Neustadt Rückblick auf 15 Berufsjahre: Feuerwehrchef vor Ruhestand

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Interview: Nach 15 Jahren als Chef der Ludwigshafener Berufsfeuerwehr geht der Hambacher Peter Friedrich am 24. Februar in den Ruhestand. Mit dem 59-Jährigen haben wir über die Gefahren des Jobs, seinen Nachfolger, die Explosion im Landeshafen und die Rolle des BASF-Vorstandsvorsitzenden Kurt Bock gesprochen.

Herr Friedrich, wer lebt denn gefährlicher, ein Feuerwehrmann oder ein Formel 1-Rennfahrer?

Ich würde sagen, ein Feuerwehrmann. Warum? Weil sich ein Formel 1-Pilot auf Gefahren einstellen und vorbereiten kann. Das versuchen wir bei der Feuerwehr auch. Nur wissen wir nicht, wann ein Rennen stattfindet. Wer in Ludwigshafen mit täglich 16.000 Gefahrguttransporten bei der Berufsfeuerwehr arbeitet, muss also wissen, dass er sein Leben riskiert? Die letzten Monate haben uns ja drastisch vor Augen geführt, wie gefährlich der Beruf hier ist. Dessen ist man sich immer bewusst. Die Stadt ist seit Jahren im Katastrophenmodus: 2013 der Brand auf der Parkinsel, 2014 die Gasexplosion in Oppau/Edigheim, am 17. Oktober das BASF-Unglück mit vier Todesopfern im Landeshafen Nord, darunter drei Feuerwehrleute. Das geht doch auch an einem erfahrenen Haudegen wie Ihnen nicht spurlos vorbei, oder? Nein. Jeder geht anders damit um. Da gibt es kein Patentrezept. Es ist wichtig, mit den Kollegen zu reden. Man darf nicht alle Probleme mit nach Hause nehmen. Für mich ist die Familie der ruhende Pol, um wieder herunterzukommen. Wissen Sie, wie es den Angehörigen der bei der BASF-Explosion verunglückten Wehrleute geht? Zum Teil ja. Die Opfer waren BASF-Kollegen, da fragt man nicht explizit nach, bekommt aber einiges mit. Gerade zur Weihnachtszeit war die Trauer besonders ausgeprägt. Das war eine ganz schwierige Situation. Für diese Menschen war von heute auf morgen die ganze Welt zerstört. Feuerwehrleute gelten als eine verschworene Einheit – wie nah ging den Kollegen das BASF-Unglück? Das ging allen ganz nah. Darüber wird bis heute fast täglich gesprochen. Das Thema ist ständig in der Diskussion, das geht nicht anders. Das hilft, um sich auf künftige Einsätze vorzubereiten und sich der Gefahr bewusst zu werden. Denn wenn lange nichts passiert, wiegt man sich in einer trügerischen Sicherheit. Das darf nicht passieren. Man muss immer konzentriert sein und die Augen offen halten. Wie beurteilen Sie das Unglück mit etwas Abstand? Die Menschen im Umland hat es sehr aufgewühlt. Man muss versuchen, damit umzugehen. Mir gelingt das auch noch nicht abschließend. Das belastet mich immer noch. Die verstorbenen Kollegen waren ja keine Unbekannten. Man muss sich immer wieder verdeutlichen, wie riskant der Job ist und Schlüsse daraus ziehen, etwa für die Ausbildung. Da sind wir mit der BASF und den Kollegen in Mannheim permanent im Austausch. Nennen Sie mal ein Beispiel? Im Prinzip haben die Kollegen vor Ort alles richtig gemacht, als sie den vorgegebenen Abstand von 50 Metern zum Brandort eingehalten haben. Das hätten wir genauso getan. Aber offensichtlich reichen 50 Meter in so einer Situation nicht aus. Das ist eine Erkenntnis, die wir aus dem Unglück gezogen haben. Das heißt: Die Abstände müssen größer werden, wir müssen die Leute entsprechend ausbilden, und wir müssen über eine Technik nachdenken, mit der wir eine Distanz von mehr als 50 Metern überbrücken können. Darüber diskutieren wir aktuell. Wo und wie haben Sie von der Explosion erfahren? Ich war im Dienst. Ich habe gleich die erste Alarmierung mitbekommen und saß bis zum Ende im Krisenstab. Was wir zunächst wussten, war: Explosion bei der BASF, Massenanfall von Verletzten. Das waren die ersten Stichworte. Würden Sie sagen, das Krisenmanagement hat funktioniert? Ja, ich würde sagen, das ist gut gelaufen, auch wenn bei so einem Ereignis immer ein paar Minuten verstreichen, bis sich alle gesammelt haben. Aber die handelnden Personen kennen sich gut und wissen, was zu tun ist. Die Warn-Apps und Sirenen haben nicht überall zuverlässig funktioniert. Woran lag das? Wir können die Sirenen nur einschalten. Wir