Bad Dürkheim Operation Dornröschen erwecken

91-63399983.jpg

Eines der markantesten Gebäude in Wachenheim soll aus einem langen Schlaf geholt werden. Ein Architekten-Ehepaar plant den Umbau der früheren Weinstube Wachtenburg. Auf rund 500 Quadratmetern sollen jeweils zwei Wohnungen und Ferienappartements entstehen. Doch was wird aus dem einstigen Lokal?

Wer im Café Schellack direkt neben der Kirche in Wachenheim vor dem kleinen Tresen steht und eine halbe Drehung vollzieht, blickt durch das Fenster unweigerlich die Straße hinauf in Richtung der einstigen Wachtenburg Weinstube. Man könnte nun dazu übergehen und sich das spätbarocke und etwas in die Jahre gekommene Gebäude in dieser Haltung einfach mit mehreren Rieslingschorlen schön Trinken. Auf einmal wäre wieder Licht im Gebäude, die Fassade würde glänzen. Sogar kleine Dachterrassen ließen sich erahnen. Dort, wo sich einst Menschen zum Tanz versammelten. Dort, wo später Schlecker Zahnseide der Eigenmarke AS und günstiges Katzenstreu anbot. Erst im Licht eines neuen Tages würde wieder Klar, dass dieses Domizil in Wahrheit seit Jahren auf eine Nutzung wartet. Auf eine Nutzung, die das Haus auch als Gesamtobjekt aufwertet. Nun ist es nicht überliefert, ob Martin Naumann mit seiner Frau, beide Architekten aus Stuttgart, bei einer Schorle letztes Jahr eines schönen Abends von einem der kleinen Runden Tische im Schellack die Straße hinauf geblickt hat. Fest steht aber, dass er in dem Gebäude ein Potenzial erkannt hat, das in den vergangenen Jahren nicht viele gesehen haben. Um es mit anderen Worten zu sagen: Das Teil war tot und sah außerdem auch noch so aus. Die Operation, die nun folgen soll, könnte den Arbeitstitel „Dornröschen wecken“ tragen. So einfach ist das jedoch nicht, denn das Landesdenkmalamt erlaubt keine großen Veränderungen am äußeren Korpus. Naumann beschreibt sein Vorhaben daher wie folgt: „In den Obergeschossen werden Wohnungen sensibel in den Bestand eingefügt. Der spätbarocke Bau wird in seinem ortsbildprägenden Charakter gestärkt. Aus der historischen Substanz entsteht kombiniert mit zeitgemäßer Ausstattung und moderner Technik individueller Wohnraum.“ Demnach soll nach vorn zum Platz hin eine großzügige Dreizimmerwohnung entstehen, im hinteren Bereich plant er eine Maisonettewohnung, die sich bis in den historischen Dachstuhl erstreckt. Der einstige Tanzsaal im Erdgeschoss, der zwischenzeitlich als Supermarkt und später als Filiale des Schlecker-Konzerns diente, soll nun „zu einem Domizil auf Zeit“ umgebaut, also zu einer Ferienwohnung werden, wie die Architekten planen. Mit dem Gebäude verbunden ist auch der kleine Anbau, auf dem eine Wandbemalung die Wachtenburg zeigt. Dieser Bau diente früher als Personalraum für die Mitarbeiter des Drogeriemarkts. Dort sind auch sanitäre Anlagen untergebracht. Das Ehepaar Naumann plant eine Aufstockung, so dass dort eine Dachterrasse entstehen kann, von der aus ein Blick Richtung Wachtenburg und auch in Richtung Rheinebene möglich ist. Völlig offen ist jedoch noch, was mit dem Herzstück, der einstigen Weinstube, geschieht. Dem Vernehmen nach ist nicht ausgeschlossen, dass dort wieder eine Weinstube einziehen könnte. Da sei noch nichts klar, so Martin Naumann, der in längeren Verhandlungen mit der vorherigen Eigentümerin Andrea Sebastian (geborene Podotzki) gestanden hatte. Die Dürkheimerin zeigte sich mit dem Verkauf sehr zufrieden: „Ich denke, das Haus ist in die richtigen Hände gegangen“, sagte sie zur RHEINPFALZ. Dieser Überzeugung ist auch Stadtbürgermeister Torsten Bechtel. Er wolle nicht übertreiben, aber dieses Objekt könne zum Symbol der Stadtsanierung werden, meinte er auf Nachfrage. Das Gebäude sei entscheidend, weil es ortsbildprägend sei. „Es rundet das Ensemble mit Marktplatz, Kirche, Café Schellack und Sektkellerei ab“, so Bechtel. Das neue Besitzerehepaar (beide haben Architektur in Kaiserslautern studiert, besitzen bereits eine Ferienwohnung in Wachenheim und haben die Pläne für das Hotel Seehaus Forelle am Eiswoog gemacht) will baldmöglichst mit den Arbeiten beginnen. Wie hoch die Investitionskosten am Ende liegen werden, sei schwer vorherzusagen, so Naumann. „Zwischen 1000 und 2000 Euro pro Quadratmeter“, schätzt der 44-Jährige. Bei 500 Quadratmetern kämen so schnell 500.000 Euro zusammen. Eine Förderung ist vom Land zu erwarten. Entsprechende Anträge will die Stadt laut Bürgermeister stellen. Wie Sina Müller, Pressesprecherin im Kreishaus, sagte, gebe es von Seiten des Denkmalschutzes bisher keine Einwände gegen die Pläne. Immerhin ist der stattliche Mansardwalmdachbau aus dem späten 18. Jahrhundert Teil der Denkmaltopographie der Stadt Wachenheim. Wer heute Abend im Schellack sitzt, kann ja mal die Straße hinauf schauen ... MEHR ZUM THEMA:

x