Rheinpfalz Trumps Mephisto: Warum Stephen Bannon so gefährlich ist

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Er ist der strategische Kopf im Weißen Haus, wegen seines Einflusses auf den neuen Präsidenten wird er „Trump-Flüsterer“ genannt. Stephen Bannon ist Republikaner, doch kein Konservativer alter Schule. Er ist ein Nationalist, der mit dem Hetzportal Breitbart News Hass in die Gesellschaft trug und rechtsradikale Ansichten salonfähig machte. Nun will er den Staat zerstören.

Als Donald Trump die Rede zu seiner Amtseinführung hielt, bekam die Welt eine Gänsehaut. Der neue US-Präsident skizzierte ein düsteres Bild seines Landes. Dessen Eliten seien korrupt und rücksichtslos, auf den Straßen spiele sich ein „Gemetzel“ ab. Das waren aber nicht Trumps eigene Worte. Der Gott des Gemetzels hieß Stephen Bannon, der weite Passagen der Rede verfasst haben soll. Seit Trumps Wahlsieg im November weicht er nicht von dessen Seite. Er ist Chefberater im Weißen Haus und sitzt im Nationalen Sicherheitsrat, der die außenpolitische Strategie der Supermacht festlegt. Stephen Bannon ist heute einer der mächtigsten Männer Washingtons und ähnlich krawallig unterwegs wie sein Boss. In einem Interview mit der „New York Times“ sinnierte er über das Wesen der Politik: „Dunkelheit ist gut. Dick Cheney. Darth Vader. Satan. Das ist Macht.“ Vielleicht war das der Versuch eines Witzes, doch wenn es um Kritik an Trump geht, versteht Bannon keinen Spaß. Der Präsident werde exakt das umsetzen, was er im Wahlkampf versprochen habe. „Die Medien sollten peinlich berührt und erniedrigt sein und ihren Mund halten“, zitiert ihn das ehrwürdige Blatt aus New York. Bis heute hätten die Journalisten nicht begriffen, warum so viele Amerikaner Trump wählten. Dessen haarsträubende Äußerung, die Medien seien Feinde des Volkes, und er befinde sich im Krieg mit ihnen, ist typischer Bannon-Jargon. Ein Satz von der dunklen Seite der Macht. Ins Rampenlicht der Weltpolitik tritt ein massiger Mann, der aussieht, als habe er kaum Zeit fürs Kämmen und Rasieren gefunden. Und der laut Nachrichtenmagazin „Time“ der einzige Mitarbeiter des Präsidenten ist, der das Oval Office betreten darf in Jeans, ohne Anzug und Krawatte, dem Dresscode der Arrivierten. Wer ist dieser Typ? Wie tickt er? Was führt er im Schilde? Geboren am 27. November 1953 in Norfolk im US-Bundesstaat Virginia, wächst Stephen Bannon in einem eher liberalen Elternhaus auf. Sein Vater, ein irischstämmiger Arbeiter, ist Gewerkschafter und begeisterter Kennedy-Anhänger. Der Junge wird auf eine streng katholische Schule geschickt und erwirbt einen Bachelorgrad in Städteplanung, bevor er als Marineoffizier auf einem Zerstörer sieben Jahre Dienst schiebt. Dann will er endlich richtig Geld verdienen. An der renommierten Harvard Universität baut er seinen „Master of Business Administration“ und verdingt sich als Investmentbanker bei Goldman Sachs. Nach fünf Jahren macht er sich 1990 selbstständig und gründet eine Firma, die Filme und Fernsehstücke produziert. Als seine Serie „Seinfeld“ zum Blockbuster wird, ist Bannon ein gemachter Mann. Politisch ist er in jener Zeit ein stinknormaler Mainstream-Konservativer, einer der vielen Bewunderer von Ronald Reagan, über den er seinen ersten eigenen Film dreht. Bei der Premiere läuft ihm Andrew Breitbart über den Weg, ein Konservativer auch er, aber einer, den das dumpfe Gefühl umtreibt, Amerika gehe den Bach hinunter. Breitbart gründet 2005 im Internet ein nach ihm benanntes Nachrichtenportal. Bannon wird dort Redakteur und – nach dem plötzlichen Tod des Gründers mit nur 43 Jahren – im Jahr 2012 Herausgeber. Vom Reagan-Republikaner in einen Rechtsaußen-Rebellen verwandelt sich Bannon durch die Anschläge vom 11. September 2001 und die Folgen der Finanzkrise von 2008. Die Terrorattacken von Al Qaida rufen in ihm die Überzeugung hervor, dass der Islam der gefährlichste Feind der USA ist und diese Religion als solche eine Herausforderung für die Sicherheit des Landes. In der Finanzkrise habe sein Vater alle seine Aktien verkaufen müssen und seine Altersversorgung verloren, erzählte er einmal. Aber die Banken, die den ganzen Schlamassel zu verantworten hätten, habe der Staat gerettet. Seither glaubt Bannon nicht mehr an das republikanische Mantra von den Segnungen freien Wirtschaftens und globalen Handels. Er ist ein ökonomischer Nationalist, der in Trumps Parole „America first“ seine Vorstellung verwirklicht sieht. Bannon ging sogar so weit, sich als Leninisten zu bezeichnen. Auch Lenin habe den Staat zerstören und alles zum Einsturz bringen wollen. Das sagte er noch vor seiner Berufung in die Regierung, doch sein neuer Posten im Weißen Haus, der Kommandozentrale des Staates, scheint an seiner Denkweise nichts zu ändern. Jedenfalls trat Bannon vor wenigen Tagen bei der Conservative Political Action Conference, einer Zusammenkunft von konservativen