Rhein-Pfalz Kreis Mit viel Geduld gegen Folter

Schifferstadt. Als Amnesty International 1977 den Friedensnobelpreis bekam, fanden sich auch Schifferstadter zusammen. „Es war eine bewegte Zeit“, erinnert sich Weiland, der kurz nach der Gründung zur Gruppe kam. Die Öffentlichkeit war sensibilisiert, es gab eine hohe Bereitschaft, sich zu engagieren. Medien berichteten über Regime, die ihre Kritiker einsperrten, folterten, töteten. „Der Impuls zur Gründung ging von dem Zeitungsartikel ,Die vergessenen Gefangenen’ aus, den der Londoner Rechtsanwalt Peter Benenson gelesen hatte“, erklärt Elfi Cyprian, seit 1988 bei der Schifferstadter Gruppe aktiv. Der Text handelte von Menschen, die wegen kritischen Äußerungen, friedlichen Protesten oder einfach wegen ihrer Religion, Hautfarbe oder Weltanschauung eingesperrt werden und spurlos verschwinden, wenn niemand sich um ihr Schicksal kümmert und nach ihnen fragt. Hier setzt Amnesty International an. „Öffentlichkeit ist der größte Feind der Folterer“, sagt Weiland. Wenn den Machthabern klar sei, dass sie beobachtet werden, wenn nach den Gefangenen gefragt werde, können die Mächtigen nicht „machen, was sie wollen“. So informieren auch die Schifferstadter Menschenrechtler über Schicksale von Gefangenen, sammeln Unterschriften für Petitionen an Repräsentanten und Verantwortliche autoritärer Regime. Zweimal im Monat trifft sich die Gruppe im Schifferstadter Haus der Vereine. Die Mitglieder kommen auch aus Nachbargemeinden. Jemand aus der Gruppe trägt aktuelle Informationen vor, die von der Internationalen Zentrale aus London und der Deutschen Sektion kommen. In der Vergangenheit hatten die Schifferstadter auch Patenschaften für politische Gefangene. Ivan Svetlichny war ein ukrainischer Schriftsteller, der in der ehemaligen Sowjetunion wegen „antisowjetischer Propaganda“ zu Haft und Verbannung verurteilt wurde. Die Aktivisten informierten über sein Schicksal und sammelten Unterschriften für Petitionen an die sowjetischen Behörden. Svetlichny bekam Hafterleichterungen, wurde medizinisch versorgt und bekam sogar Schreibzeug. In einem Brief an die Schifferstadter habe er sich herzlich für die Hilfe bedankt. Marwan Habache war syrischer Industrieminister und wurde nach dem Sturz der Baath-Partei zu 30 Jahren Haft verurteilt. Hier erreichten die Menschenrechtler die Freilassung. Die Schifferstadter Amnesty International Gruppe stellt ihre Arbeit bei verschiedenen Veranstaltungen vor. Regelmäßig sind sie zum Beispiel bei Konzerten im Club Ebene Eins zu finden. An ihrem Infostand bieten die Aktivisten Informationen zu aktuellen Fällen und laufenden Aktionen. Eine Aktionsform ist der Briefmarathon. Hier geht es darum, möglichst viele Menschen zu gewinnen, die einen Brief oder eine E-Mail an eine verantwortliche Behörde schreiben. Der Aufwand ist nicht groß, der Text vorformuliert, aber den Empfängern wird durch die Zahl der Briefe klar gemacht, dass ihr Gefangener nicht vergessen ist. Der jährliche Amnesty-Rechenschaftsbericht zeigt, dass 70 Prozent der Briefmarathon-Fälle sogar frei gelassen werden. Die Schifferstadter Gruppe ist klein, derzeit sind es gerade mal sechs Leute. „Das Thema ist schwierig, und man braucht viel Geduld“, meint Udo Diehl. Übereinstimmend berichten Diehl, Cyprian und Weiland von ihrem Willen, sich konkret für Menschen einzusetzen. Diehl hat während seiner Studienzeit mit Opfern von Vertreibung und Flucht gearbeitet. Weiland lernte DDR-Dissidenten kennen und gewann die Überzeugung, dass Freiheit und Demokratie nicht selbstverständlich sind, sondern verteidigt werden müssen. Neue Interessenten sind willkommen. Mitgliedsbeiträge sind freiwillig.

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x