Speyer "Schottische Speyerin" bedauert Brexit

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„Brexit? Kann sein. Briten sind schon etwas inselig.“ Das hat eine Speyererin am Dienstag zu Dawn Dister gesagt. Mit dieser Prognose hätte sie reich werden können. Die Schottin und andere Speyerer Briten waren gestern geschockt über die Entscheidung im Vereinigten Königreich für den Ausstieg aus der Europäischen Union.

„Purer Leichtsinn.“ Dister wundert sich über das ihrer Meinung nach stark emotional beeinflusste Ergebnis der Volksabstimmung. „Irgendetwas stimmt nicht mehr“, so ihr Eindruck. Brexit-Befürworter suchten in der EU einen Schuldigen für ihre soziale Situation, vermutet sie. „Dass jetzt auseinander gerissen wird, was 43 Jahre zusammengewachsen ist, ist nicht sinnvoll“, sagt die 81-Jährige. „Keiner weiß, was kommt.“ Sicher ist sie, dass die Schotten jetzt erneut über ihre Unabhängigkeit nachdenken werden. Davon ist auch ihre Landsfrau Alison Grewenig überzeugt. „Bis heute morgen war ich stolz, Britin zu sein. Als der Brexit Tatsache wurde, habe ich zum ersten Mal über eine Einbürgerung nachgedacht.“ Die Erzieherin lebt seit Jahrzehnten mit ihrem deutschen Mann und Kindern in Speyer. „Jetzt bin ich eine richtige Ausländerin“, sieht die 52-Jährige ihren neuen Status durch die Brexit-Brille. „Speyer ist Heimat“, so Grewenig. Dennoch bleibe sie „Britin durch und durch“. „Ich hoffe auf die Unabhängigkeit der Schotten. Wenn das mit einem Referendum klappt, bin ich wieder EU-Bürgerin.“ David Buchanan (48) hat gestern Morgen von der RHEINPFALZ vom EU-Ausstieg erfahren. „Tragisch. Total schockierend. Bedeutet nichts Gutes. Nicht für mich und nicht für mein Land.“ So die ersten Reaktionen des Briten. Der Speyerer betreibt eine Gebäudetechnik-Firma in England. „Über Nacht habe ich jede Menge Geld verloren“, weist er auf die gravierenden Kurs-Verluste des britischen Pfund hin. Die spürten auch seine Landsleute am Monatsende auf ihren Gehaltskonten. Seine einzige Erklärung für „die Katastrophe“ findet Buchanan in der Insel-Mentalität der Briten. Für Martin Reid kann sich der Brexit positiv auswirken. Seit 13 Jahren betreibt der 51-Jährige ein Unternehmen mit Triebwerk-Reparaturteilen für die Luftfahrt-Industrie in Speyer. „Mit dem Austritt aus der EU kann Konkurrenz aus Großbritannien wegfallen“, sagt der Schotte, der weltweit tätig ist. „Eine Abkopplung vom heutigen europäischen Binnenmarkt macht es schwieriger, Geschäfte mit Briten zu machen.“ Besonders junge Briten sehnten sich nach Europa. „Die, die gestern den Brexit gewählt haben, werden das ganze Ausmaß der Abspaltung nicht mehr erleben“, ordnet Reid ein. Die Morgennachrichten haben Susan Banks „ziemlich entsetzt“. Damit hätte sie nicht gerechnet, erklärt die Verkäufern, was ihr gestern die Laune am Arbeitsplatz verdorben hat. Ihr „Notgroschen“ bei einer schottischen Bank habe sich mit dem Brexit verringert. Die 43-Jährige hofft, dass sich ihre schottischen Landsleute jetzt für ihre Unabhängigkeit entscheiden. „Es kommen keine rosigen Zeiten auf das Land zu: Kredite werden teurer, Häuser verlieren an Wert, Arbeitnehmerrechte werden mit Füßen getreten“, so die dreifache Mutter aus Speyer. Schottland-Erfahrung hat auch Oberbürgermeister Hansjörg Eger (CDU), der in Edinburgh studierte: „Dieses Ergebnis wird nationalistische und abschottende Bestrebungen fördern und die gemeinsame europäische Friedenspolitik der letzten 70 Jahre in Frage stellen“, gab er seinem Bedauern über den anstehenden Brexit Ausdruck. Politik

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