Kaiserslautern Von Experimenten und Zusammenhalt

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Der Landesverband professioneller freier Theater Rheinland-Pfalz (laprofth) feiert in diesem Jahr 25. Geburtstag. Ein Grund, sich in der Szene umzuhören. Gespräche über Bürokratie, finanzielle Förderung – und vor allem ganz viel Engagement.

Kein Trübsalblasen in der freien Theaterlandschaft. Auch wenn die Situation nicht einfach ist, noch nie einfach war, sagt Billy Bernhard: „Ich kann nicht klagen.“ Er betreibt das Chaussée Theater in Schweighofen, ein Figurentheater, das vorwiegend Aufführungen für Kinder und Familien spielt. Billy Bernhard ist ein Ein-Mann-Betrieb. Das heißt: Er ist nicht nur Schauspieler, auch Regisseur, Buchhalter, Verwaltungsmensch, Konzeptionsdenker und Weiteres. In den vergangenen Jahren habe er immer mehr Zeit in seinem Büro verbracht, um sich um die Akquise neuer Kunden, also Veranstalter, zu kümmern, die seine Vorstellungen buchen. Die Zunahme an Schreibtischarbeit hat einen Grund: Die Kommunen sind knapp bei Kasse. „Bei der Kultur wird als Erstes gespart“, sagt Astrid Sacher zu diesem Thema. Sie betreibt nicht nur das Knirps Theater in Bad Ems, sondern ist gleichzeitig Erste Vorsitzende von laprofth. 36 Theatergruppen und -solisten haben sich in dem Verband zusammengeschlossen, der sich unter anderem um finanzielle Förderung der Theater, um Beratung und Öffentlichkeitsarbeit kümmert. Die Kommunen unterstützen nicht nur ganz direkt einzelne Theater, sondern sind vor allem als Veranstalter wichtig. So etwa, wenn Schulen und Kindergärten Aufführungen buchen, oder aber kommunale Veranstalter im örtlichen Gemeindezentrum freie professionelle Gruppen spielen lassen. Und wenn die Kommunen sparen müssen, wird an diesen Stellen gekürzt. Etwa 70 Prozent der freien Theater im Land haben keine eigene Spielstätte, wie aus einer laprofth-Statistik für das Jahr 2014 hervorgeht. Sie sind also auf externe Räume angewiesen, und darauf, gebucht zu werden. Ein weiteres „großes Problem“, wie Sacher es nennt, für die freie Szene ist die Bürokratie. Wer Geld möchte, etwa über Landesförderung, muss Formulare ausfüllen, Bewilligungszeiträume berücksichtigen, Nachweise erbringen. Wenn dann nur ein oder zwei Mann das Ensemble bilden, wird es schwierig. „Das macht müde und zermürbt“, sagt Monika Kleebauer vom Chawwerusch Theater in Herxheim, das mit sieben festen Ensemblemitgliedern vergleichsweise groß ist. Zwei Drittel seines Etats spielt das Chawwerusch selbst ein – auch das ist viel, gerade im Vergleich zu den hoch subventionierten Stadt- und Staatstheatern. Das übrige Drittel erhält es über Förderung. Besonders wichtig für alle freien Theater im Land ist dabei die Aufführungsförderung, die es in Rheinland-Pfalz seit 2008 gibt. 71.500 Euro hat das Bildungsministerium in seinem Haushaltsplan 2016 dafür veranschlagt. Der Topf sei seit Jahren nicht größer geworden, bilanziert laprofth-Vorsitzende Sacher. Die Anzahl der Theater, die hineingreift, schon. Aufführungsförderung bedeutet: Das Land übernimmt – sofern der Antrag bewilligt wird – die Differenz zwischen den Kosten, die das Theater in Rechnung stellt, und dem, was der Veranstalter tragen kann. Freie Theaterarbeit, das ist neben Bürokratie sowie Angewiesensein auf Förderung und Veranstalter aber vor allem eine Herzenssache, wie Sacher betont. Wer sich für freies Theater entscheidet, kann thematisch auch mal in Nischen kriechen und experimentieren, mit neuen Formen und Inhalten. „Man kann das Publikum sehr weit mitnehmen, an entfernte Orte“, sagt Sacher. Denn wenn die Zuschauer einmal da sind, sind sie treu. Die Theater sprechen von einem großen Stammpublikum. Nicht zuletzt sind freie Theater auch immer wieder Wegbereiter. Beispielsweise für die Kinder- und Jugendtheaterszene. Erst nachdem die freien Gruppen Produktionen für junge Menschen angeboten haben, wurde Kinder- und Jugendtheater auch in großen Häusern als eigene Sparte etabliert, wie Sacher berichtet. Heute gibt es kaum noch ein Haus, das nicht mindestens einen Theaterpädagogen beschäftigt. Gegenseitiges Ideennehmen, auch ein bisschen Konkurrenz vielleicht, ja. Doch wirklich intensive Zusammenarbeit zwischen freien und öffentlichen Theatern ist bislang selten. Eine Art Pilotprojekt dafür ist die Produktion „Shakespeare – Liebe, Tod & Traum“, an der 16 freie Theater gemeinsam mit dem Theater Koblenz derzeit arbeiten (siehe Zur Sache). „Letztlich kämpfen wir Seite an Seite“, sagt Sacher über das Verhältnis zu den großen Einrichtungen, und: „Theater ist das vergänglichste Produkt.“ Nicht speicherbar, nicht einfach zu reproduzieren. Einmalig. „Es ist das unmittelbarste Kunsterlebnis überhaupt. Aber es ist ganz schwierig für Theater, eine Lobby zu finden.“ Die großen Bühnen seien „konkurrenzlos“, ist von Hedda Brockmeyer zu hören. Sie betreibt gemeinsam mit ihrem Mann das Theater in der Kurve in Neustadt-Hambach. Aber gerade deshalb seien Austausch und Zusammenarbeit spannend. Und für die Zukunft der freien professionellen Gruppen und Solisten? Bleibt der Optimismus. Und es bleiben ein paar Träume, zum Beispiel der von einem Produktionshaus, das alle freien Theater in Rheinland-Pfalz für Proben und Premieren nutzen können. „Das wäre eine enorme Bereicherung“, sagt Sacher. Außerdem sei der Vernetzungsgedanke sehr wichtig, sagt Kleebauer und hofft auf größere Durchlässigkeit zwischen freien Theatern und öffentlich subventionierten. Es gibt auch mögliche Probleme, auf die Theatermacher skeptisch schauen. Was passiert in ein paar Jahren mit den älteren Menschen in der freien Szene – Stichwort: Altersarmut? Wo kommt engagierter Nachwuchs her, der die Gruppen am Leben hält, wo es doch schwierig ist, junge Menschen für das Leben und Arbeiten in der Provinz zu begeistern, wie Kleebauer sagt; außerdem für einen Job, der mehr als Schauspiel ist, auch Regie, Planung und eben Bürokratie umfasst. „Aber wir sprühen immer noch vor Ideen“, sagt die Chawwerusch-Macherin. Da ist er wieder, der Optimismus. Kein Trübsalblasen also in der freien Szene.

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