Rheinpfalz Wirtschaftswandern: Rheinuferweg mit Blick auf Industriehistorie

Die historische Fassade der Mühle ist erhalten geblieben.
Die historische Fassade der Mühle ist erhalten geblieben.

«Ludwigshafen.»Wandern auf den Spuren der regionalen Wirtschaft: Die heutige Tour der Serie Wirtschaftswandern führt auf Mannheimer Seite am Rhein entlang. Dabei blicken wir auf die Silhouette Ludwigshafens und gleichzeitig zurück auf wichtige Stationen in der Industriegeschichte dieser mit 158 Jahren recht jungen Stadt.

Wir beginnen die Tour am Fuß der Konrad-Adenauer-Brücke, der ältesten der drei heutigen Rheinquerungen zwischen Ludwigshafen und Mannheim. Der Weg führt am S-Bahnhof-Halt Mitte und der Walzmühle vorbei. Am Brückenende in einer leichten Rechtskurve führt eine Treppe hinab, es ist er dritte Abgang vom Fußgänger- und Radweg. Die erste Brücke an dieser Stelle wurde 1662 als fliegende Brücke, eine Drahtseilfähre, eingerichtet – von der Festung Mannheim zum linksrheinischen Vorwerk, der 1606 erbauten Rheinschanze. Die Anlage, die als Schutz der Rheinquerung diente, wurde in Kriegen mehrfach zerstört und zuletzt 1814 aufgebaut. Zwei Jahre später, nachdem im zweiten Pariser Frieden die Grenzen der heutigen Pfalz festgelegt worden waren, fiel sie ans Königreich Bayern. Mit großen Folgen: ein entstand ein blühender Handelsplatz mit Zollamt – Initialzündung für den Aufbau einer Gemeinde und die Ansiedlung von Industrie. Am Ende der Treppe gehen wir nach rechts und folgen in einem scheinbaren Gewirr von Auf- und Abfahrtswegen sowie Bahngleisen den Schildern Jugendherberge und nach zwei Tunnels und drei Unterführungen dem Hinweis Rheinpromenade. Am Fluss schauen wir auf die Stelle, an der die Keimzelle Ludwigshafens lag: die Rheinschanze. 1820 ersteigerte der Speyerer Kaufmann Johann Heinrich Scharpff ein großes Gelände aus Privatbesitz im Innern der Rheinschanze und legte einen Landungsplatz mit Kran für die Güterverladung an. Er und später sein Schwiegersohn Philipp Markus Lichtenberger schufen einen erfolgreichen Handelsplatz – Waren wurden mit der eigenen Segelschifflinie via Rotterdam bis nach Übersee exportiert. Die bayerische Regierung unterstützte den Aufschwung, in dem sie – gegen erbitterten Widerstand umliegender Städte – die Rheinschanze zum Landungs- und Ladeplatz erklärte. Zu dieser Zeit war Ludwigshafen dem Nachbarn Mannheim überlegen, dessen Hafen noch am Neckar lag und schwer zu erreichen war. Doch 1828 wendete sich das Blatt. Mannheim war nun Freihafen – es wurden weder Zölle noch Steuern fällig – und es gab viele Händler mit guten Geschäftsbeziehungen – im Gegensatz zum Monopolbetrieb auf der linken Rheinseite. Als 1842 auch die Rheinschanze Freihafen wurde, hatte der Handelsplatz seine Blütezeit bereits hinter sich. Heinrich Wilhelm Lichtenberger, mit weniger Geschick als sein Vater gesegnet, hatte schwer zu kämpfen und musste den Besitz 1842 wegen der Erbteilung nach Scharpffs Tod verkaufen – an Bayern. Seither ist der Hafen in staatlichem Besitz (heute Land Rheinland-Pfalz 90 Prozent, Stadt Ludwigshafen 10 Prozent). Ein Jahr später erlaubte König Ludwig I., der eine Weile in Oggersheim gelebt hatte, der Ansiedlung seinen Namen zu geben. 1853 wurde die junge Kommune selbstständig und erhielt 1859 Stadtrechte. Am Gasthaus Rheinterrassen, dem Ruderclub und der Jugendherberge vorbei führt der Weg weiter parallel zum Ufer, nach kurzer Zeit ist die Parkinsel zu sehen und die Zelte des Deutschen Filmfestivals, das bis 17. September dort lief. Der Weg führt nun zur Straße Stephanienufer und kurzzeitig weg vom Rhein. Die Promenade geht nun in den historischen Lehrpfad Lindenhof über, der Teil des Rheinauenwegs ist. Als Hoffnungsprojekt mit vollmundigen Versprechen von Investor und Stadt startete 1999 das Walzmühl-Einkaufszentrum mit Großkino. Doch heute ist kaum noch nennenswerter Handel übrig. Allein das Kino zieht noch viele Besucher an. Die Geschichte der Walzmühle beginnt 1886. Dampfmaschinen, neue Produktionstechniken sowie die preiswerten Lebensmitteltransporte auf dem von Johann Tulla begradigten Rhein waren die Voraussetzungen für Müllerei-Großbetriebe, wie die Walzmühle. Ihren Namen