Wissen Nie wieder Chlorgestank

Schwimmbadluft kann bei Kindern Allergien auslösen und schädigt die Umwelt. Das weiß man seit Jahren. Forscher wollen das nun ändern.

Die 6700 deutschen Frei- und Hallenbäder zählen bis zu 300 Millionen Besucher pro Jahr. Chlorgeruch wird als notwendiges Übel akzeptiert. Schließlich geht es um die Hygiene im Wasser. Doch die Schwimmbadluft kann zu Reizungen der Augen und der Atemwege führen. Und vor einigen Jahren entdeckten belgische Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen Asthma und dem häufigen Aufenthalt von Babys und Kleinkindern in Schwimmbädern. Diesen Befund haben mehrere Studien bestätigt. Doch am am Chlor im Badewasser führt im Moment kein Weg vorbei, darin sind sich die Experten einig. Kein anderes Mittel tötet so sicher Krankheitserreger und andere Keime ab wie stark verdünntes Chlorgas oder andere Hypochloritverbindungen. Nicht das Chlor selbst verbreitet den typischen Schwimmbadgeruch, sondern die Abbauprodukte, die entstehen, wenn das Chlor mit den Stoffen im Wasser reagiert, die der Mensch ins Becken trägt: Hautschuppen, Fett, Schweiß, Urin und andere Körperflüssigkeiten, Sonnenschutzmittel, Cremes, Kosmetika. Genau hier setzt eine neue Technik an: die Nanofiltration. Sie will die Substanzen aus dem Wasser holen, bevor das Chlor sie zersetzt. Die Filter-Membranen haben Poren, die nur ein Millionstel eines Millimeters groß sind. So bleiben nicht nur Keime, sondern auch organische Verbindungen und andere im Wasser gelöste Substanzen hängen, erklärt Michael Reis. Reis ist technischer Geschäftsführer der Firma W.E.T. im bayerischen Kasendorf. Das Unternehmen erprobt derzeit die neue Technologie im Rheintalbad im baden-württembergischen Waghäusel. Es sieht offenbar gut aus: „Bei einer dreimonatigen Testphase konnte im Rheintalbad Frischwasserqualität erreicht werden“, erklärt Florencia Saravia, Wissenschaftlerin am Karlsruher Institut für Technologie. Sie untersuchte die Wasserproben aus Waghäusel im Labor. Doch noch sind längst nicht alle im Badewasser ablaufenden chemischen Vorgänge verstanden. Saravia etwa geht der Frage nach, welche Moleküle hauptsächlich für die Entstehung des Schwimmbadgeruchs verantwortlich sind. Wenn ein Großteil dieser Stoffe so schnell aus dem Badewasser entfernt würde, dass es nicht zu einer Reaktion mit Chlor kommt, würde das die Schwimmbadatmosphäre deutlich verbessern, meint sie. Ein weiteres ungelöstes Problem: Das neue Verfahren verbraucht mehr Energie als die bislang gebräuchlichen Filtertechniken. Das Wasser muss nämlich mit hohem Druck durch die Nanomembranen gepresst werden. In Waghäusel schickt man deshalb in einem Umlauf weniger als 1 Prozent des Wassers durch die Nanofilter. Das genügte schon. Ein wichtiger Grund dafür sei die gute Qualität des Trinkwassers vor Ort. „Die Versuchsanlage lief nur vier Stunden am Tag“, erzählt Michael Reis. Das Ergebnis sei vielversprechend, auch wenn man von einem wirtschaftlichen Betrieb noch weit entfernt sei. Und für die meist kommunalen Betreiber seien Schwimmbäder ohnehin eine finanzielle Belastung, sagt Franz-Peter Heidenreich, Referent bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), die an dem Projekt beteiligt ist. Im Moment bleibt das Wasser im Schnitt ein bis eineinhalb Monate im Becken, bevor es nach und nach im Kreislaufverfahren durch frisches Trinkwasser ausgetauscht wird. Das Wasser öfter zu wechseln, würde viel Energie kosten, da es auf etwa 29 Grad Celsius aufgeheizt werden muss. Heidenreich schlägt deshalb vor, dass die Schwimmbäder die neuen Nanofilter gezielt dort einsetzen, wo es am meisten nottut. In den Kinder- oder Warmsprudelbecken etwa, weil sich dort die Keime besonders gut vermehren können. Da in modernen Bädern jedes Becken einen eigenen Wasserkreislauf hat, müsste das möglich sein. „Eine bessere Wasseraufbereitung kommt nicht nur den Badegästen zugute, sondern auch der Umwelt“, betont Heidenreich. Denn über die Kanalisation landet das Schwimmbadwasser nach und nach in der freien Natur. Und die Chloratmosphäre über den Becken setzt auch der Umgebung zu. Die Hauptschädiger in der Badluft sind die Chloramine und das Trichlormethan, das als „Chloroform“ früher für die Narkose eingesetzt wurde und in höherer Dosis als krebserregend gilt. Bei den Chloraminen steht vor allem Trichloramin im Verdacht, das Lungengewebe anzugreifen und dadurch Asthma auszulösen, wie das Umweltbundesamt bereits 2011 warnte. Betroffen sind vor allem überempfindliche Kinder, was meist auch mit Allergien verbunden ist. Verbessert hat sich freilich schon einiges in den Schwimmbädern. So gibt es seit Ende der 1980er-Jahre keine Badekappenpflicht mehr in den deutschen Frei- und Hallenbädern. Vorher war die Wasseraufbereitungstechnik mit den Haaren im Wasser schlicht überfordert. Und schließlich können auch die Schwimmbadgäste einiges dazu beitragen, dass nicht so viel Chlor, Energie und Frischwasser verbraucht werden müssen. Unter anderem das Umweltbundesamt weist auf seiner Internetseite darauf hin, „dass durch die Einhaltung der persönlichen Hygiene (zum Beispiel gründliches Duschen, rechtzeitiges Aufsuchen der Toilette) ein erheblicher Eigenbeitrag zur Minimierung des Gesundheitsrisikos geleistet werden kann“.

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