Politikern, Lobbyisten und Aktivisten in Washington, für die „Dekonstruktion des administrativen Staates“ ein. Das verschränkte System aus Regularien, Rechtsprechung, Gesetzen und internationalen Abmachungen ist nach Bannons Ansicht hinderlich für das Wachstum, es verletzt die persönliche Souveränität. So unkonventionell er in Kleidung und Benehmen wirkt, so wenig passt seine politische Philosophie in den Kleiderschrank konventioneller US-Politik. Bannon ist kein Reformer, kein Reaktionär, er ist ein Rebell. Er träumt von einer zweiten amerikanischen Revolution, die den kleinen Mann wieder in seine Rechte einsetzt, die ihm angeblich von skrupellosen Bossen und Bankern, scheinheiligen Lobbyisten und der Lügenpresse weggenommen wurden. Den Staat, wie er heute aufgebaut ist, hält Bannon für träge und verfettet. Wie ein Junkie sei er abhängig von hohen Steuern und gefesselt von internationalen Verträgen. Erst wenn dieses korrupte System kollabiert sei, könne eine neue Ordnung entstehen. Schöpferische Kraft durch Zerstörung – Bannons Masterplan. Was aber an die Stelle des Zerstörten treten soll, sagt er nicht. Einen Eindruck von dem, wohin die Reise gehen könnte, vermitteln die Entkernung der Umweltbehörde Epa, die Austrocknung des öffentlichen Schulsystems zugunsten privater Anbieter und das Zurückschneiden der staatlichen Krankenversicherung Obamacare. Mit Donald Trump hat Bannon eine Leitfigur gefunden, in die er seine Konzepte gießen kann wie Wein in einen leeren Krug. Dem Präsidenten gefällt an seinem Chefberater, wie umstandslos er Dinge in Gang setzt, vor denen furchtsamere Naturen Trump abzuhalten suchen. Das pazifische Handelsabkommen TPP gekündigt? Trumps Werk und Bannons Beitrag. Reisende aus mehreren islamischen Staaten von der Einreise in die USA ausgesperrt? Auf Bannons Mist gewachsen, und das Chaos, das daraus erwuchs, dürfte den Zertrümmerer gefreut haben. Stephen Bannon setzt im Weißen Haus um, was er in den vergangenen Jahren in Breitbart geschrieben hat. Diese Arbeit war sein Königsweg nach oben. Das Internetportal formte er zu einer Bazooka, mit der er die Mauern Washingtons sturmreif schoss. Sein Ziel: ein globales, rechtspopulistisches Nachrichtenangebot gegen das Establishment. Sein Erfolgsrezept: Fakten bedeuten wenig, Provokation ist alles, Hetze erlaubt. Breitbart hat ein klares Feindbild: Einwanderer, Feministinnen, Globalisierer. Sie sind die Krankheitserreger einer Nation im Delirium, suggeriert die Internetseite in aggressiver Sprache und mit skandalisierenden Schlagzeilen. Beispiele: „Verhütung macht Frauen hässlich und irre.“ – „Was wäre Ihnen lieber: dass Ihr Kind Krebs hat oder Feminismus?“ – „Zusammenbruch in der Wahlnacht: Hillary Clinton brüllte Obszönitäten und warf mit Sachen um sich.“ Breitbart-Autoren müssen ihre Storys gar nicht selbst kommentieren. Das erledigen die Nutzer in den Foren schon selbst. So entstand eine Community, die sich an ihrem eigenen Hass gegen die Eliten berauscht und auf diese Weise Selbstbestätigung erfährt. Breitbart ist von einem Schmuddelportal, über das etablierte Politiker die Nase rümpften, zu einem Mediengiganten mit 37 Millionen Nutzern im Monat und 240 Millionen Klicks gewachsen. Das Portal hat den politischen Diskurs in den USA neu definiert und ist dabei, den Sender Fox News als Leitmedium der Neuen Rechten abzulösen. Kein Wunder, dass randständige politische Parvenus, die bis dahin über wenig Einfluss in Gesellschaft und Politik der USA verfügten, ihre Blütenträume reifen sehen. Stephen Bannon sei ein „exzellenter Mann“, meint David Duke, ein früherer Chef des rassistischen Ku-Klux-Klan. Eng sind die Bande zwischen Bannon und der „Alt-Right-Bewegung“, einer rechten Bewegung mit faschistischen Zügen. Sie tritt für die Vorherrschaft der Weißen ein und bekämpft die Rechte von Minderheiten. Bei einer Tagung am 19. November vergangenen Jahres, wenige Tage nach Trumps Wahlsieg, schloss einer der Redner, der „Alt-Right“-Funktionär Richard Spencer, seine Ausführungen mit den Worten „Heil Trump“ und „Sieg Heil“. Einige Zuhörer sprangen von ihren Sitzen und rissen den rechten Arm hoch. Videoschnipsel der bizarren Szene gelangten an die Öffentlichkeit. Bannon hat sich von der „Alt-Right-Bewegung“ nie distanziert, weder von ihren Themen noch von ihrer Rhetorik. Als Breitbart-Chef sah er sein Portal als „Plattform“ für diese Bewegung an. Offenbar sind Bannon im Kampf um die Deutungshoheit in der Gesellschaft alle Verbündeten willkommen, mögen sie auch krude Ansichten vertreten und zahlenmäßig unbedeutend sein wie die „Alt-Right-Bewegung“. Stephen Bannon ist nicht Joseph Goebbels, wie es auf den Plakaten von Protestierern vor dem Weißen Haus geschrieben stand. Er ähnelt einer mephistophelischen Gestalt. Ein Geist, der stets verneint. Ein Zerstörer dessen, was seiner Ansicht nach wert ist, zugrunde zu gehen.

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