Ludwigshafen Leitartikel: Kein Thema?

Der Sanierungsstau an den Ludwigshafener Schulen ist gewaltig. Aber kaum jemand interessiert sich dafür. Schüler und Lehrer müssen die Mangelwirtschaft ausbaden. Zu viele Jugendliche in Ludwigshafen verlassen die Schule ohne Abschluss.

2017 ist ein wichtiges Wahljahr. Am 24. September wird in Ludwigshafen über die Nachfolge von Oberbürgermeisterin Eva Lohse (CDU) und den nächsten Bundestag abgestimmt. Ein Reizthema hätte Lohse bis dahin gerne vom Tisch: Die noch ungeklärte Finanzierung des Abrisses der Hochstraße Nord, die durch eine Stadtstraße ersetzt werden soll. Die Kosten belaufen sich auf geschätzte 300 Millionen Euro. Der Sanierungsstau an den 47 Ludwigshafener Schulen in Trägerschaft der Stadt ist längst ein ähnlich dicker Brocken. Auf 260 Millionen Euro hat Baudezernent Klaus Dillinger (CDU) die notwendigen Reparaturen an den Gebäuden beziffert, in denen über 30.000 Kinder und Jugendliche täglich lernen. Das jedoch wird im Wahlkampf vermutlich keine große Rolle spielen. Kaputte Straßen sind wichtiger als bröckelnde Klassenräume. Das ist bemerkenswert. Denn Tausende Schüler und Lehrer in der Stadt leiden unter dem gewaltigen Sanierungsstau. An vielen Schulen fehlt zudem schon seit Jahren Platz. Obwohl dieser den Einrichtungen per Gesetz zusteht. Das betrifft Klassen- und Gemeinschaftsräume, aber auch Schulhöfe, Turnhallen und Mensen. Dieser Mangel wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen, denn die Schülerzahlen steigen, wie die Verwaltung weiß. Für An-, Um- oder gar Neubauten fehlen der hoch verschuldeten Kommune nicht nur die Mittel, sondern vor allem geeignete Flächen. Ludwigshafen ist zugebaut. In Mitte und Süd sucht die Verwaltung seit Jahren vergeblich nach Standorten für dringend benötigte neue Kindertagesstätten. Nun soll sogar auf einer Grünfläche zwischen Berliner Platz und Rheinuferstraße ein Kita-Provisorium errichtet werden. Ein neues Polizeipräsidium soll auf einer kleinen Wiese an der Hochstraße Süd in den Himmel wachsen. In den teuren Neubaugebieten am Rhein dagegen wurden für Schulen und Kitas keine Flächen reserviert. Trotz der schlechten Ausstattung müssen die Schulen die Hauptarbeit beim Thema Integration der über 160 Nationen leisten, die in Ludwigshafen leben. Hinzu kommen seit zwei Jahren Hunderte Kinder und Jugendliche, die aus ihren Heimatländern geflüchtet sind und ohne deutsche Sprachkenntnisse in den örtlichen Schulen starten. Manche haben auch in ihren Herkunftsländern weder Lesen noch Schreiben gelernt oder sind schwer traumatisiert. Dabei sind Lehrer und Schulleiter für diese Aufgaben gar nicht extra ausgebildet. Zusätzliches Personal wie Schulsozialarbeiter und -psychologen oder Joblotsen stehen nur punktuell zur Verfügung. Da wundert es wenig, dass viele Jugendliche die Schule ohne Abschluss und damit ohne Chance auf einen Start ins Berufsleben verlassen. Rund 200 waren es nach dem vergangenen Schuljahr. Über 350 haben zwar die Berufsreife geschafft, also den früheren Hauptschulabschluss, damit aber trotzdem schlechte Karten, einen Ausbildungsplatz zu finden. Diese Defizite in der Bildungslandschaft können sich Großstadtgesellschaften wie Ludwigshafen nicht leisten. Denn sie müssen dafür in der Zukunft teuer bezahlen. Kommunen wie Ludwigshafen müssen daher finanziell so ausgestattet werden, dass sie ihren Pflichten gerade im Bereich Kitas und Schulen auch gerecht werden können. Die Schulen brauchen nicht nur mehr Lehrer, um ihre Stundenpläne zu erfüllen, sondern auch Sozialarbeiter und Psychologen. Auch Eltern sind gefordert. Warum prangern so wenige die Missstände an? Wo sind die Mütter und Väter, die sich für ihre Kinder stark machen, wenn die Politiker wegschauen? 

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