Wissen Nichtser als nichts

Männer und ihr Gerät: Wie mir einst die höhere Mathematik des Zwetschgenkuchens die Schulzeit vergällte und ein Wochenende rettete. Von Thomas Huber

Mit höherer Mathematik hab ich’s nicht so. Da passieren Sachen, die sind mir einfach zu abstrakt. Ökonomie ist mir lieber. Über die kann ich sogar noch von einem leeren Kühlschrank was lernen. Zum Beispiel: „Du musst was reintun, damit was drin ist!“ – Versteht jeder. Daran musste ich denken, als ich vor dem Geldautomaten stand. Ganz elementare Fragen der menschlichen Existenz gingen mir durch den Kopf. Zum Beispiel: In einem leeren Kühlschrank – sagen wir mal in meinem – ist nichts. Aber kann auch irgendwo nichtser als nichts sein? Auf meinem Konto beispielsweise? Was bewegt sich langsamer als etwas, das sich gar nicht bewegt? Was war vor dem Urknall? Wo ist der ganze Kies hin? Und wo krieg ich jetzt einen Fuffi her? Nur einen Fuffi ... Und plötzlich packte mich der Stolz. Proletarierstolz. Endlich auf null, dachte ich. Daran arbeitet doch ein Buddhist sein ganzes Leben lang. Manche noch länger. Ich hatte es geschafft, bevor ich 30 war. Endlich nichts mehr haben. Ich fühlte mich so frei! Endlich war ich niemand. Ein Niemand mit der profunden Aussicht, das Wochenende in eine Decke gehüllt vor einem Glas Tee zu verbringen. Ohne Zucker. Der war auch alle. Ich bin zwar Bohemien, aber das war selbst mir entschieden zu proletarisch und zu wenig glamourös. Also wartete ich, bis die Glasschiebetüren der Bank sich beiseiteschoben und ich zu einer Audienz zu einer Person in Business-Verkleidung vorgelassen wurde. Es war dann eine sehr kurze Besprechung, und die Person war richtig verständnisvoll. Ich musste nicht meinen Dackelblick einsetzen, und meine alte Phantasie, einmal in einem Sparkassen-Besprechungskabäuschen vor blanken Business-Schuhen auf Knien herumzurutschen, wurde auch nicht erfüllt. Nur einen strengen Blick bekam ich. Und einen Fuffi. Und von Ersterem werde ich länger zehren als von Letzterem! Und dann musste ich wieder an meinen Kühlschrank denken und an meinen Mathelehrer. Dessen didaktisches Konzept hatte an mir versagt. Es bestand aus Zwetschgenkuchen. „Wenn man 2 Zwetschgenkuchen hat und 3 isst“, sagte er, „wie viele hat man dann noch?“ – Klar, minus einen Zwetschgenkuchen. Aber wie isst man minus einen Zwetschgenkuchen? „Das“, antwortete er, „ist höhere Mathematik!“ Und das, Entschuldigung, habe ich leider bis heute nicht verstanden.

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