Grünstadt Schon in Schule ein Problemfall

91-92880263.jpg

Am Anfang sah es nach einem Dummejungenstreich aus: In einer Tasche wurde am 5. Dezember ein Konservenglas gefunden, das mit Pulver aus Feuerwerkskörpern und Wunderkerzen gefüllt war. Doch die Nägel, die mit einem Klebeband an dem Glas befestigt waren, lieferten einen ersten Anhaltspunkt, dass mit dem selbstgebastelten Sprengkörper jemand andere Menschen verletzen wollte. Durch einen Hinweis kamen die Ermittler auf die Spur eines zwölfjährigen Jungen aus Ludwigshafen mit irakischen Wurzeln. Er soll mit dem Glas einen Anschlag auf den Ludwigshafener Weihnachtsmarkt geplant haben, wie am Freitag bekannt wurde. Was weiß man über den Jungen ? Das Kind wurde 2004 in Ludwigshafen geboren und hat die deutsche und irakische Staatsbürgerschaft. Seine Eltern sind Iraker, die als Kriegsflüchtlinge hierher gekommen sind. Der Junge ist hier aufgewachsen, besuchte die Erich-Kästner-Grundschule, wechselte später aufs Carl-Bosch-Gymnasium (Mitte). Doch er musste die Schule verlassen, hat dort Hausverbot, soll auf dem Gelände Mitschüler bedroht haben und war zuletzt Schüler an der Karolina-Burger-Realschule im Schulzentrum Mundenheim. Auf Anfrage wollten die jeweiligen Schulleiter nichts dazu sagen. Ist der Junge den Behörden schon einmal aufgefallen? Ja. Wegen seiner Schulprobleme. Nach RHEINPFALZ-Informationen gab es Vorfälle wegen Beleidigungen, Drohungen und Körperverletzungen. Er soll Probleme mit Autoritäten in der Schule und ein bedenkliches Frauenbild gehabt haben. Frauen soll er den Handschlag verweigert haben. Deswegen sollen auch Polizei und Jugendamt eingeschaltet gewesen sein. Was ist über sein Umfeld bekannt? Es soll sich um eine Familie mit patriarchalischen Strukturen handeln. Die Mutter soll kaum Deutsch sprechen, der Vater nur schlecht. Die Familie soll sich wenig kooperativ gezeigt haben, nachdem die Behörden wegen der Schulprobleme vorstellig wurden. Die Eltern seien mit der Situation überfordert gewesen. Wie kam der Junge auf die Idee mit der Nagelbombe? Der Zwölfjährige soll im Internet über einschlägige islamistische Seiten radikalisiert worden sein. „Das Internet hat eine Riesenrolle gespielt“, heißt es aus Polizei- und Justizkreisen. Der Junge soll außerdem Kontakte zum radikalen Milieu über den bei Jugendlichen beliebten elektronischen Mitteilungsdienst Telegram gehabt haben. Jugendschutzexperten schätzen diese Smartphone-App als Propagandawerkzeug für Dschihadisten ein. Allein 130 deutschsprachige Telegram-Kanäle mit islamistischen Inhalten sind bekannt. Viele davon rufen zum bewaffneten Kampf auf und machen Werbung für Terrorgruppen. Hat der Junge in Ludwigshafen alleine gehandelt? Die Ermittler gehen bisher davon aus. Von einer dschihadistischen Jugendszene in Ludwigshafen ist ihnen nichts bekannt. Der Junge soll ein Einzeltäter sein. Was hat es mit der Nagelbombe auf sich? Laut einem Hinweisgeber an die Polizei soll der Junge versucht haben, die Bombe am 26. November auf dem Ludwigshafener Weihnachtsmarkt zu zünden. Das klappte jedoch nicht. Er soll das mit Feuerwerkspulver gefüllte Glas dann in einer Tasche neben einem Abfallcontainer im Warenhof-Ost hinter dem Rathaus-Center abgelegt haben. Er soll damit keinen zweiten Anschlagversuch unternommen haben, sondern den abgelegenen Ort als Versteck für das Konservenglas mit dem brisanten Inhalt genutzt haben. Dort wurde es gefunden und sichergestellt. Geht von dem Jungen noch eine Gefahr aus? Momentan nicht. Er befindet sich nach Angaben der Stadt derzeit in einer geschlossenen Einrichtung in Rheinland-Pfalz. Das ist allerdings eine Übergangslösung. Das Ludwigshafener Jugendamt hat die Obhut mit Einverständnis der Eltern übernommen. Die Stadt erwartet Unterstützung bei einer längerfristigen Unterbringung des Jungen. Was machen die Ermittler? Das Ermittlungsverfahren gegen den Jungen ist am Freitag eingestellt worden, weil er wegen seines Alters nicht strafmündig ist. Straffällige Jugendliche können juristisch erst ab 14 Jahren zur Verantwortung gezogen werden. Die für Terrorismusbekämpfung zuständige Generalbundesanwaltschaft versucht herauszufinden, zu wem der Junge via Internet und Smartphone Kontakt hatte. Das gestaltet sich schwierig. siehe unten

x