Sport Ahnenverehrung am Neujahrstag

Der Versuch, jeden Tag ein neues koreanisches Wort zu lernen, ist kläglich gescheitert, so viel steht schon fest. Und das liegt nicht nur am stressigen Zeitplan bei den Winterspielen, sondern vielmehr an der sehr schwierigen Sprache des Olympia-Gastgebers. Weil schon ein einfaches Hallo aus fünf Silben besteht, dauert es eben etwas, bis man sich Annyeonghaseyo zum einen überhaupt merken kann, zum anderen halbwegs richtig ausspricht. Aber die Chancen stehen nicht schlecht, dass auf einen Streich gleich vier neue Wörter dazukommen. Saehae Bok Manhi Badeuseyo hört man derzeit überall, wenn sich Koreaner begegnen. Es bedeutet so viel wie „gutes neues Jahr“. Nein, sie sind hier nicht eineinhalb Monate in Verzug. Nach dem chinesischen Mondkalender ist gestern koreanisches Neujahr gewesen. Das Neujahrsfest ist ein variabler Feiertag und fällt sowohl in Korea als auch in China immer auf den Neumond zwischen dem 20. Januar und 21. Februar. In dieser Woche schien ganz Korea auf Achse gewesen zu sein, denn traditionell verbringt man den wichtigsten kulturellen Feiertag des Jahres bei der Familie. Spätestens am Abend vor dem Neujahrsfest versammeln sich alle im herausgeputzten Haus. Das Verbrennen von Räucher- und Bambusstäbchen am Vorabend soll böse Geister vertreiben. Am Neujahrstag selbst steht die Ahnenverehrung, die Charye, im Mittelpunkt. Dazu werden Teller mit Speisen auf einen altarähnlich hergerichteten Tisch gestellt. In traditionellen Gewändern gekleidet verbeugen sich alle Familienmitglieder in Gedenken an die verstorbenen Angehörigen davor. Am Ende dieser Zeremonie wird üppig gegessen. Anschließend findet eine weitere Geste der Verehrung und des Respekts statt: die Verbeugung der jüngeren Familienmitglieder vor den Älteren, die wiederum an die Kinder, Enkelkinder, Nichten und Neffen kleine Geldpräsente als Teil des Rituals verteilen. Nichts mit dem Neujahrsfest zu tun haben allerdings die Weihnachtsbäume, die überall herumstehen. Auf der Plaza in Alpensia, in den Restaurants in Gangneung jenseits der Sicherheitsschleuse, auch in Seoul auf vielen Plätzen. Dazu gibt’s häufig glitzernde Dekoration und weihnachtliche Beleuchtung. Die freundliche Bedienung in der Kneipe gegenüber des kleinen Olympischen Dorfes unten bei den Eishallen lächelte nur auf die Frage, warum über der Tür zur Küche noch eine Merry-Christmas-Girlande hängt, fast zwei Monate nach dem Weihnachtsfest. Vier Koreaner, die sich die hervorragende gebratene und marinierte Ente am Nebentisch schmecken ließen, kicherten verlegen. Winterdekoration, sagte die junge Dame. „Bei uns steht Weihnachten für den Winter, die kalte Jahreszeit, und deshalb lassen wir die Bäume manchmal stehen, bis es Frühling wird.“ Olympia in fast weihnachtlicher Atmosphäre – das ist mal was Neues.

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