Panorama Germanwings-Absturz: Die Zweifel des Vaters

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Berlin. Am zweiten Jahrestag der Germanwings-Katastrophe hat der Vater des Todespiloten Andreas Lubitz mit Hilfe eines Gutachters das einhellige Ergebnis der Ermittlungsbehörden scharf kritisiert. Hinterbliebene der Opfer reagierten verärgert, die Fachwelt wies die Vorwürfe zurück.

Es sei nicht zweifelsfrei erwiesen, dass der Copilot allein verantwortlich für den Absturz mit 150 Toten sei. „Wir sind auf der Suche nach der Wahrheit“, sagte Günter Lubitz gestern bei einer Pressekonferenz in Berlin. „Unser Sohn war zum Zeitpunkt des Absturzes nicht depressiv“, betonte er. Dies hatten die Ermittler in ihrem Abschlussbericht zum Unglück auch nicht behauptet. Allerdings gingen sie von psychischen Problemen des 27-Jährigen aus. Flugunfallexperte Tim van Beveren hatte sich im Auftrag der Familie Lubitz mit dem Fall befasst. Er zählte gestern eine Reihe von Details auf, mit denen er Vorgehen und Rückschlüsse der offiziellen Ermittler infrage zog. Angehörige der 149 anderen Menschen an Bord hatten vor der Erklärung den Zeitpunkt als „unverantwortlich“ und „geschmacklos“ kritisiert. Der Schulleiter Ulrich Wessel aus dem westfälischen Haltern, wo gestern eine Gedenkfeier für die Halterner Opfer – 16 Schüler und zwei Lehrerinnen – stattfand, nannte dies eine „Provokation, ein Affront gegenüber den Eltern“. Dem Abschlussbericht der Behörden zufolge brachte der Copilot am 24. März 2015 den Airbus A320 auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf absichtlich zum Absturz in Südfrankreich. Alle 150 Menschen an Bord starben. Zuvor hatte er demnach den Flugkapitän aus dem Cockpit ausgesperrt. Die Bundesregierung hält an diesen Erkenntnissen weiterhin fest: „Es gibt für uns keinen Anlass, an der Art und den Ergebnissen der Unfalluntersuchungsbehörde zu zweifeln“, teilte das Verkehrsministerium mit. Die französische Flugunfall-Untersuchungsbehörde BEA bleibt ebenfalls bei ihrer Einschätzung, dass der Copilot zum Zeitpunkt der Katastrophe im Cockpit war. Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft hatte schon am Donnerstag die bereits bekannt gewordenen Vorwürfe von Lubitz zurückgewiesen. Auch die Pilotenvereinigung Cockpit (VC) zeigte sich unbeeindruckt. Der Flugexperte van Beveren hingegen sprach von Vorverurteilung und Spuren, die nicht verfolgt worden seien. Es sei anfangs nicht klar erwiesen gewesen, wer zum Zeitpunkt des Absturzes im Cockpit gesessen habe. Möglicherweise habe es am Jet Probleme mit der Cockpit-Verriegelung gegeben, behauptete er. Man wisse nicht, was sich vor zwei Jahren abgespielt hat, sagte van Beveren. Die Ermittler hätten sich indes schon nach 48 Stunden auf eine Absturzursache festgelegt. „Etwas Vergleichbares habe ich in den vergangenen 25 Jahren nicht erlebt.“ Er verwies außerdem auf Turbulenzen, die es am 24. März 2015 über dem Absturzgebiet gegeben habe. Solche Luftlöcher seien sehr gefährlich. Etliche andere Piloten hätten deswegen am Absturztag niedrigere Flughöhen gewählt. Lubitz rechtfertigte den Zeitpunkt der Pressekonferenz auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Unglück. Die Reaktionen wären die gleichen gewesen, „egal welchen Tag wir gewählt hätten“. Der Familie sei es darum gegangen, Gehör zu bekommen. Sie sieht sich in einer speziellen Trauersituation. „Wir müssen damit leben, dass wir nicht nur unseren Sohn und Bruder verloren haben.“ Die Familie müsse damit leben, dass ihr Sohn schon zwei Tage nach dem Absturz als Verantwortlicher galt und bis heute als „depressiver Massenmörder“ dargestellt werde. Am Unglücksort in den französischen Alpen wurde eine Skulptur zum Gedenken an die Opfer enthüllt. Der Chef des Germanwings-Mutterkonzerns Lufthansa, Carsten Spohr, übergab das Werk „Sonnenkugel“ des deutschen Künstlers Jürgen Batscheider in einer nicht öffentlichen Feier an die Angehörigen.|dpa

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