Sport „Auch mal die Böse sein“

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Interview: Verena Dietrich (32) ist seit eineinhalb Jahren Geschäftsführerin beim Handball-Zweitligisten TSG Friesenheim. Jennifer Kettemann (34) hat diesen Job im Juni bei den Rhein-Neckar-Löwen übernommen. Wie kommen die beiden zurecht?

Frau Kettemann, Frau Dietrich, fühlen Sie sich in Ihrem Job etabliert?

Jennifer Kettemann: Auf jeden Fall. Für mich war es sehr wichtig, dass ich bereits in der Schlussphase der vergangenen Saison gemeinsam mit Lars Lamadé die Geschäftsführung inne hatte und so diese Saison nicht bei null gestartet bin. Verena Dietrich: Ich bin ja schon länger im Einsatz (lacht). Bei einem Handball-Bundesligisten zu arbeiten, das ist ja eine Männerdomäne. Wie kommen Sie zurecht? Dietrich: Zu Beginn meiner Geschäftsführer-Tätigkeit war ich noch die einzige Frau, doch mittlerweile ist es ja gar nicht mehr so. Es sind immer mehr Frauen dabei, auch bei Liga-Tagungen. Kettemann: In der Bundesliga bin ich wirklich die einzige Frau, was für mich aber überhaupt kein Problem ist. Auch bei SAP gab es viele Meetings, bei denen ich die einzige Frau war. Das ist nichts Neues. Vor dem Spiel gegen die TSV Hannover-Burgdorf habe ich gesehen, dass Sie mit deren Manager gesprochen haben, mit Benjamin Chatton ... Kettemann: Natürlich, man spricht mit allen Geschäftsführern, die man trifft. Im Gespräch mit Benjamin Chatton ging es um die Neuregelung der TV-Rechte für die kommende Saison. Da ist es interessant, auch mal eine andere Meinung und die Probleme von anderen Klubs zu hören. Sie teilen sich die Arbeit bei den Löwen mit der Arbeit bei der SAP. Wie sieht es da aktuell aus? Kettemann: Genau, seit 1. Dezember arbeite ich zu 75 Prozent ausschließlich für die Löwen. 50:50 war machbar, ich habe mir aber gewünscht, mich voll auf die Löwen konzentrieren zu können. Es war in den letzten Monaten eher so, dass ich nicht genügend Zeit hatte für die Aufgaben bei der SAP. Wie sieht es bei Ihnen aus, Frau Dietrich? Dietrich: Ich bin Vollzeit da, ich habe aber nicht so viele Mitstreiter auf der Geschäftsstelle. Ich habe noch eine Mitarbeiterin, Lisa Heßler, die eine 80-Prozent-Stelle hat. Es gab auch skeptische Stimmen, Frau Kettemann, als Sie vorgestellt wurden. Wie sind Sie damit umgegangen? Kettemann: Ich habe das schon registriert, man muss da ruhig bleiben – und einfach beweisen, dass man es kann. Und die Zusammenarbeit mit Sportchef Oliver Roggisch und Trainer Nikolaj Jacobsen klappt sehr gut. Die Aufgabenteilung ist klar, ich war von Anfang an ehrlich und habe betont, ich könnte Ihnen nicht sagen, wer das neue große Talent in Skandinavien ist. Aber dafür habe ich ja meine Leute. Der Rest der Aufgaben passt gut zu meinen Stärken. Das ist zum Beispiel die Zusammenarbeit mit den Sponsoren, die Finanzen, das Marketing. Wer ist Ihre Vertrauensperson bei der TSG, Frau Dietrich? Dietrich: Das ist Benjamin Matschke, unser Trainer, er kennt sich gut aus in der Region, er ist sehr gut vernetzt. Auch unseren Sportlichen Leiter Carsten Hoffmann frage ich gern um Rat. Werner Fischer hat den Job 20 Jahre gemacht, wie schwer war es, in seine Fußstapfen zu treten? Wie schwer war es, nach ihm zu kommen? Dietrich: Es war schon sehr, sehr schwer, würde ich sagen. Er war immer die