Speyer Speyer: Vier Jahre Haft wegen versuchten Totschlags

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Gestern, am siebten Verhandlungstag, wurde das Urteil gesprochen im Fall des wegen versuchten Totschlags angeklagten 53-jährigen Berliners. Er hatte an Neujahr 2015 am Schulplätzel einen 26-Jährigen angeschossen und lebensgefährlich verletzt. Er erhielt vier Jahre Freiheitsstrafe.

Die Vorsitzende Richterin Alexandra Ulrich legte mit der Verkündung des Urteils direkt los, nachdem sie die Sitzung ihrer Strafkammer eröffnet hatte. Der Angeklagte wurde zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine Schuld: versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Verstößen gegen das Waffengesetz. Das Urteil bleibt zwei Jahre unter dem, was am Tag zuvor Oberstaatsanwältin Doris Brehmeier-Metz in ihrem Plädoyer als Strafe beantragt hatte. Chaotisch waren die Ereignisse jener Nacht gewesen, mehrere Zeugen hatten Erinnerungslücken: Es war gegen fünf Uhr morgens, und die meisten hatten Alkohol getrunken. Das Gericht setzte das Puzzle aber überzeugend zusammen: Wie der Angeklagte, der mit dem Wohnmobil aus Berlin gekommen und mit der Frau, um die er offenbar warb, und deren Familie den Abend verbracht hatte und dabei auch reichlich getrunken hatte. Wie er draußen um Mitternacht Streit angefangen hatte mit einer Gruppe junger Leute und damit seiner Freundin den Abend verdorben hatte. Seine Reizbarkeit und cholerischen Ausbrüche hatte der psychiatrische Gutachter Harald Dreßing als „habituell“ bezeichnet, also als Charaktereigenschaft. Er war damit auch in der Vergangenheit angeeckt, wie seine frühere Freundin berichtete. Beide Frauen hatten ihn als „Mann mit zwei Gesichtern“ bezeichnet. Vor ihrer Haustür trennte er sich – er habe sie nicht verdient, er werde zurück nach Berlin fahren, heißt es im Urteil. Dann irrte er allein durch die Stadt, rief immer wieder an, habe sich bei der Ex-Freundin entschuldigt, sie aber auch beschimpft, und schien immer betrunkener zu werden. Mehrere Stunden später landete er im „Desperado“, wo er vom Neffen des Besitzerpaares, der sich an diesem Abend verantwortlich fühlte, hinauskomplimentiert wurde. Als er sich draußen wieder mit Leuten anlegte und dabei mit einer Waffe fuchtelte, ging der junge Mann, der glaubte, es sei eine Schreckschusswaffe, ihm nach, und der Angeklagte schoss auf ihn. Die Verteidigungsstrategie von Anwalt Bernd Sünnenwold, das Opfer als eigentlichen Täter darzustellen, als Drogendealer, den der Angeklagte gestört habe, so dass er Notwehr begangen habe, oder zumindest geglaubt habe, sich wehren zu müssen, verfing nicht. Keiner der Zeugen, deren Vernehmung er immer neu beantragte, stützte diesen Verdacht. Zwar hat der Angeklagte selbst schwere Schäden – er ist jetzt 90 Prozent behindert – von Schlägen und Tritten nach der Tat davongetragen, die sich auch strafmildernd auswirkten, aber er war laut Urteil allein der Auslöser. Die Oberstaatsanwältin bezeichnete ihn im Plädoyer als „eitlen, beleidigten, gekränkten Mann“. Auch seine Entschuldigung und die Bemühungen um einen Täter-Opfer-Ausgleich befriedigten Nebenkläger-Anwalt Uwe Schaffarczyk nicht. Spannungen im Gerichtssaal, die den Prozess anstrengend gemacht hatten, erwähnte die Richterin mit keinem Wort. Sie war, soweit es ging, auf die Beweisanträge eingegangen und hatte keine Angriffsfläche geboten. Da der Täter haftunfähig ist, beschränkt sich die Freiheitsstrafe auf regelmäßige Meldung bei der Polizei. Dem Nebenkläger ist noch ein ziviles Verfahren möglich.

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