Sport Fernduell um die Meisterkrone

91-65598001.jpg

Kiel. Bjarte Myrhol war einer der letzten Spieler, die am Sonntagabend die Ostseehalle verließen. Der Gang des Kreisläufers von der Kabine in Richtung Mannschaftsbus war beschwerlich, denn die 60 emotionalen Handball-Minuten zuvor hatten die Energie aus dem Körper des Kreisläufers gesaugt. Beim 23:23 (10:11) der Rhein-Neckar-Löwen beim THW Kiel hatte er alles aus sich herausgeholt.

Mehr Intensität, mehr Leidenschaft, mehr Kampf – mehr Handball als im Gipfeltreffen der Bundesliga ist nicht denkbar. „Natürlich sind wir alle kaputt“, sagte Myrhol, der Vorzeigeprofi. Der Norweger ist auf dem Feld ein emotionaler Anführer seiner Mannschaft, außerhalb des Parketts ein eher ruhiger Zeitgenosse. Doch plötzlich brach es aus ihm heraus. Als das Gespräch beinahe zwangsläufig auf die Tabellenkonstellation und das Torverhältnis kam, das die Meisterschaft zum zweiten Mal hintereinander entscheiden könnte, wurde Myrhol auch ohne Trikot impulsiv. „Diese Regelung ist eine Schande für die Bundesliga“, zürnte er. Einen Versuch unternahm er noch, seine Emotionen zu zügeln („Eigentlich will ich gar nicht ans Torverhältnis denken“), doch es funktionierte nicht mehr. „Man hat vergangene Saison gesehen, was passiert, wenn das Torverhältnis entscheidet. Da wurden ein paar Mannschaften lächerlich gemacht“, sagte Myrhol, und sein Blick verriet das Unverständnis darüber, dass die Statuten so etwas ermöglichen. „Jetzt haben wir die Entscheidung in der Meisterschaft nicht mehr in der eigenen Hand, das tut weh“, bedauerte Uwe Gensheimer. Der Löwen-Kapitän hatte den Pfiffen in der Ostseehalle getrotzt, wurde bester Torschütze des Gipfels und konnte sich trotz einer imposanten Vorstellung nicht richtig freuen. „Das Gefühl ist merkwürdig, weil man einerseits stolz ist, andererseits das Resultat bitter sein kann“, erklärte der Linksaußen. Verärgert waren auch die Kieler, denn aus ihrer Sicht hatten sie den Matchball zur Meisterschaft leichtfertig ausgelassen. Trotz eines Vier-Tore-Vorsprungs reichte es in eigener Halle nicht zum Sieg. „Das wäre die Entscheidung gewesen“, sagte Aron Palmarsson. Der Spielmacher des THW grantelte wegen der verpassten Gelegenheit, konnte sich gleichzeitig aber auch an den vorangegangenen 60 Minuten erfreuen. „Das war echt ein super Spiel“, schwärmte der Isländer, dem außerdem die harte, aber faire Atmosphäre auf dem Spielfeld gefallen hatte. „Ich mag es, wenn es ein bisschen Schlägerei gibt“, erklärte Palmarsson und grinste. Ähnlich sah es auch Myrhol, der seinen Ärger über die Regularien in der Handball-Bundesliga schnell zur Seite schieben muss, denn schon heute geht der Meisterschaftskampf – von jetzt an im Fernduell – weiter. Die Löwen empfangen die MT Melsungen in der SAP-Arena (19 Uhr). „Das ist wie bei einer WM. Nach dem Reisetag gibt’s gleich ein Spiel. Das wird hart“, sagte Myrhol. Härter als die 60 Minuten in der Kieler Ostseehalle kann es aber nicht werden.

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x