einzige Ansprechperson, wir hatten leider nur eine sehr kurze Übergangsphase, er ist gegangen, ich bin gekommen, ich musste bei null anfangen, musste mir alles aufbauen. Vier Wochen später hat die Saison angefangen, das war nicht einfach. Ist es ein Vorteil, wenn man einen Bruder hat, der in der Mannschaft spielt? Dietrich: Das spielt keine Rolle. Wenn es irgendwo brennt, erfahre ich das vom Trainer oder vom Sportlichen Leiter oder von den betroffenen Spielern. Wie schwer ist es als Frau, einem Spieler zu sagen: Tut uns leid, dein Vertrag wird nicht verlängert – oder: Tut uns leid, wir können nicht 500 Euro mehr zahlen? Kettemann: Vielleicht ist es leichter als für einen Mann (lacht). Das ist ja nie eine angenehme Situation. Ich finde, manche Dinge kann mal als Frau schon mal nett, frech oder charmant verpacken, dann hilft es vielleicht in der jeweiligen Situation auch. Wenn eine Frau am Tisch sitzt, herrscht oft eine andere Atmosphäre. Am Ende ist aber auch klar, meine Entscheidung zählt, und ich habe stets die Finanzen im Blick, weshalb man in der einen oder anderen Diskussion schon auch mal die Böse sein muss. Dietrich: Man steht an der Spitze, man trifft die Entscheidungen, die man zu verantworten hat. Wie sehen Sie ihre Klubs aufgestellt? Kettemann: Ich finde, das wir stabil aufgestellt sind, auch wenn wir nicht in Geld schwimmen. Das alles ist sehr solide aufgestellt. Es geht alles in die richtige Richtung. Dietrich: Wir sind auch sehr solide aufgestellt. Wir wirtschaften in dem Bereich, in dem wir können. Bei uns im Umfeld ist der Anspruch ein anderer, nach der sehr guten letzten Saison hat man in der Tabelle schon wieder nach oben geschaut. Vor kurzem hatten wir unsere Schwächephase, aber wir klopfen wieder oben an. Wir müssen uns um das Team besser aufstellen, wir müssen die Weichen im Umfeld stellen. Wir haben da enormen Aufholbedarf Tauschen Sie beide sich eigentlich aus? Kettemann: Ja. Wenn mal was anliegt, telefonieren wir. Dietrich: Auf der Liga-Tagung treffen wir uns ja auch. Mussten Sie sich eigentlich auch schon mal den einen oder anderen Macho-Spruch anhören? Kettemann: Bei mir war das nicht der Fall. Die Männer wissen schon, wie man sich benimmt! Die Kabine ist tabu, das hatten Sie schon mal betont, nicht wahr? Kettemann: Eigentlich gehe ich nicht in die Kabine, weil das auch überhaupt nicht notwendig ist. Aber wenn, dann schicke ich Olli Roggisch vor, er schaut, dass die Spieler was an haben. Die Meisterschaft war so ein Anlass. Oder bei dem wichtigen Spiel in Wetzlar in der vergangenen Saison. Dietrich: Ich war zweimal als Betreuerin mit dabei, aber nur bei der Vorbesprechung, es gibt für mich keinen Grund, in die Kabine zu gehen. Wie lauten Ihre Wünsche für die nahe Zukunft? Dietrich: Ich wünsche mir verletzungsfreie Spieler. Wir hatten da echt ein bisschen zu kämpfen in letzter Zeit. Wir hatten zwei Kreuzbandrisse auch von jungen Spielern, Dominik Claus und Pascal Kirchenbauer. Wir hatten viele Krankheiten. Das zehrte. Kettemann: Ja, das kann ich nur bestätigen. Ich war schon erschrocken, als sich Andy Schmid in der Partie gegen Lemgo zu Beginn kurz die Hand hielt und raus musste. Eine verletzungsfreie Rückrunde und etwas Erholung für die Mannschaft, das wünsche ich mir.

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