Rheinpfalz Se Riwännsch of se Belzeniggel

Im Schlaf gestört: Der waschechte Ruß-Belzenickel und  ein Zorn-Igel sind  unserem  Zeichner  unter die Feder  gekommen.

Saach blooss: Der Giftnickel und der Rußnickel treffen einen Struppigel. Kein Witz, sondern knallharter Alltag in der Pfalz: Die Rache des Heiligen Nikolaus.

Dass wir Ihnen heute schon den Nikolaus liefern, liegt nicht an unserem Drang, wenigstens einmal schneller sein zu wollen als die Lebensmittelsupermärkte – denn dann müssten wir diese September-Folge vermutlich dem Osterhasen widmen. Die Serie über Pfälzer Begriffe und Redensarten hat vielmehr das hehre Ziel im Blick, die letzten Geheimnisse des Pfälzer Dialekts zu enträtseln. Und wenn dafür der Heilige Nikolaus im Spätsommer erscheinen muss, dann dient das einfach der guten Sache. Wir hatten in der jüngsten Folge die Frage unserer Leserin Susan Brenner aus Carlsberg weitergegeben, warum es im Pfälzischen einerseits einen „Gift-“, „Rotz-“ und „Ruß-Nickel“ gibt, die Pfälzer aber andererseits auch einen „Strupp-“, „Dreck-“ oder „Laus-Iggel“ kennen (die Bindestriche dienen nur der Verdeutlichung). Die Lösung: In der ersten Reihe von Wörtern steckt der „Nickel“, in der zweiten der „Igel“. Aber von vorn. „Bei der Aufzählung der Nickel und Igel scheint mir bei der ersten Gruppe der markanteste Vertreter zu fehlen: der Pelznickel“, schreibt Eugen Rautenberg aus Bad Dürkheim. Gemeint ist „der Nikolaus mit dem Pelz“, den die Pfälzer zum „Belzeniggel“ verniedlichen. Und schon ist der „Nickel“ – fast – enträtselt: „Nickel leitet sich vom Vornamen Nikolaus ab“, erläutert auch Klaus Kronibus aus Enkenbach-Alsenborn. Dieser „Nickel“ geht auf die historische Figur des Heiligen Nikolaus von Myra zurück, der in christlichen Ländern am 6. Dezember verehrt wird. Doch mit diesem christlich-geschichtlichen Bezug lassen sich nicht alle heute gebräuchlichen „-Nickel“ erklären, schon gar nicht der „Zorn-Nickel“ und der „Gift-Nickel“. „Ein Giftnickel is en Nachbar, der em des Läwe schwer mache kann. Der kann awwer ach en neidische Aweitskollesch sei“, schreibt Heidrun Grösche aus Lindenberg. „Kumm her, mei klännes Zornickelche, es is jo gut“, kennt Annemarie Peschke aus Zweibrücken sogar eine liebevolle Variante. Von der Bezeichnung für ein „böses Kind“ habe sich der „Nickel“ zu einem Schimpfwort auch für Erwachsene entwickelt, glaubt Rosemarie Mathes aus Germersheim. Günter Steck aus Speyer sieht hinter dem „Nickel“ einen „arglistigen Geist oder Kobold“ und im übertragenen Sinne einen „Eigenbrötler“ oder „komischen Kauz“. Doris Rittmann aus Birkenheide versieht ihn mit den Attributen „beleidigend“, „gereizt“ und „kurz angebunden“. Ob zwischen diesem nervenden „Nickel“ und dem Nikolaus, der im „Belzenickel“ steckt, ein inhaltlicher Bezug besteht – diese Frage klärt auch das „Pfälzische Wörterbuch“ von Rudolf Post nicht. Dort stehen beide Versionen einfach nebeneinander, obwohl man natürlich über den „Zorn des Heiligen Nikolaus“ nachdenken könnte, der nur die braven Kinder beschenkt, die bösen aber bestraft. Im Pfälzischen Wörterbuch finden sich auch der „Rotz-Nickel“ und der „Ruß-Nickel“, von denen zum Beispiel unsere Leser Heinrich Rudolphi aus Ramstein-Miesenbach und Hermann Grundhöfer aus Harthausen berichten. Wie diese beiden Zusammensetzungen entstanden sind, liegt für Ruth Metz aus Hatzenbühl auf der Hand: Einmal geht’s um mangelndes Gespür für Sauberkeit im Allgemeinen, einmal um das Sonderphänomen Nasenhygiene: Note 6. „Die Karin un die Elke vun de Haßlocher Sparkass’“ erinnern an das chemische Element Nickel mit dem Elementsymbol „Ni“ und der Ordnungszahl 28 im Periodensystem der Elemente. Als Nickel noch Bestandteil von Silber war, sorgte es für dessen unerwünschte schwarze Färbung, womit ein weiterer Bezug zum Wort „Ruß-Nickel“ hergestellt wäre. Wie es nun zum „Dreck-Iggel“ und zum „Strupp-Iggel“ (ohne „n“ in der Mitte) kommt, erklärt Reinhard Hartmann aus Kaiserslautern mit der Neigung der Pfälzer, beim Sprechen Laute zu verschlucken – „und der Nikolaus mutiert zum Stacheltier“. Doch dürfte die Lösung noch näher liegen. Im „Iggel“ steckt tatsächlich der stachelige – und in der Regel eher nachlässig frisierte – Igel. Der „Iggel“ stand erst für den „Kopf mit struppigem Haar“, daraus wurde dann der „Menschen mit struppigem Kopf“. Und aus dem Strubbelkopf entwickelten sich schließlich der „Sau-Iggel“ und der „Dreck-Iggel“ als Schimpfwörter für den Dreckspatz an sich. Die Verwechslung des „Nickel“ mit dem „Iggel“ – das wollen wir gern einräumen – kann eigentlich nur in der Vorderpfalz passieren. In der Süd- und der Westpfalz wird der Igel mehrheitlich als „Ichel“ bezeichnet, es gibt dort also den „Strupp-Ichel“, „Sau-Ichel“ und den „Laus-Ichel“. Aber daraus hätte sich natürlich im September keine Nikolaus-Geschichte stricken lassen. Aber deshalb wird wohl niemand nickelig werden, oder? In der nächsten Folge wollen wir, passend zum Spätjahr, mal wieder sammeln, und zwar Wörter. Konkret: Wörter, mit denen Pfälzer den Zustand der Trunkenheit bezeichnen. Schon eine Kurzrecherche ergab – Zufall? – eine Riesenliste vom „Surwel“ über den „Sturre“ und den „Stääwer“ bis zum „Batscher“. Und wir fragen: Wer bietet mehr? Schreiben Sie uns Ihre Liste – gerne mit Erläuterungen! Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie das Servicepersonal am Weinfest- oder Bierkerwe-Ausschank. Mitmach-Infos Die Serie Unter dem Motto „Saach blooß“ gehen wir seit dem Jahr 2002
originellen Sprüchen, Redensarten und Wörtern aus der Pfalz auf den Grund – und zwar mithilfe
 unserer Leserinnen und Leser.

Die Adresse Bitte schreiben Sie unter  dem Kennwort „Saach blooß“ an:
RHEINPFALZ am SONNTAG,
Industriestraße 15, 76829 Landau,  
Fax: 06341/6495-30, E-Mail: saachblooss@rheinpfalz.de ras

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