Rheinpfalz Vor Sonnenuntergang

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Weiß eigentlich noch jemand, was Torsten Albig gesagt hat? Der SPD-Ministerpräsident von Schleswig-Holstein empfahl seiner Partei, 2017 auf einen Kanzlerkandidaten zu verzichten. Gegen Angela Merkel habe ja doch niemand eine Chance. Viele nickten. Gerade mal ein gutes Jahr ist Albigs Empfehlung an seine Partei jetzt her. So ändern sich die Zeiten. Angela Merkel war lange auch deshalb die deutsche Sonnenkönigin, weil sie am laufenden Band Wahlen gewann. So etwas liebt die Union seit Konrad Adenauer. Dafür duckte sich die Partei der von ihr weggebissenen Alphamännchen gerne unter das Joch von Kohls früherem Mädchen aus dem Osten. Aber den Sex-Appeal der Siegerin hat Merkel verloren, nicht erst seit Mecklenburg-Vorpommern. In Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt haben die Wähler die Union abgestraft, was nicht allein an den Klöckners, Wolfs und Haseloffs lag. Nichts spricht für eine Trendumkehr kommenden Sonntag in Berlin. Die Sonne strahlt nicht mehr. Natürlich hat die als mächtigste Frau Europas apostrophierte Politikerin keinen Putsch der Hinterbänkler zu befürchten, und niemand in der Union sagt offen „Merkel muss weg“ – nicht mal Horst Seehofer. Dass aber der Fluch ewigen Verlierens wie ein Mühlstein am Hals hängt und an der Zuversicht der Gefolgschaft nagt, das haben viele Patriarchen der Republik am eigenen Leib erfahren müssen. Männer wie Helmut Schmidt und Helmut Kohl waren am Ende hilflos wie Kinder gegenüber der Erosion der Macht. Und Merkels Amtsvorgänger Gerhard Schröder war von den vielen Niederlagen in der Provinz so genervt, dass er wie ein Spieler im Kasino nach Neuwahlen verlangte, damit sich das Blatt endlich wende. Er verlor die Wahl. Angela Merkel ist reflektierter und nicht so heißblütig wie Schröder. Sie pokert nicht, sondern setzt darauf, dass ihre Arbeit die Bürger am Ende des Tages überzeugt. In der Politik braucht es aber außer Erfolgen in der Sacharbeit auch Siege im Wahllokal. Und die liefert Merkel einfach nicht mehr. Ihre Union liebt das gar nicht. Und Torsten Albig sagt nichts mehr.

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