verdankt sie der damals neuen Herstellungsmethode: Getreide wurde nicht mehr gemahlen, sondern gewalzt. Die Mühle wuchs rasch. Mannheim war zu diesem Zeitpunkt das Zentrum des süddeutschen Getreidehandels und entwickelte sich, wie in der Chronik der Stadt zu lesen, zusammen mit Ludwigshafen zum „größten Mühlenplatz des Kontinents“. Ein Brand zerstörte 1905 die Mühle, die ein Jahr später – diesmal feuersicher – aufgebaut war. Die Route führt in den Waldpark und dann parallel zum Altrheinarm Bellenkrappen. Ruhig ist es hier. Allein das leise Tuckern von Schiffsdieseln in der Ferne erinnert daran, das sich in der Nähe eine der meistbefahren Wasserstraßen des Landes befindet. Bald erreichen wir den Strandbadweg und die Kuckucksinsel. An einem Gatter beginnt der Carl-Reiß-Weg, die einzige Möglichkeit, zum Naturschutzgebiet Reißinsel zu gelangen, das von März bis Juni gesperrt ist, um den Vögeln eine ungestörte Brut zu ermöglichen. Ein Abstecher lohnt in jedem Fall. Wir laufen durch Wiesenlandschaften und Ostbaum-Alleen. Kein Schornstein, kein Kran, kein Hochhaus zu sehen. Die beiden Städte scheinen weit weg zu sein. Mühlen-Überkapazitäten setzten die Walzmühle ab 1950 unter Druck. Luft verschaffte sich das Unternehmen durch die Vermietung von etwa zwei Dritteln des Firmengeländes an den Tierfuttermittel-Hersteller Plange. Die Namen der Produkte – ruff, bless, putt, zierten in großen weißen Lettern, weithin sichtbar die Fabrik-Fassade. Der Plange-Konkurs 1985 besiegelte das Aus für die Walzmühle, zehn Jahre später begann der Abriss – die große Jugendstilfassade aber blieb erhalten, genauso die Direktorenvilla, die heute die Stiftung Ernst-Bloch-Zentrum und das Archiv mit Werken des gebürtigen Ludwigshafener Philosophen beheimatet. Wir gehen den Reiß-Weg zurück und folgen am Gatter nach rechts dem Strandbadweg durch dichten Wald. Über viele Jahre Arbeitsplatz-Garant war Halberg Maschinenbau. Die Geschichte des Pumpenherstellers in Ludwigshafen reicht ins Jahr 1881 zurück – Wilhelm I. war seit zehn Jahren Kaiser und Märchenkönig Ludwig II., Enkel des Namensgebers der Stadt, noch am Leben. Mit 25 Mitarbeitern eröffnete die Gebrüder Sulzer oHG aus dem schweizerischen Winterthur in Rheinnähe eine Fabrik, deren Entwicklung in den ersten Jahrzehnten nur eine Richtung kannte: nach oben. Um die rasch steigende Nachfrage nach Dampfmaschinen- und Kreiselpumpen befriedigen zu können, brauchte es immer mehr Arbeiter: 1905 waren es 1420, 1928 gar 2515. Diese Größenordnung sollte Halberg jedoch nie wieder erreichen. Die Schweizer, die 1886 bereits 20.000 Quadratmeter an den Frankenthaler Mühlen- und Mälzereibetrieb Kaufmann veräußerten, der dort die Walzmühle baute, ziehen sich mit Ausbruch den Zweiten Weltkriegs aus Ludwigshafen zurück. Sie verkaufen die Maschinenbaufirma 1939 an die Halbergerhütte GmbH im saarländischen Brebach. Die ändert den Namen in „Halberg Maschinenbau und Gießerei”. Getrennt wurden beide Bereiche 1971, als die Firma Siemen & Hinsch die Maschinenbauabteilung übernahm. Doch die Geschäfte liefen immer schlechter. Mit immer neuen Restrukturierungen und harten Einschnitten bei den Arbeitsplätzen versuchten in den 1980-er und 1990er-Jahren mehrere Geschäftsführer vergebens die Kehrtwende. Mehrmals stand Halberg vorm Aus, weil die Muttergesellschaft, die im Privatbesitz befindliche Thyssen-Bornemiza-Gruppe nicht mehr an dauerhaft rentable Geschäfte glaubte. Das Ende kam jedoch erst mit dem Verkauf 2015 an den US-Konzern Flowserve. Wenige Monate nach Übernahme kündigten die Texaner an, das Werk mit über 100-jähriger Geschichte zu schließen und die 250 Mitarbeiter zu entlassen. Der Weg endet am Parkplatz und der Bus-Haltestelle Strandbad. Die Buslinie 49 bringt uns zur Rheingoldhalle. Wegen der Bauarbeiten auf den Planken wechseln wir an der Haltestelle Universität von der Linie 3 zur 4, die zum Berliner Platz fährt, den Ausgangspunkt unserer kleinen Wanderung.

Mit viel Steuermitteln unterstützt, wurde 2012 das neue Bürogebäude von Halberg fertiggestellt.
Mit viel Steuermitteln unterstützt, wurde 2012 das neue Bürogebäude von Halberg fertiggestellt.
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