Neustadt Papierfabrik verkauft

Insolvenzverwalter Paul Wieschemann teilt mit, dass das 9000 Quadratmeter große Gelände mit 28 Gebäuden der ehemaligen Papierfabrik Hoffmann & Engelmann verkauft ist. Der Käufer habe sich Stillschweigen zu Details festschreiben lassen. Es sei ein toller Erfolg, einen Entwickler mit Visionen gefunden zu haben. „Wir haben in kurzen Verhandlungen einen akzeptablen Preis erzielen können“, so der Kaiserslauterer Anwalt. Bei dem Käufer handelt sich um einen Hambacher, der Chemie und Verfahrenstechnik studierte und in einem Neustadter Gewerbegebiet bislang Forschung im Bereich Materialwissenschaft betrieb. „Es geht um Stahl, Keramik und Kunststoffe“, erklärt er auf Anfrage. Er stehe unmittelbar am Übergang von der Forschung zur Produktion. Deshalb lege er aus Wettbewerbsgründen Wert darauf, dass sein Namen vorerst nicht genannt werde. Der 59-Jährige stammt aus dem Ruhrgebiet, kam 1985 über eine Anstellung bei der BASF in die Pfalz und machte sich 1992 selbstständig. Sein Unternehmen arbeite mit großen Forschungseinrichtungen zusammen, unter anderem dem Max-Planck- und dem Fraunhofer-Institut, es gebe auch Projekte gemeinsam mit Siemens oder dem Airbus-Konzern. Er werde zum Start rund 50 Arbeitsplätze ansiedeln. „Wenn wir die erwartete Entwicklung nehmen, sind wir in zehn Jahren der größte Arbeitgeber Neustadts“, gibt er sich selbstbewusst. Der Unternehmer kündigt an, „einen nennenswerten zweistelligen Millionenbetrag“ in das seit 2005 brachliegende Fabrikgelände zu investieren. Er will mehrere Unternehmen als Untermieter ansiedeln. Sicher seien bereits eine Forschungsgesellschaft aus Norwegen, ein Architekturbüro, eine Werbeagentur, ein Trockenbauer, ein Spezialverlag und eine Spedition. Ein Gründerzentrum ist geplant. Das Gelände ist in einem schlechten Allgemeinzustand. Kupfer- und Eisendiebe haben in den Gebäuden ihr Unwesen getrieben. Die Elektroinstallationen sind fast überall herausgerissen. In der Jugendstilvilla hausten zeitweise Jugendliche. Der neue Eigentümer legt Wert auf die Feststellung, dass er keine öffentlichen Gelder erhalte – „beim Wirtschaftsministerium in Mainz hat man mich stets abblitzen lassen“. Auch Banken hätten abgesagt – „mit Forschung wollen die nichts zu tun haben“. Das Projekt sei ausschließlich mit privatem Kapital finanziert. „Es gibt in Neustadt einige vermögende Leute, die mir geholfen haben“, erklärt er. Für den Standort im Schöntal hätten mehrere Aspekte den Ausschlag gegeben. „Die zwei riesigen Hallen, in denen früher die Papiermaschinen standen, sind baulich im guten Zustand“, zählt er auf. Außerdem seien mit dem Grundstück die Wasserrechte für den Speyerbach verbunden. „Wir brauchen das Wasser zum Kühlen bei unserem Produktionsprozess“, erklärt er. Ebenso wichtig seien aber die 20.000-Volt-Überlandleitung und die Gasfernleitung ins Saarland, die unmittelbar an der Grundstücksgrenze entlang laufe. Der Unternehmer betont, dass seine Produktionen umweltschonend und ohne Immissionen abliefen. Ressourceneffizienz stehe im Mittelpunkt seiner Forschung. „Wir versuchen Werkstoffe zu ersetzen, deren Vorrat begrenzt ist. “ Er nennt das Beispiel Indium, ein Schwermetall, das als Leiter für Flachbildschirme und Touchscreens eingesetzt wird. Auch für eine Edelstahlproduktion ohne Chrom und Nickel müssten Ersatzstoffe gefunden werden. Der Chemiker erklärt, hoch qualifizierte Arbeitsplätze schaffen zu wollen. „Wir konkurrieren mit Großkonzernen um Leute, die sehr viel Geld verdienen können und weltweit mobil sind, deswegen müssen wir auch mit einer tollen Landschaft und einem hohen Freizeitwert punkten“, erklärt er. Das sei für ihn der Grund gewesen, sich in Neustadt niederzulassen. Und das habe nun auch für den Kauf des Geländes gesprochen. Im Gespräch sei auch ein Grundstück in Koblenz gewesen. Dass er sich kurzfristig umentschieden habe, hänge mit der neuen Wirtschaftsfördererin Anna-Lena Schatten zusammen: „Die hat mich davon überzeugt.“ Zu den Visionen des neuen Eigentümers gehören Kulturveranstaltungen im sogenannten „Forum“, einem Dreieck zwischen drei Gebäuden und einer Mauer. Den Park des Geländes mit einem Springbrunnen will er aufwerten. Eine Halle, der Bauhaus-Turm und die Villa der einstigen Firmenbesitzers stehen unter Denkmalschutz und sollen teilweise auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. „Wir haben hier in den ersten Tagen so viele Schätze gefunden, dass wir an ein Industriemuseum denken.“ In der 1893 errichteten Villa zieht die Firmenzentrale ein. Der 85 Meter hohe Schornstein, das höchste Gebäude der Stadt, bleibt als Wahrzeichen erhalten. Er steht nicht unter Denkmalschutz. Wirtschaftsfördererin Anna-Lena Schatten gibt das Lob zurück: „Das ist ein Unternehmer mit viel Visionskraft. Und wenn das nicht seriös wäre, dann hätte er den Insolvenzverwalter bestimmt nicht überzeugen können.“

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