wissen aber, dass wir damit nicht alle Bürger erreichen. Bei der lokalen App Katwarn ist es uns – warum auch immer – zunächst nicht gelungen, sie zu starten. Dafür haben wir die bundesweite App Nina aktiviert, die sehr schnell lief. Parallel dazu liefen Warnserver für Schulen und Kindergärten im Norden der Stadt. Und wir haben die Krankenhäuser zügig verständigt. Mit kleinen Pannen und damit, dass nicht jeder die Sirenen hört, muss man rechnen. Wir müssen künftig verstärkt auf die über Smartphones erreichbaren Apps bauen. Schon im Januar werden wir damit beginnen, die Sirenen umzurüsten. Klar ist: Sie sind kein Allheilmittel mehr. Die Menschen wollen schnell Verhaltenshinweise haben. Deswegen sind die Apps so wichtig. BASF-Vorstandschef Kurt Bock stand in der Kritik, weil er sich erst elf Tage nach dem Unglück in der Öffentlichkeit gezeigt hat. Wie sehen Sie das? Für unsere Arbeit war das zunächst einmal nicht von Interesse. Anders gefragt: Teilen Sie die Kritik? Ja. Solche Kriseneinsätze sind meines Erachtens Chefsache. Dazu muss sich der Chef äußern. Nicht gleich am Anfang, aber spätestens dann, wenn erste Fakten auf dem Tisch liegen. Aber das ist BASF-Sache. Es gab auch Lob. Sie wurden in einigen Kommentaren als Fels in der Brandung bezeichnet. Oberbürgermeisterin Eva Lohse sagt über Sie: „Peter Friedrich war und ist den schwierigsten Situationen gewachsen.“ Das ist mein Job, dafür werde ich bezahlt. Vom führenden Kopf einer Berufsfeuerwehr darf man das erwarten. Nach der Brandkatastrophe 2008, bei der neun Menschen in der Innenstadt ums Leben gekommen sind, haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. Was bringt einen Mann wie Sie eigentlich aus der Ruhe? Wenn Dinge nicht so schnell laufen, wie ich es gerne hätte. Aber das ist eine alte Feuerwehrkrankheit. Der Job bereitet Ihnen aber trotz der bisweilen schrecklichen Bilder und Ereignisse immer noch Freude? Ja. Warum hören Sie dann am 24. Februar auf? Weil ich dann mit 60 die Altersgrenze bei der Feuerwehr erreicht habe. Dann ist einfach Schluss. Da ich persönlich sehr für diese Altersgrenze gekämpft habe, muss ich mich auch daran halten. Ich merke natürlich auch, dass es bei mir nicht mehr so einfach geht wie vor zehn oder 15 Jahren. Man verdrängt das zwar gerne, sollte sich selbst gegenüber aber ehrlich damit umgehen. Ist das aber nicht ein gefährlich frühes Alter, um in den Ruhestand zu gehen? Fragen Sie mich das in drei Jahren. Darauf komme ich gerne zurück. Was muss jemand mitbringen, der Ihr Nachfolger werden will? Eine sehr fundierte Ausbildung und Spaß an seinem Beruf. Und er muss sich darüber im Klaren sein, dass dieser Job ihn 365 Tage im Jahr rund um die Uhr in Anspruch nimmt. Und wer folgt auf Peter Friedrich? Mein Stellvertreter Stefan Bruck. Er ist mit 49 noch relativ jung und bringt alles mit, was der Leiter einer Berufsfeuerwehr mitbringen muss. Ahnen Sie schon, was Ihnen am meisten fehlen wird? Die morgendliche Kaffeerunde mit den verantwortlichen Kollegen des Tagdienstes. Da werden alle Probleme und Fragen geklärt. Wenn Sie den Blick auf Silvester richten: Freuen Sie sich da aufs neue Jahr oder denken Sie an die Einsätze, die durch die Böllerei oder Raketen-Irrläufer auf Ihr Team zukommen? 2016 war schon ein hartes Jahr, deswegen freue ich mich, wenn es bald hinter mir liegt. Was die Böllerei angeht, kann man eigentlich nur an die Vernunft aller appellieren, dass sie sich an das halten, was auf den Packungen steht und keinen Unsinn mit dem Kram machen. Wenn so eine Batterie mit 60 Schuss mal angezündet und falsch postiert ist, hat man sie nicht mehr unter Kontrolle. Mal sehen. Ich werde Dienst haben. Wenn Sie als Privatmann einen Strich unter 2016 ziehen und dabei über die Grenzen Deutschlands hinausblicken – was steht da drunter? Weltweit große Veränderungen – und nicht unbedingt im Positiven. Zurück zur Eingangsfrage und den Themen Gefahr und Geschwindigkeit: Sie sind zwar kein Formel 1-Pilot, aber leidenschaftlicher Motorradfahrer. Sie halten sich doch immer schön ans Tempolimit, oder? Meistens. (lacht)

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