Frankenthal Tränen im Babymord-Prozess

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Am ersten Tag dauert der Babymord-Prozess nur eine Viertelstunde. Auf der Anklagebank: Der Vater, der seine eigene Tochter vom Balkon geschleudert haben soll. Ihm gegenüber: Die Mutter, der er noch aus der Haft heraus einen Heiratsantrag machte. Nun hört sie, was er seinen Anwalt zur Tat sagen lässt.

In Sitzungssaal 20 ist es vor der Verhandlung fast still. Die meisten Zuschauer blicken geradeaus und flüstern sich nur selten etwas zu. Sennas Mutter weint. Immer wieder vergräbt sie ihr Gesicht in den Händen, den Blick auf die Tischplatte gerichtet. Ihr Baby starb am 14. Mai 2016 nach einem Sturz von einem Balkon im Lauterecker Viertel. Der damalige Lebensgefährte der Frau steht nun vor Gericht, weil er die gemeinsame Tochter aus extremer Eifersucht und „niedrigen Beweggründen“ heraus ermordet habe. Er soll sie „mit einer Ausholbewegung“ über die Brüstung geworfen haben: wissend, dass ein solcher Sturz zum Tod des Säuglings führen würde. So steht es in der Anklageschrift, die zum Prozessauftakt verlesen wird. Der Anwalt der 20-Jährigen, Frank Peter, sagt nach dem Prozess: „Ihr geht es unheimlich schlecht, aber sie wollte unbedingt diesen Prozesstag erleben und dem Angeklagten die Stirn bieten. Sie wollte für Senna da sein. Das war wichtig für sie.“ Und das, obwohl die junge Frau die Folgen einer Tat verarbeiten muss, die er als Opfer-Anwalt sich „kaum schlimmer vorstellen kann“. Eine zusätzliche Belastung für seine Mandantin sei ein Heiratsantrag, den der Angeklagte seiner Ex-Freundin aus der Haft heraus gemacht hat (wir berichteten). Der Anwalt des 32-Jährigen, Alexander Klein, verweist auf die Umstände, unter denen sein Mandant diese Briefe geschrieben hat: kurz nach der Tat, als er im Gefängnis als möglicher Selbstmordkandidat galt, deshalb ständig kontrolliert wurde und Medikamente bekam. Als zwei Justizwachtmeister den mit Handschellen gefesselten Angeklagten an diesem Morgen kurz vor 9 Uhr in den Saal führen, blickt seine Ex-Freundin vom Tisch auf und ihn direkt an. Das Gesicht verbirgt er hinter einem blauen Schnellhefter. Erst nachdem die Kamerateams und Fotografen den Saal verlassen haben, schaut der schwarz gekleidete Angeklagte hinüber zu seiner früheren Partnerin. Auch sie trägt schwarze Kleidung. Seine Hände zittern. Während Oberstaatsanwältin Doris Brehmeier-Metz die Anklage verliest, beginnt er zu schluchzen. Zu den Vorwürfen schweigt der 32-Jährige. Aber er lässt seinen Verteidiger Alexander Klein eine schriftliche Erklärung verlesen, in der er einräumt, „unser kleines süßes Baby mit eigenen Händen getötet“ zu haben. Doch Peter, der Anwalt seiner Ex-Partnerin, sagt dazu nach dem Prozess: „Das Geständnis war weitgehend inhaltsleer. Von daher wird es die Beweisaufnahme brauchen.“ Unter anderem soll geklärt werden, inwieweit sein Kokainkonsum die Tat beeinflusste. Für seine eigene Mandantin hat der Jurist im Anschluss an die für sie so aufwühlende Verhandlung noch einen Rat: „Ich habe ihr gesagt, sie soll heute noch etwas Schönes machen, so auf andere Gedanken kommen – und auf keinen Fall alleine zuhause sitzen.“ Der Prozess wird am 28. November fortgesetzt.

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