Rheinland-Pfalz Q-Fieber aus der Pfalz nach Kanada?

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NEUSTADT/KOBLENZ. Der Ausbruch des für Menschen nicht ungefährlichen Q-Fiebers im vergangenen August im Neustadter Ortsteil Lachen-Speyerdorf hat mit großer Wahrscheinlichkeit auch zu einer Erkrankung in Kanada geführt. Eine ältere Frau aus der Provinz Ontario hat sich nach Überzeugung der kanadischen Gesundheitsbehörden bei einer Frischzellen-Therapie in der Vorderpfalz angesteckt. Der Fall ist ohne wissenschaftlich belegtes Beispiel und könnte die schon Jahrzehnte dauernde erbitterte Diskussion um die Frischzellen-Behandlungen neu befeuern.

Anfang September haben die Kanadier das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin über den Q-Fieber-Fall in Ontario informiert. Sie gehen davon aus, dass die Frau bei einer Injektion von Zellmaterial aus Schafsföten und einer Schafsplazenta (so genannte „Frischzellen“) angesteckt worden war und schließen andere Infektionswege aus. Die Frischzellen-Behandlung der Kanadierin erfolgte Ende Mai im Landkreis Südliche Weinstraße. Nach ihrer Rückkehr aus Deutschland Anfang Juni erkrankte die Frau und hatte unter anderem hohes Fieber. Nach umfangreichen Labortests waren die kanadischen Mediziner Ende Juli sicher: Die Frau hatte Q-Fieber und dieses wohl aus Deutschland eingeschleppt. Das RKI hat die Meldung aus Kanada bestätigt. Den von den kanadischen Behörden vermuteten Infektionsweg nannte eine Sprecherin gegenüber der RHEINPFALZ „vorstellbar“. Das RKI untersteht dem Bundesgesundheitsministerium und ist unter anderem für die Bekämpfung von Seuchen zuständig. Q-Fieber ist eine Erkrankung, die auf verschiedenen Wegen von Nutztieren auf Menschen übertragen werden kann. Die Krankheit kann einen schweren Verlauf nehmen und in seltenen Fällen zum Tod führen. Als Risikogruppen gelten Schwangere sowie Menschen mit Herzfehlern. Was Ende Juli, als die Ärzte in Ontario endgültig Q-Fieber diagnostizierten, in Deutschland noch niemand wusste: Im Neustadter Ortsteil Lachen-Speyerdorf gibt es tatsächlich einen Ausbruch des Q-Fiebers. Nachdem dort im August mehrere Fälle von schwerer Lungenentzündung bekanntgeworden waren, stellte das zuständige Gesundheitsamt bei der Kreisverwaltung Bad Dürkheim in drei Schafherden auf Lachen-Speyerdorfer Gemarkung die Seuche fest. Nach Auskunft des Gesundheitsamtes liefert einer dieser Betriebe das Material für Frischzellentherapien. Und offenbar haben dabei jene Kontrollen versagt, die nach Darstellung der Gesundheitsbehörden in der Verantwortung der Frischzellen-Therapeuten liegen und die Übertragung gefährlicher Krankheiten auf den Menschen verhindern sollen. „Stichprobenartige Kontrollen“ der betreffenden Schafherden in Verantwortung der Therapeuten in April, Mai und Juni hätten jeweils keine Hinweise auf Q-Fieber ergeben, sagte die Sprecherin der Kreisverwaltung Bad Dürkheim. Die Frischzellen-Behandlung ist ein äußerst umstrittenes Verfahren der alternativen Medizin. Den Patienten werden Suspensionen aus meist ungeborenen Kälbern oder Lämmern gespritzt. Die Verfechter der Frischzellen versprechen Wirksamkeit gegen chronische Erkrankungen aller Art, gegen Krebs und gegen Altersbeschwerden. Die Schulmedizin lehnt die Frischzellen-Therapie ab: Deren Wirksamkeit sei nicht nachgewiesen. Es bestehe die Gefahr von schweren allergischen Reaktion und der Ansteckung mit Krankheiten wie BSE und Tollwut. Nach Einschätzung von Branchenkennern ist die Bedeutung der Frischzellentherapie in Deutschland rückläufig. In Rheinland-Pfalz gibt es nach Auskunft des zuständigen Landesamts für Soziales, Jugend und Versorgung (LSJV) nur noch zwei Frischzellen-Anbieter: eine Klinik und eine Praxis im Landkreis Südliche Weinstraße. Der damalige Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) hatte Ende der 90er Jahre versucht, Herstellung und Verkauf von Frischzellen in Deutschland zu verbieten. Er scheiterte aus formalen Gründen am Bundesverfassungsgericht: da die Präparate von den Kliniken hergestellt und direkt injiziert werden, würden die Frischzellen nicht „in den Verkehr gebracht“ und damit sei der Bund nicht zuständig gewesen. Seither tun sich die Behörden offenbar schwer mit dem Thema Frischzellen: Für die Kontrollen seien die Länder zuständig, heißt es lapidar beim RKI. Dieter Starke, Referent für Arzneimittelüberwachung beim LSJV erklärte, die Länder arbeiteten noch an gemeinsamen Kriterien für die Sicherheit der Frischzellen-Herstellung. Ziel sei, an die Hersteller ähnlich hohe Anforderungen zu stellen wie an Arzneimittelproduzenten. Auf Anordnung des LSJV ruht derzeit die Frischzellen-Produktion in Lachen-Speyerdorf. Einer der betroffenen Mediziner ist der Arzt Robert Janson-Müller, der in Edenkoben eine entsprechende Praxis betreibt. Dass die Frau aus Kanada sich bei ihm infiziert haben könnte, sei „theoretisch möglich“, aber nicht bewiesen, sagte er. Im Stadtkreis München wurde übrigens ein weiterer Fall von Q-Fieber gemeldet, der von Experten mit dem Ausbruch in Lachen-Speyerdorf in Verbindung gebracht wird. Dem Vernehmen nach war ein Arzt, der Frischzellen hergestellt hatte, selbst erkrankt.

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