Panorama Raubzug auf dem Stundenplan

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Oslo. Seit gut einer Woche läuft in Norwegen die erste staatliche Schulausbildung weltweit im Wikinger-Sein. Die Bewerberzahl war auch wegen populärer Fernsehserien wie „Game of Thrones“ hoch.

Vieles von dem, was man heute über die Wikingerzeit weiß, ist kaum oder nur schlecht historisch belegt. Doch Sagen und andere Anhaltspunkte gibt es viele. Einst waren die durch ihr kaltes Heimatklima gestählten Seefahrer bis hin nach Vorderasien berühmt-berüchtigt. Mit ihren schnellen Booten plünderten sie von 800 bis 1050 nach Christus Küstenstädte in ganz Europa und Westasien. Es wird angenommen, dass einige von ihnen sogar lange vor Christoph Columbus nach Amerika kamen. Oft ermordeten sie bei ihren Raubzügen die Männer und entführten Frauen und Kinder in ihre nur dünn besiedelte skandinavische Heimat.Ganz so brutal soll die erste staatliche Schulausbildung im Wikinger-Sein in Norwegen an der weiterführenden Schule von Seljord, 150 Kilometer westlich von Oslo, nicht verlaufen. Die Schüler werden zwar auch das Waffenhandwerk und alte Zeremonien erlernen, berichtet Rektor Husby. Aber „Opferrituale, etwa mit Tieren, wird es entgegen anderslautenden Gerüchten nicht geben“. Der Ansturm war groß auf das ein Schuljahr laufende Studienprogramm. Husby denkt bereits über eine Ausweitung der Plätze im kommenden Herbstsemester nach. „Einige bewerben sich, weil sie durch in Mode gekommene Fernsehserien wie ,Game of Thrones’ fasziniert sind. Andere, weil sie vor allem die handwerklichen Techniken der Wikinger erlernen wollen,“ sagt er. „Im Kurs geht es unter anderem darum zu lernen, wie die Wikinger damals ihre Mahlzeiten zubereiteten, ihre Kleidung und Schuhe herstellten, ihre Häuser und Boote bauten und ihre Waffen und ihren Schmuck schmiedeten“, erklärt der Rektor. Allerdings ist auch ein kleiner „Raubzug“ im Stundenplan eingeplant. Die britische Hafenstadt York, einst Stützpunkt der Wikinger unter dem Namen Jorvik, soll von den angehenden Wikingern besucht werden. „Die fahren aber nicht im Schiff hin, sondern fliegen mit dem Flugzeug.“ Leiten werden das Programm der nach eigenen Angaben „erste Wikingerschullehrer der Welt“, Jeppe Nordmann Garly, und seine Frau Linnea. Hinzu kommen externe Lehrkräfte mit Spezialkenntnissen in unterschiedlichen Disziplinen. Dass die Schule ein Anziehungsort für Neonazis wird, die sich immer wieder von den nordischen Kriegern und ihren Symbolen angezogen fühlen, glaubt Husby nicht. „Sollte sich ein Rechtsextremer hierhin verirren, klären wir ihn darüber auf, dass die Wikinger mit der Nazi-Gedankenwelt um Rasse und so weiter gar nichts zu tun hatten“, sagt er. Die Wikingerfrauen sollen über mehr Freiheiten und Macht verfügt haben als in anderen Kulturen. Weil ihre Männer ständig weit weg auf See waren, herrschten sie über Haus und Hof. Sie durften Handel und Handwerk betreiben. Die Männer wiederum sollen nicht nur böse gewesen sein. Sie sollen weitab der Heimat als zuverlässige Händler bekannt gewesen sein, die sogar herangezogen wurden, um in Konflikten zwischen lokalen Rivalen zu vermitteln. Die 14 zugelassenen Schüler, darunter fünf Mädchen, sind zumeist frischgebackene Abiturienten. Die Studiengebühren betragen umgerechnet 10.000 Euro. Untergebracht und verpflegt werden sie in der Volkshochschule. Das Programm ist nicht als akademischer Kurs zu verstehen, sondern gleicht einer Berufsorientierung. Auch einen Arbeitsmarkt gibt es laut Husby für Absolventen: Mittelalterfestivals und Spektakel sowie Events an historischen Orten und in Museen, bei denen die Vergangenheit lebendig wird, erfreuten sich großer Beliebtheit.

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