Wirtschaft Orkantief stresst das Stromnetz

Wenn zu viel Windstrom produziert wird, müssen Notmaßnahmen ergriffen werden. Die Kosten dafür tragen die Verbraucher. Im windre
Wenn zu viel Windstrom produziert wird, müssen Notmaßnahmen ergriffen werden. Die Kosten dafür tragen die Verbraucher. Im windreichen Jahr 2015 waren das 1,1 Milliarden Euro, 2016 etwas weniger.

«Bonn». Das Orkantief „Sebastian“ hat dem Stromnetz sehr Windstrom beschert. An solchen Tagen zeigen sich die Grenzen eines Systems im Umbau von konventioneller zu erneuerbarer Energie.

Die Folgen: abgeregelte Windparks, hohe Stromexporte und Doppelschichten in den Stromnetzzentralen. Das Orkantief „Sebastian“ hat das deutsche Netz mit Windstrom überflutet und die Netzbetreiber unter Druck gesetzt. Am Mittwoch beispielsweise in der Zeit zwischen 11 und 12 Uhr speisten die Windparks vor allem in Nord- und Ostdeutschland sowie in der Nordsee zusammen über 37.800 Megawattstunden Strom in die Netze ein – mehr als die Hälfte des gesamten Verbrauchs und knapp an einem neuen Rekord vorbei. Solche Tage zeigen die Grenzen eines Stromnetzes im Umbau auf: Die umweltfreundliche Stromproduktion aus Wind und Sonne schwankt stark mit Wetter und Tageszeit, lässt sich aber bisher schlecht speichern. Deshalb werden Gas und Kohle vorerst weiter gebraucht. Deutschland produziert also parallel mit zwei Systemen – und damit am Mittwoch deutlich mehr als eigentlich gebraucht wurde. Zudem fällt der Windstrom überwiegend im Norden an, hohe Nachfrage herrscht dagegen im Süden – dazwischen fehlen weiter Leitungen. Wie viel Strom wurde am Mittwoch über den Bedarf hinaus produziert? Um 12 Uhr mittags waren es gut 5500 Megawatt zu viel – bei knapp 72.000 Megawatt Verbrauch. Das Überangebot setzte auch die Stromhändler unter Druck. Die Preise stürzten von normalerweise um die 30 Euro pro Megawattstunde auf nicht mehr kostendeckende knapp 11 Euro ab. Zugleich exportierte Deutschland kräftig Strom in die Nachbarländer. Was tun die Stromnetzverantwortlichen an solchen Tagen? Sie müssen vor allem dafür sorgen, dass das Leitungsnetz dem Druck standhält. Dafür weisen sie konventionelle Kraftwerke im Norden an, vom Netz zu gehen. Gleichzeitig werden in Reserve gehaltene Kraftwerke im Süden Deutschlands hochgefahren, um dort die Versorgung zu sichern. Und wenn das nicht reicht, müssen Windkraftanlagen zur Sicherung der Netze gedrosselt oder ganz abgeschaltet werden – was am Mittwoch nach Angaben der Netzbetreiber Tennet und 50Hertz auch passierte. Wer bezahlt das? Die Kosten für solche Noteingriffe tragen die Verbraucher über die Netzentgelte in ihrer Stromrechnung. Im windreichen Jahr 2015 waren das etwa 1,1 Milliarden Euro, 2016 etwas weniger. In den kommenden Jahren könnte die Summe noch deutlich steigen, warnt die Bundesnetzagentur. Was hilft dagegen? Aus Sicht der Netzbetreiber vor allem ein schneller und wirkungsvoller Ausbau der großen Stromleitungen in Nord-Süd-Richtung. Dabei gibt es nach langen Anlaufschwierigkeiten Fortschritte. Gestern etwa sollte nach mehr als zehn Jahren Planung und Bau die sogenannte Thüringer Strombrücke in Betrieb genommen werden. Die Höchstspannungsleitung von Sachsen-Anhalt über Thüringen nach Bayern soll Strom von Norddeutschland in den Süden bringen, um vor allem den Windstrom aus dem Nordosten besser anzubinden. Auch künftig brauche es weitere Fortschritte beim Netzausbau, der zentrales Element der Energiewende sei, sagte Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD). Aber das kostet doch auch wieder Milliarden? Auf 50 Milliarden Euro wird der Investitionsbedarf für den Netzausbau zur Energiewende geschätzt. Das ist nicht gerade wenig, aber wenn das Geld einmal ausgegeben ist, würden die regelmäßigen Kosten für Noteingriffe zur Netzstabilisierung wegfallen, argumentiert die Bundesnetzagentur. Wenn man nichts täte, würden die Netzkosten mit dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien noch weiter drastisch steigen.

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