Rheinpfalz Straußenfarm wehrt sich gegen Einsperrgebot

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Um eine Ausbreitung der Vogelgrippe zu verhindern, müssen Geflügelhalter entlang des Rheins ihre Tiere einsperren. Paradox: Für die Laufvögel der Rülzheimer Straußenfarm würde genau dies ihr Ende bedeuten.

„Ein massiver Verstoß gegen den Tierschutz“, „das nutzt allein der Massentierhaltung“, „die artgerechte Tierhaltung wird in Mithaftung genommen“ – Christoph Kistner ist derzeit wahrlich nicht gut auf die Geflügelwirtschaft zu sprechen. Und ebenso wenig auf das Friedrich-Loeffler-Institut, die für Tierseuchen zuständige Forschungseinrichtung. Diese wird nicht müde zu warnen, wie gefährlich die Anfang November hierzulande aufgetretene Form der Vogelgrippe H5N8 für die Federviehbestände ist. Das Wort, das der Miteigentümer der Rülzheimer Straußenfarm Mhou fürchtet wie ein Virus die Desinfektionswanne lautet „Aufstallpflicht“. Der amtlich-sperrige Begriff besagt nichts anderes, als dass alles gefiederte Nutzgetier „ausschließlich in geschlossenen Ställen oder unter einer rundum gesicherten Vorrichtung zu halten ist“, wie es in der Verlautbarung des Landkreises Germersheim heißt. In Teilen des Rhein-Pfalz-Kreises gilt Ähnliches. Damit soll verhindert werden, dass eventuell infizierte Wildvögel oder deren Ausscheidungen mit „wirtschaftlich genutzten Vögeln“ in Berührung kommen. Erstere gelten als Hauptüberträger der Krankheitserreger, was Kistner für vorgeschoben hält. Seiner Meinung nach legt sich die Massentierhaltung infektionsmäßig beständig selbst ein Ei. Der Expertenstreit darüber zwischen Veterinären, Infektionsbiologen und Tierschützern ist noch nicht entschieden. Entschieden ist auch noch nicht, ob Kistners rund 100 Laufvögel unter die Stallpflicht fallen, obwohl es sich bei ihnen zweifellos trotz einer Körpergröße von bis zu 2,5 Metern um Geflügel handelt, eierlegend und zum Verzehr geeignet. Damit es gar nicht so weit kommt, hat der langjährige Präsident des Berufsverbandes Deutsche Straußenzucht eine Ausnahmegenehmigung beantragt. „Das Veterinäramt war am Mittwoch da und hat sich umgesehen“, berichtet der 69-Jährige, der zuversichtlich ist, dass seine Tiere nicht hinter Schloss und Riegel kommen. Doch da Rheinland-Pfalz zwar bisher vogelgrippenfrei, aber im Management der Seuche unerfahren sei, wisse er nicht, wie die Behörden urteilen. Kistner weiß nur: Wenn er die majestätisch umherschreitenden Vögel einsperrt, „wäre das mit hoher Wahrscheinlichkeit ihr Todesurteil“. Zwar ist die reine Stallhaltung auch für Rassegeflügel oder etwa Tiere in Wildparks eine Qual, bei Straußen ist sie jedoch unmöglich, wie Martina Eisel betont, die auf der Straußenfarm Hermersberg (Kreis Südwestpfalz) aktuell etwa 70 Tiere hält: „Strauße müssen rennen. Wenn man sie einsperrt, werden sie aggressiv.“ Und wie. „Strauße fechten permanent Rangkämpfe aus“, erklärt Kistner. Im Freien können sie sich aus dem Weg gehen, im Stall würden sich die Tiere oft gegenseitig tödlich verletzen. Dazu kommt, dass sie einen Pick-Instinkt besitzen, ständig beackern Strauße bei der Nahrungssuche den Untergrund. Auf 20.000 Picks kommt ein Strauß am Tag, schätzt Kistner. Im Stall würde er mangels anderer Anreize dieses Bedürfnis wohl am Federkleid der Mitgefangenen ausleben. Darüber hinaus sei der Strauß für seinen Stoffwechsel auf das Vitamin D3 angewiesen. „Das bildet sich aber nur unter natürlichem Licht“, sagt Kistner. Sind Strauße über längere Zeit eingebuchtet, entziehen sie das Kalzium, das sie für die Eierschalen brauchen, den eigenen Beinknochen. Die Folge: Diese werden brüchig wie Glas. Gibt das Tier dann Gas – laut Kistner in zwei Sekunden auf Tempo 70 –, bricht der Knochen. Dann sei der Vogel jedoch nicht mehr zu retten. „Was man nicht vergessen darf: Im Stall treten unweigerlich die typischen Erkrankungen auf, zum Beispiel Pilzbefall der Atemwege. Auch das kann tödlich sein“, sagt der Rülzheimer Züchter, der Küken bundesweit an Straußenfarmen abgibt und im Gegenzug Straußenfleisch von dort bezieht und vermarktet. Für ihn ist eindeutig: „Strauße gehören ins Freie.“ Die Tiere seien sehr robust, Temperaturen bis minus 25 Grad würden sie locker wegstecken. Darum hat er auch nur Unterstände auf seinem weitläufigen Areal. Doppelte Zäune und die Schließung des zugehörigen kleinen Parks, um die Tiere von Menschen fernzuhalten, Schutzkleidung für die Angestellten, Desinfektionsmaßnahmen – alles ist Kistner bereit mitzutragen. Aber einsperren wird er seine bis zu 25 Jahre alten Zuchttiere nicht, das sei einfach nicht artgerecht. Es ist paradox. Die Stallpflicht soll die Vögel schützen, bringt sie aber um, auf die eine oder auf die andere Weise. Kistner: „Lieber schlachte ich alle, als sie über Wochen und Monate in den Stall zu stecken. Wenn der Kreis die Tiere keulen will – bitte. Aber die sollen es selbst machen. Ich weigere mich.“

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