Rheinland-Pfalz „Quittung für Regierungshandeln“

MAINZ/ZWEIBRÜCKEN (kad/oy). Außergewöhnliche Ereignisse werfen die Abläufe im Landtag durcheinander. Deshalb begann die Sitzung gestern nicht mit der aktuellen Stunde, sondern mit einer Erklärung von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) zum Ende des Flughafens Zweibrücken. Wie Infrastrukturminister Roger Lewentz (SPD) am Vortag, sagte auch sie, sie sei von der entschiedenen Haltung des EU-Wettbewerbskommissars Joaquín Almunia, der das Aus für den Flughafen bedeute, überrascht worden.

Denn auf der Arbeitsebene sei zur gleichen Zeit signalisiert worden, dass die Kooperationsbemühungen mit dem Saarland auf einem guten Weg seien. „Das ist für uns total enttäuschend. Die Wut und die Frustration in der Region kann ich gut nachvollziehen“, sagte sie. Dreyer betonte, in welch engem Gespräch die Regierung seit 2012 mit der EU-Kommission sei: „Wir sind nicht einverstanden, wie man mit uns umgeht. “ CDU-Fraktionschefin Julia Klöckner drehte in der Aussprache zu Dreyers Erklärung den Spieß um: Der Tag sei traurig, aber nicht deshalb, weil in Brüssel etwas entschieden worden sei, sondern weil es die Quittung für Regierungshandeln gegeben habe. Es sei die zweite Insolvenz eines ehemaligen Leuchtturmprojekts der SPD-geführten Regierung, sagte Klöckner und erinnerte an die Nürburgring-Insolvenz 2012. Dreyers Rolle umschrieb die Oppositionschefin wenig schmeichelhaft: „Sie wollen als Feuerwehrmann gelobt werden für den Eimer Wasser, den Sie mitbringen. Dabei haben Sie das Feuer selbst gelegt.“ Die Beihilfen für den Flughafen seien nicht in Brüssel angemeldet worden. Deshalb sei es soweit gekommen. Dafür, dass die Regierung so überrascht gewesen sei, sei der am Mittwoch bereits der Presse, aber nicht dem Parlament bekannt gegebene Fahrplan von Dreyers Fahrt nach Zweibrücken am Freitag bis zur Demonstration am kommenden Montag in Zweibrücken sehr detailliert gewesen, sagte Klöckner. Sie warf der Regierung außerdem vor, schlecht mit dem Saarland verhandelt und der EU-Kommission einen Businessplan vorgelegt zu haben, der auf steigende Passagierzahlen setze. „Businesspläne beruhen auf Fakten, nicht auf Hoffnungen“, sagte Klöckner. Lewentz wies Klöckners Vorwürfe zurück. Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler sagte, inhaltlich sei das Ergebnis aus Brüssel nicht überraschend, der Zeitpunkt schon. Er bedauere, dass es keine gemeinsame Lösung mit dem Saarland gegeben habe. Köbler räumte ein, dass die Grünen keine Freunde von Flughäfen seien. Er betonte aber, das Wohl und Wehe der Region könne nicht von dem Flughafen abhängen, von dem in der Hochsaison zwei bis sechs Flieger am Tag abheben. Dass Dreyer nach dieser Debatte zügig in die Landtagslobby kam, um dort die Fragen von Journalisten nach den Abläufen in Brüssel zu beantworten, zeigt, wie wichtig ihr die Deutungshoheit in dieser Frage war – der CDU-Opposition blieb wenig Raum. Die Regierungschefin räumte ein, ab einem gewissen – nicht näher bestimmten – Zeitpunkt „eine Ahnung“ gehabt zu haben, dass die EU-Kommission wohl nicht einen Hauptstadtflughafen schließen werde. Ebenso wie sie bereits seit Wochen die Signale habe, dass es am Hahn weitergehen kann. „Wir wussten, Zweibrücken hat nur eine Chance, wenn Saarbrücken mit uns zusammenarbeitet“, sagte sie. Als die EU-Kommission im Februar auf ähnliche Weise das Aus eines polnischen Flughafens besiegelte, der dem in Danzig Konkurrenz machte, sei dies als Signal gewertet worden, dass es die EU-Kommission mit den Flugleitlinien ernst meine. Dass Almunia bei ihrem Gespräch am 14. Juli bereits seit drei Tagen eine mehr als 80-seitige Beschlussvorlage zu Zweibrücken fertig hatte, die der RHEINPFALZ und anderen Medien am Dienstag zugespielt wurde, habe sie nicht gewusst, sagte Dreyer. Bis jetzt habe die Landesregierung nichts Schriftliches zu Zweibrücken in der Hand. Im Zweibrücker Stadtrat beklagten gestern Abend Sprecher aller Fraktionen das Ende des Flughafens. Für Montag um 17.30 Uhr ist eine Demonstration in der Stadtmitte geplant. Die Stadt will die Brüsseler Entscheidung nicht hinnehmen, sondern Klage erheben, sobald der Bescheid vorliegt. Der OLG-Vizepräsident im Ruhestand und SPD-Stadtrat Wolfgang Ohler bezweifelte, dass eine im Frühjahr erlassene EU-Leitlinie bewirken kann, dass Zahlungen bis 20 Jahre zurück wieder erstattet werden müssen.

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