Rheinland-Pfalz Südpfalz und Karlsruhe streiten um zweite Rheinbrücke

Wörth

(lap). Wenn es nach den Menschen in der Südpfalz ginge, wäre die zweite Rheinbrücke zwischen Wörth (Kreis Germersheim) und Karlsruhe längst gebaut. Aber die Stadt Karlsruhe leistet beharrlich Widerstand, obwohl die Rheinquerung am badischen Ufer in ein Industriegebiet führt.Der Grund ist tief in der Karlsruher Stadtgeschichte verwurzelt. Bis 1988 musste der gesamte Verkehr in die Südpfalz durch die Innenstadt fahren. Dann wurde die Südtangente eröffnet, die heute mit rund 80.000 Fahrzeugen täglich im Berufsverkehr immer kurz vor dem Kollaps steht. Darunter leiden vor allem Pendler. Für die Südpfälzer ist Karlsruhe die nahe Großstadt, rund 18.000 arbeiten dort.Hauptargument für eine zweite Rheinbrücke sind aber nicht die Staus. Probleme bereitet vor allem die bestehende Brücke aus dem Jahr 1966. Sie muss grundlegend saniert werden. Das war spätestens um die Jahrtausendwende klar. Weshalb 1998/99 die Planung mit einer Machbarkeitsstudie begann. Mittlerweile scheint zwar eine Sanierung der bestehenden Brücke ohne dauerhafte Sperrung möglich. Die Diskussion hat aber deutlich gemacht: Ein Ausfall der Rheinquerung wäre für die eng verzahnten Wirtschaftsräume Südpfalz und Karlsruhe eine gefährliche Belastungsprobe. Und dafür genügt es, dass ein Schiff allzu heftig gegen den Brückenpfeiler fährt – solche Kollisionen kommen durchschnittlich einmal im Jahr vor. Gegen eine zweite Brücke wehrt sich Karlsruhe aber heftig, Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) droht mit Klagen. Hintergrund ist, dass die Anbindung der zweiten Brücke auf einer Trasse erfolgen würde, die als Nordtangente auch zeitlich parallel zur Südtangente geplant, aber nicht verwirklicht wurde. Der Grund: Die Trasse führte durch den Hardtwald hinter dem Karlsruher Schloss. Dieser Wald ist aus Sicht des Naturschutzes zwar bedeutungslos, gilt aber als Naherholungsgebiet. Hinzu kommt, dass die Bewohner der Stadtteile im Norden es vorziehen, wenn der große Verkehrsstrom weit weg von ihnen im Süden verläuft. An diesen Positionen änderte auch ein städtisches Verkehrsgutachten 2008 nichts. Es wies zwar nach, dass eine Nordtangente samt zweiter Rheinbrücke nur wenig Fernverkehr anziehen, dafür aber die Innenstadt zum Teil massiv von Querverkehren entlasten würde. Aber das Gutachten wurde von allen Fraktionen im Stadtrat in der Schublade liegen gelassen. Gebaut wurde dann aber der östlichste Abschnitt der Nordtangente samt Anschluss an die A 5. Unternehmen in den dortigen Gewerbegebieten hatten massiv Druck gemacht. Ihnen war bei der Ansiedlung der A-5-Anschluss versprochen worden. Das hatte fatale Folgen für die angrenzenden Stadtteile: Der Verkehr in die Gemeinden nördlich von Karlsruhe suchte sich einen Weg durch ihre teils sehr engen Straßen. Weshalb die „Nordtangente Ost“ gebaut wird. Gleichzeitig wird im Westen aber gegenüber der Südpfalz weiter die Anbindung einer zweiten Rheinbrücke an die B 36 abgelehnt. Mit der kaum noch nachvollziehbaren Begründung, dies wäre der Einstieg in die Nordtangente. Ökologische Aspekte spielen auf badischer Seite keine Rolle. Allerdings steht die Drohung im Raum, man werde nach Gründen suchen, um Schutzgebiete auszuweisen. Das braucht aber Zeit. Und auf Zeit spielt die Staatssekretärin im Stuttgarter Verkehrsministerium, Gisela Splett (Grüne) aus Karlsruhe, mit großem Erfolg. So ließ sie das im April 2011 eröffnete Planfeststellungsverfahren Ende November 2011 durch einen in keinem Verfahren vorgesehenen „Faktencheck“ faktisch unterbrechen. Mit der Folge, dass die Erörterungstermine für die Einwände erst im Juli 2013 stattfanden. Die Mainzer Landesregierung nahm dies hin, im Koalitionsvertrag hatten SPD und Grüne sich auf die wachsweiche Formel von der Notwendigkeit einer leistungsfähigen Rheinquerung geeinigt. Mittlerweile sind allerdings nur noch zwei Fragen zu klären. Einmal muss geprüft werden, ob der Karlsruher Vorschlag eines technisch komplizierten Neubaus der Brücke an Stelle der bestehenden bei laufendem Verkehr umsetzbar ist. Für den Fall, dass dies nicht möglich ist, gibt es erste Hinweise, dass Karlsruhe vielleicht doch nicht klagt. Hintergrund ist möglicherweise, dass Industrieunternehmen in Berlin Druck gemacht haben: Von einem Ausfall der bestehenden Trasse wäre neben dem Daimler-Lastwagenwerk in Wörth mit der Miro in Karlsruhe die zweitgrößte deutsche Raffinerie betroffen. Zum anderen war die Obere Naturschutzbehörde Neustadt nicht damit einverstanden, wie auf rheinland-pfälzischer Seite die Eingriffe in Schutzgebiete ausgeglichen werden sollten. Hier muss nachgebessert werden, und hier werden wohl auch die Angriffspunkte liegen, die der BUND Baden-Württemberg für seine angedrohten Klagen nutzen will. Die will er mit Spenden Karlsruher Bürger finanzieren. Wenn ihm das gelingt, wird der Baubeginn für eine zweite Rheinbrücke möglicherweise wieder um Jahre verzögert – egal, wie die Karten im nächsten Jahr bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gemischt werden. Die letzte Zielmarke für den Brückenbau lautete übrigens: 2015.

x