Frankenthal Warnung vor „Ende des Standorts“

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Die Rationalisierungspläne des Siemens-Konzerns könnten mittelfristig zum „Ende des Standorts Frankenthal“ führen. Das befürchtet der Betriebsrat, der sich mit einem offenen Brief an Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) gewandt hat. „Spekulationen“ könne man nicht bestätigen, sagt das Unternehmen. Kritik kommt aus der Politik.

Am Mittwochnachmittag waren die Mitarbeiter der Siemens Turbomachinery Equipment (STE) GmbH in einer kurzfristig angesetzten Betriebsversammlung über Pläne zum Personalabbau informiert worden (wir berichteten gestern). Der Frankenthaler Betriebsrat wandte sich anschließend mit einem offenen Brief an Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Der Betriebsrat zitiert darin Aussagen eines Konzernsprechers in der Versammlung, „dass eins unserer beiden Produkte, die Dampfturbine, an einen anderen Siemens-Standort (Brno in Tschechien) verlagert werden soll“. Das bedeute einen Stellenabbau für über 200 Mitarbeiter. „Darüber hinaus“, so der Betriebsrat, „soll der verbleibende Verdichterbereich auf eine profitable Größe reduziert werden, um ihn anschließend zu verkaufen. Wir befürchten, dass dies letztendlich das Ende des Standorts Frankenthal bedeutet.“ STE habe in den zurückliegenden zehn Jahren „jeweils eine Umsatzrendite von mehr als zehn Prozent erwirtschaftet“, halten die Vertreter der „rund 600 Mitarbeiter einschließlich 50 Azubis“ fest. Nach der Übernahme des großen Turbinenherstellers Dresser Rand durch Siemens solle der Frankenthaler Betrieb nun „zerschlagen und in der Logik eines Großkonzerns dem Margenwahn geopfert werden“. Die Menschen, die das Unternehmen zu dem gemacht hätten, was es heute sei, spielten dabei keine Rolle: „Die Existenzen unserer Mitarbeiter und deren Familien werden auf einen Schlag zerstört und haben keine gesicherte Zukunft mehr.“ Das „nicht durchdachte Konzept“ des Siemens-Vorstands müsse vom Tisch, fordern die Vertreter der Mitarbeiter. Ein Gegenkonzept mit dem Ziel, die Arbeitsplätze in Frankenthal langfristig zu erhalten, wolle man gemeinsam mit der Technologieberatungsstelle Rheinland-Pfalz (TBS) und der IG Metall erarbeiten. Der Siemens-Konzern hielt sich gestern auf Anfrage bedeckt. Zum Thema Personalabbau in Frankenthal könne man derzeit nichts Konkretes sagen, erklärte die für Rheinland-Pfalz zuständige Unternehmenssprecherin Evelyn Necker (Karlsruhe). „Wir gehen ja jetzt erst in Gespräche mit den Belegschaftsvertretern.“ Siemens Frankenthal ist nach Darstellung des Unternehmens spezialisiert auf den Bau kleinerer Dampfturbinen mit Leistungen bis zwölf Megawatt (MW). In Brünn (Brno) in Tschechien arbeitet die Siemens Industrial Turbomachinery SRO; sie liefert schwere Dampfturbinen mit Leistungen bis 150 MW. Zu vom Betriebsrat zitierten Informationen über die geplante Verlagerung der Frankenthaler Turbinen-Produktion nach Osten sagte Siemens-Sprecherin Necker gestern lediglich: „Das kann ich nicht bestätigen.“ Und Aussagen über einen geplanten Verkauf der Verdichter-Sparte seien „Spekulationen – das können wir nicht bestätigen“. Im Mai hatte Siemens-Vorstandschef Joe Kaeser angekündigt, weltweit 4500 weitere Jobs abbauen zu wollen, davon etwa 1700 in der Sparte Power and Gas (PG), zu der STE Frankenthal gehört. Ende September hatten Konzern und Gesamtbetriebsrat in Deutschland sich dann geeinigt, dass bei PG nicht 1700, sondern 1100 Stellen wegfallen sollen. Siemens-Sprecherin Necker verwies gestern auf diese Einigung; sie bilde den Hintergrund der jetzt anstehenden Gespräche in Frankenthal. Hilmar Feisthammel, Vorsitzender des STE-Betriebsrats, widersprach dem entschieden. Diesen Zusammenhang gebe es nicht: „Wir waren nicht eingebunden.“ Oberbürgermeister Theo Wieder (CDU) hat die Siemens-Pläne zum Personalabbau gestern Abend scharf kritisiert. Diese Entscheidung trete „die Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Aufbau und Gestaltung des Unternehmens in Frankenthal mit Füßen und ignoriert völlig die Folgen für Menschen und Stadt“, teilte er mit. Er werde die Konzernführung auffordern, diese Entscheidung zu überdenken. Wieder: „Eine Verlagerung des erfolgreichen Produktionsbetriebs nach Tschechien ist nicht nur nicht nachvollziehbar, sondern in dieser Form ein ziemlicher Skandal.“ Wer in diesem Zusammenhang von Kostensenkungen spreche, zeichne ein unvollständiges Bild. Denn „Einsparungen beim Unternehmen stehen mit hoher Wahrscheinlichkeit hohe Kosten für Sozialpläne, Umschulungen und Sozialleistungen sowie schwerwiegende Eingriffe in die Lebensverhältnisse von über 200 Menschen gegenüber“. Er lehne diese Vorgehensweise ab, unterstrich Wieder. „Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, die Unternehmensführung zu einem Umdenken zu bewegen“, versicherte der OB. „Ich unterstütze auch den Betriebsrat bei seinen Bemühungen um den Erhalt der Arbeitsplätze. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens dürfen davon ausgehen, dass der Oberbürgermeister der Stadt Frankenthal auf ihrer Seite steht.“ Auch die Landtagsabgeordneten Christian Baldauf (CDU) und Martin Haller (SPD) kritisierten die Siemens-Pläne gestern. Er sei „entsetzt“, dass ein profitables Unternehmen sich so verhalte, teilte Baldauf mit. Er habe mit Geschäftsführung und Betriebsrat Kontakt aufgenommen und wolle sich für den Erhalt der Arbeitsplätze einsetzen. Auch Sozialdemokrat Martin Haller will sich „unterstützend einbringen“ und Gespräche führen. Er setze auf den „Zusammenhalt aller politisch Verantwortlichen“. Siemens sei nicht nur für Frankenthal, sondern für die ganze Region wichtig.

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