe wie den Aka, die abgeschieden lebt und keine Schrift kennt, eine Handreichung zu geben, wie sich etwa die enorme Kindersterblichkeit eindämmen lässt. „Die Malteser haben drei Player getestet, jetzt wollen sie 80“, erzählt Marcel Heyne, der hofft, dass die Geräte dazu beitragen, die vom Verschwinden bedrohte Kultur der Aka zu erhalten. Deren Lebensraum schrumpft, Krankheiten und Armut fordern Opfer. „Es gibt vielleicht noch 30.000 Aka. Da könnte man schon fragen: Lohnt sich das? Aber letztlich ist es ein Menschenrecht, seine kulturelle Identität nicht aufgeben zu müssen“, sagt Heyne.

Idealer Kooperationspartner gefunden

In dieselbe Richtung zielt ein Projekt im Herzen Südamerikas. Dort, im Westen Paraguays, glauben Felicitas und Marcel Heyne den idealen Kooperationspartner gefunden zu haben. Ihre Wahl fiel auf die Fundación Moisés Bertoni, die größte Umweltorganisation des Landes. Diese verwaltet das Mbaracayú-Biosphärenreservat der Unesco, das den letzten Rest äußerst artenreichen Atlantischen Regenwaldes in Paraguay umfasst. Mittendrin: eine Schule, in der 15- bis 18-jährige Mädchen aus den indigenen Gemeinden der Mbya-Guarani und der Aché ein „umwelttechnisches Abitur“ ablegen, wie die Heynes berichten. Dieses Wissen sollen die Absolventinnen dann wieder in ihre Dörfer tragen in der Hoffnung, damit die lokalen Gemeinschaften zu stabilisieren – „anstatt dass die Mädchen mit 16 Jahren schwanger werden und damit als Trägerinnen des Fortschritts ausfallen“. Die jungen Frauen werden künftig neben ihren Fähigkeiten und Ideen auch die Annweilerer MP3-Player im Gepäck haben, samt Tipps zu neuen Anbaumethoden, zu Erwerbsquellen – und mit Informationen über die Rechte indigener Gemeinschaften, damit diese auch eingefordert werden können gegenüber Holzfällern, Wilderern und Farmern. Das eröffne der bitterarmen Bevölkerung des Biosphärenreservats an der Grenze zu Brasilien neue Perspektiven, ist Marcel Heyne überzeugt. Dementsprechend hat er die Kooperation auch Projekt „Brainforest“ getauft (die deutsche Übersetzung ist leider bar jeden Wortwitzes). „Toll wäre jetzt noch eine Schulpartnerschaft in die Pfalz“, sinniert er. So von Pfälzerwald zu Regenwald.

Ihr Konzept findet zunehmend Anklang: Felicitas und Marcel Heyne, „Uridu“-Gründer, in Annweiler-Gräfenhausen.
Ihr Konzept findet zunehmend Anklang: Felicitas und Marcel Heyne, »Uridu«-Gründer, in Annweiler-Gräfenhausen.
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